Unter dem Namen Isabella, verbirgt sich im Schlosse des Grafen von Toredo,
Elisabeth, Tochter Tankreds, welche dem Tode (womit sie die Grausamkeit
Heinrich VI bedrohte) entfloh. Niemand ahnt ihren Stand, selbst der
Wohlthäter nicht. Der Usurpator aber, durch Späher unterrichtet, sendet
einen Hauptmann mit Soldaten, sie aufzuheben. Der Graf, zu spät gewarnt, und
in Gefahr als Hochverräther gestraft zu werden, vermag nun die Erkannte
nicht aus dem umringten Schlosse zu entfernen, und ist eben im Begriff Alles
zu entdecken, als seine Tochter Bianka, die hochherzige Freundin der
Unglücklichen, dazwischen tritt, und sich selbst als Elisabeth ausliefert,
um der Prinzessin Gelegenheit zur Flucht zu geben. Der staunende Vater
schweigt, und beide werden zur Residenz geführt. Hier wagt es Bianka, dem
Despoten Heinrich erschütternde Wahrheiten zu sagen, wofür man sie in Kerker
und Fesseln wirft. / Unter den unzufriedenen Großen lebt auch ein Graf
Soderini, welcher, schlau genug, des Kaisers Gunst zu gewinnen wußte. Sein
geheimer Zweck ist jedoch, Tankreds Nachkommenschaft wieder auf den Thron zu
heben. Indem er nun gleich andern, Bianka für Elisabeth hält, bewirkt er
heimlich ihre Befreiung. Sie langt mit ihrem Vater in Messina an, und hier
entsteht zwischen dem Retter und der Erlösten ein wechselseitiger zarter
Bund. / Die wirkliche Elisabeth erfährt auf ihrer Flucht zufällig der
Freundin Großthat. Bewunderung und Billigkeit lassen sie den Entschluß
ergreifen, sich ihrem Feinde zu stellen, um die Dulderin Bianka zu befreien,
die ohne ihr Wissen in diesem Augenblick mit ihrem Vater und Soderini, an
der Spitze vieler dem Hause Tankreds ergebnen Sicilianer, dem Heere des
Kaisers gegenüber steht. Schon haben erstere einen Sieg erfochten, da
schreckt die Nachricht, daß Elisabeth in Heinrichs Gewalt sei, Soderinis
Anhänger, und sie fliehen vom Schlachtfelde. Die edelmüthigste Freundschaft
begeistert die Heroine Bianka aufs Neue; sie hält die Flüchtlinge auf,
entflammt ihren erloschenen Muth wieder, führt sie abermals gegen den Feind,
und gewinnt zwei Treffen. Aber Heinrich hat sein Schlachtopfer in ein festes
Schloß gesperrt, und die Freunde verzweifeln an der Möglichkeit, diesen
Kerker zu sprengen. Glücklicherweise aber kehrt zur Zeit dieser Noth, der
Geliebte Elisabeths, (Robert, Graf von Provence) der mehrere Jahre durch
widriges Geschick von Sicilien entfernt gehalten ward, zurück. Er stürmt die
Burg, trotz des Commandanten Drohung, daß die Eingekerkerte in dem
Augenblick einer feindlichen Ersteigung sterben müße. Die Geliebte wird
durch plötzliches Eindringen Biankas und ihrer Freunde, durch ein
Ausfallsthor, gerettet. Die Aussicht auf die Krone Siciliens ist ihr
zurückgegeben, und Bianka findet ihren Lohn in der Freundin Dank und
Sonderinis Liebe. / Man sieht, daß die Handlung treflich gewählt wurde, und
der anziehenden und überraschenden Momente eine Menge enthält. Im Fortleiten
des Fadens, in der lebendigen kräftigen Diktion, und mehreren Vorzügen des
Stücks, offenbart der Verfasser Beruf zur dramatischen Kunst. Aber die
Individualitäten sowohl als die Wendungen der Sprache, erinnern zu oft an
das schon Gesehene und Gehörte; Bianka scheint in ihrem Heroismus der Jeanne
d'Arc so nachgebildet, daß jedermann die Aehnlichkeit bemerkte. So wird man
an eine Stelle des Oberon: "Ein Augenblick kann alles umgestalten u.s.w."
und an andre uns bekannte Dichter gemahnt. Diese Reminiszenzen mit
Originalität zu vertauschen ist ein Rath, den die unbefangne Kritik Herrn
Theodor Hell mit allem Fug ertheilt. / Bianka ist die Hauptrolle des Stücks.
Madame Fleck hatte den Charakter mit Begeisterung aufgenommen, schöne
Attitüden und poetischer feuriger Ausdruck erwarben ihr die lebendigste
Theilnahme, und nie trat sie ab, ohne daß ihr lauter Beifall folgte. (Dies
hatte ihr auch der Dichter durch Effekt der Endreden erleichtert.) Elisabeth
ist eigentlich eine Nebenfigur; durch das gefühlvolle, edelgehaltene,
trefliche Spiel der Mlle. Mebus ward sie aber sehr bedeutend. Herr Herdt
zeichnete den wackeren Greis Toredo mit Kraft und Adel. - Es hat dem
ungeachtet den Anschein nicht, daß dies Stück ein besonderes Glück machen
werde. Vielleicht sah man zu viele in der Manier, und dem immer
wiederkehrenden Kostüm. Auch war die Versammlung nicht zahlreich.
Kaiser Heinrich der Sechste, König von Sicilien | Hr. Bessel d. jueng. |
Graf von Toredo | Hr. Herdt |
Bianca, seine Tochter |
Mad. Fleck |
Robert, Graf von Provence |
Hr. Mattausch |
Karl von Montenard, sein Freund |
Hr. Holzbecher |
Graf Soderini, ein Sicilianischer
Großer |
Hr. Schwadke |
Tibaldo, Hauptmann in Heinrichs
Diensten |
Hr. Lemm |
Isabelle |
Mlle. Mebus |
Pietro, ein alter Diener Toredo's |
Hr. Labes |
Ein Landmann bey Palermo |
Hr. Greibe |
Soldaten |
Hr. Deny. Hr. Benda |
Bewaffnete |
Hr. Lattig. Hr. Rebenstein |
Soldaten des Kaisers, Roberts und
Soderini. Volk |
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Zeit: gegen das Ende des 12ten
Jahrhunderts Scene: Sicilien |
Nationaltheater: Bianca von Toredo (bearbeitet von Klaus Gerlach), Berliner Klassik, hrsg. v. der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, 2003-2013. URL: https://berlinerklassik.bbaw.de/nationaltheater/theaterstueck/110.
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