Die Idee dieses Ballets ist äußerst einfach, aber sehr artig. Eine spröde Schäferin, nachdem sie vor der Bildsäule geopfert hat, findet den schalkhaften Gott selbst, unter den geopferten Blumen. Sie zerschneidet ihm listig die Bogensehne, aber er verwundet sie doch, und Venus und die Grazien und ein Trupp von Schäfern und Schäferinnen, feiern mit ihm seinen Triumph. Herr und Mdme Telle tanzten die beiden Liebenden mit Grazie und hoher Kunstfertigkeit; ihr kleiner, wie es schien vierjähriger Sohn, machte den Amor allerliebst, und mit niedlicher Gewandheit und Naivetät. Mdme Gasperini, die Dlles Auguste Schulz und Hentschel, entzückten auch heute.
Es giebt Portraits, denen man die Aehnlichkeit mit dem Originale, das sie vorstellen, ansieht, ohne das Original zu kennen. Es giebt Karikaturen, die eine so treffende Aehnlichkeit mit ihren beabsichtigten Urbildern haben, daß wir auf den ersten Blick diese Urbilder, auch wenn wir sie nie gesehen haben, nie sehen werden, errathen, ich möchte fast sagen, wieder erkennen. So muß es in irgend einem Winkel von Europa einen Graf Balken geben, denn seinen Monsieur le comte, Monsieur le baron, sein Wesen, seinen Anstand, sein Air, seinen Gang, sogar sein bon, hat Herr Unzelmann irgendwo – gefunden, nicht – erfunden, und sehr glücklich nachgezerrt. Das wahrhaft-komische und sehr unterhaltende Stück ist sehr gut gegeben worden; nur daß das Publikum es lieber gesehen hätte, wenn – Iffland von seinem Neffen aus dem Garten herausgeprügelt worden wäre. / Das Ballet wurde überhaupt mit vieler Anmuth, und vom Herrn Tell besonders mit großer Präcision getanzt. Der schlafende und nachher sich auf seinen Bogen stützende Amor war überaus lieblich, und die Musik dem Sujet vollkommen angemessen
Nationaltheater: Opfer vor der Bildsäule, Das (bearbeitet von Klaus Gerlach), Berliner Klassik, hrsg. v. der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, 2003-2013. URL: https://berlinerklassik.bbaw.de/nationaltheater/theaterstueck/176.
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