[...] der ländliche Morgen, ein Ballet von Herrn Lauchery, mit Musik von Frenzel dem Vater. Dieses Ballet ist von guter Erfindung und man sieht es mit Vergnügen, da es mehr natürlichen Gang, Einheit, Geschichte und Charakter hat, als manches der neueren Ballette. Die Dekoration ist angenehm, die Ausführung des Ballets geschieht mit großer Präzision, daran man Fortschritte, welche das Königl. Ballet genommen hat, mit Achtung erkennt. Der Chor des Ballets hat mehr Leben und Geist, die Gruppirung mehr Mannigfaltigkeit und Interesse. Hr. Lauchery schwebt über die Bühne hin wie ein Hauch, und sein Tanz hat eine Zierlichkeit und Bestimmtheit, welche dieser seltenen Leichtigkeit Charakter geben. Mad. Gasparini ist anerkannt, Dlle. Schulz ist sehr liebenswüdig, und die bedeutendsten Hoffnungen giebt Dlle. Hendschell. Es ist zu hoffen, man werde mit diesen und andern Ballets von Zeit zu Zeit fortfahren, da sie dem Publikum Vergnügen und dem Ballet Uebung und Ehre verschaffen.
Eigentlich nur eine ziemlich
platte pantomimische Groteske. Dämmerung, Hahnengeschrei und Lerchengesang
bezeichnen den Anbruch des Morgens. Eine Menge junger Mädchen und Bursche
finden sich einzeln auf dem Theater ein, das den Hofraum eines Pachthofes
bildet. Die Heerde zieht im Hintergrunde vorüber. Der Pächter erscheint, theilt
Befehle aus, weist jedem seine Arbeit an, besteigt auf dem Theater sein Pferd
und reitet aus. Kaum ist er fort, so erscheint ein Liebhaber seiner Tochter,
und in kurzem beginnt ein allgemeiner Tanz. Er wird durch die Nachricht
gestört, daß der Herr zurück komme. Der Liebhaber schlüpft in einen Sack, die
übrigen werfen sich an die nächste Arbeit. Der Pächter erscheint wieder zu Pferde,
findet alles in Unordnung, und straft mit Stock und Peitsche. Er entdeckt den
Liebhaber im Sack. Dieser springt zum Fenster eines Hauses hinein; alles folgt
ihm. Er läßt sich aus einer Bodenluke an einem Seile herab und schlüpft in
einen Keller: die Männer folgen ihm. Er springt zum Souffleur-Loche wieder
heraus, ergreift einen Stock und schlägt dem ersten der ihm nachkommt, damit
auf den Kopf, daß er zurückstürzt. Alles versammelt sich nun um den
Verwundeten: ein Wundarzt und ein Arzt erscheinen; er wird verbunden. Ein
Justizbeamter kommt, um den Vorgang zu untersuchen: die Mädchen fallen ihm zu
Füßen; er verzeiht das Vergehen, der Vater vereinigt die Liebenden und ein
neuer Tanz schließt die Vorstellung.
Das bunte Gemisch meistentheils reizender weiblicher
Gestalten, und der leichte, lebendige Tanz der Mdme. Gasperini und der Dlles.
Auguste Schulz und Hentschel, vergnügte; für die Gallerie war auch wohl das
Krähen, Singen, Bellen, das Peitschengeknalle, der Kettenhund, die Heerde und
die Erscheinung des Pferdes auf der Bühne, recht hübsch, – aber wie würde
Noverre den Kopf schütteln, wenn er diese Farce noch ein Ballet nennen hörte! –
Ein wahres Ballet ist ein Drama, das durch getanzte Pantomime ausgeführt wird:
es muß also seine Verwickelungen und seine Auflösung, bestimmte Charaktere und
Leidenschaften, kurz es muß eine interessante Handlung haben, mit allem was zu
diesen gehört. Ein gutes Ballet zu entwerfen, dazu gehört Dichtertalent; – wer
dieses nicht besitzt, und dennoch ein Ballet machen will: warum entlehnt er
nicht die Fabel irgend eines kleinen Lustspiels u. s. w.? Auf einem
ausländischem Theater im Norden, werden viele Weissische Operetten als Ballete
gegeben, und thun eine echt künstlerische Wirkung. Vorzüglich ist das mit der
Jagd und dem Aerndtefest der Fall.
Merkantilisch ist von Seiten der Direktion fast auf nichts so sicher zu rechnen, als auf das Ballet. Es füllt immer das Haus. Auch heute war das der Fall, und der Tanz der Einzelnen sowohl, als das allgemeine rasche lustige Getümmel, verdienten alles Lob. / - p-
Nationaltheater: ländliche Morgen, Der (bearbeitet von Klaus Gerlach), Berliner Klassik, hrsg. v. der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, 2003-2013. URL: https://berlinerklassik.bbaw.de/nationaltheater/theaterstueck/127.
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