Am 20. gab man, nach zwei kurzen Vorspielen, ein neues komisch-pantomimisches Ballet in 2 Akten, von Hrn. Lauchery: Der Opernschneider. Der erste Akt spielt in der Wohnung des Opernschneiders, der eine verbuhlte Frau hat. Drei Liebhaber, ein Chevalier, ein Opern-Tänzer und ein Arzt, bemühen sich um ihre Gunst, und keiner ist unglücklich. Der eifersüchtige Mann entdeckt immer neue Intriguen, und wird immer von neuem betrogen. Endlich, da er ausgehen muß, entschließt sie sich, mit ihren Liebhabern die Masquerade zu besuchen. Er findet bei seiner Rückkehr das Haus leer, erfährt, wohin seine Frau gegangen ist, und folgt ihr. Dieser erste Akt ist voll komischer Einfälle und Abentheuer, die außerordentlich belustigten, ob sie gleich noch nicht mit vollkommener Präcision ausgeführt wurden: daher scheint er zu lang. Der zweite Akt öffnete den Zuschauern, nach ein paar kurzen Scenen vor dem Ballhause, den sehr prächtig und geschmackvoll decorirten Ballsaal, und hier wurden viele treffliche Tänze aufgeführt. Zuerst erschienen mehrere Paare Italienischer Masken, unter welchen vorzüglich Dlle Hentschel als Colombine und Hr. Scalesi als Harlekin interessirten; – dann entdeckt der Schneider seine Frau am Arm des Chevalier: großer Zwist, der selbst die Wache herbeizieht; der Chevalier entfernt sich, dann Versöhnung, dann – allgemeiner Tanz. Zuerst erschien eine alte Frau und forderte einen Catalonier, Hrn. Scalesi, zum Tanz auf. Er weigerte sich; sie warf die Maske ab und die reizende Gestalt der Dlle Schulz stand – Venus auf einer Wolke, – glänzend geputzt, als Catalonese da. Jetzt erfolgte ein kühner, feuriger, inniger Tanz mit Castagnetten, der einige Aehnlichkeit mit dem Fandango hatte. – Dlle Engel, als Pohle, Madame Riebe als Pohlin, führten, in sehr reicher geschmackvoller Nationaltracht einen schönen Pas de deux aus und schlossen mit einem Masureck. – Zwei Neger begannen einen wilden Groteske-Tanz: – doch ein wohlklingendes Glockenspiel machte sie aufmerksam, und plötzlich gaukelte reizend muthwillig, gleich einer Göttin der Freude, Dlle Hentschel mit dem Glockenspiel in der Hand herein und tanzte mit ihnen ein Pas de Trois der mit reizenden Attitüden und endlich damit schloß, daß der eine Neger Dlle Hentschel auf der einen Hand stehend hinauszutragen schien. – Jetzt trat Hr. Lauchery, als Englischer Matrose, auf, und zeigt im Horn-Pipe Tanze bewundernswürdige Kraft und Gewandtheit. Der Beifall war allgemein und fast zu laut: aber das treffliche Ballet verdient ihn im ausgedehntestem Maaße.
Der Opernschneider. Es wurde heute mit sehr viel schnellern Tempo gegeben als sonst, und gefiel dadurch mehr. Je öfter man die Musik dieses Balletts hört, je mehr muß man dem Componisten die Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß er mit seinen leichten Melodien den jedesmaligen Charakter der Touren und den bezeichnenden Einschnitt der Pas vortrefflich verbunden hat. Allerdings ist das von wichtigem Einfluß auf die Vollziehung, und erhöht das Vergnügen des Zuschauers in dem Maaß, als es dem Tänzer erleichternd wird. - n -
Nationaltheater: Opernschneider, Der (bearbeitet von Klaus Gerlach), Berliner Klassik, hrsg. v. der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, 2003-2013. URL: https://berlinerklassik.bbaw.de/nationaltheater/theaterstueck/186.
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