In den Carnevals von 1803 und 1805 wurde dies Ballet im Italienischen Opernhause gegeben. Für auswärtige Leser mag jedoch eine Skizze der Handlung hier stehn. – Herr Duleger, ein savoyischer Gutsbesitzer, liebt den Tanz bis zur Ausschweifung, und haßt jeden, der seine Leidenschaft nicht theilt. Wo er nur immer ist, übt er battemens, jettés battus, entrechats, pirouettes, arabesques etc. und sein Diener Pasmoucheté äfft ihm nach. Flicflac, ein Tanzmeister, und Brissotin, dessen Repetiteur, sind seine Vertrauten. Die Bewohner seines Dorfes vermögen nur in dem Maaß etwas über ihren Herrn, als sie seinem Geschmack huldigen. Nun kömmt ein Oberst, Demarsept genannt, der sich in Euphrosinen, Dulegers Tochter verliebt, und um ihre Hand wirbt. Der Vater hat eben Vestris Gavotte vollziehen sehen, noch entzückt davon, frägt er Herrn Demarsept durch Zeichen: ob er diesen Tanz auch verstände? Mit der Verneinung des Obersten, erwachsen diesem auch Dulegers Haß und die Ablehnung der Heirath. Doch unterstützt Madame Duleger die Liebenden, und veranstaltet einen Masken-Ball. Hier erscheint nun der Oberst als Baske, Flicflac als Türk und Brissotin als Chinese verkleidet. Daneben mehrere Quadrillen und Masken. Duleger, überrascht und froh, verspricht denjenigen als Eidam zu begrüßen, dessen Tanz am meisterhaftesten erscheinen werde. Der Wettstreit hebt an. Zuerst läßt sich der Chinese in drolligen Sprüngen sehn. Das mißfällt Herrn Duleger nicht, doch wird er davon auch nicht befriedigt. Der Türk tritt nun an die Reihe. Sein Tanz macht Herrn Duleger Langweile. Als aber der Baske sich zeigt, und Euphrosine in einem Baskenanzug sich zu ihm gesellt, rühren Herrn Duleger die geschmackvolle Anmuth und verführerischen Gruppen (grouppes séduisans) des Paars in dem Grade, daß dem Obersten der Preis zuerkannt wird. Hierbei sieht man noch viele Nebenhandlung. – Die ermüdendste Rolle ist ohne Zweifel der der Dansomanie ergebene Herr Duleger. Herr Riebe vollzieht sie aber mit aller nöthigen Bewegbarkeit und einem großen Aufwande von komischer Kraft, die auch manches aus eignen Mitteln hinzuthut. Das frommt solchen Stellen vorzüglich, die sonst langweilig zu nennen wären. Nächst dem muß Pasmoucheté fast immer auf den Beinen seyn. Herr Mosser giebt ihn mit trefflicher Gewandheit. Euphrosine, (Mad. Telle) und Herr Demarsept, (Herr Telle) verdienen durch ihren charaktervollen und leichten Tanz, besonders gegen das Ende des zweiten Akts, großes Lob. Madame Duleger (Mad. Clauce) hat wenig zu thun. Herr Duponcelle macht den Flicflac mit viel Anstand, wobei ihm seine Gestalt sehr nützlich wird. Die rascheste lustigste Buffonerie aber sieht man an Brissotin (Herrn Scalesi). Die graziöseren und ernsteren Parthien vollziehen die Damen Riebe, Engel, Auguste Schulz, Hentschel, und die Herrn Gasperini und Albert Lauchery. Mlle. Engel und Mad. Riebe haben auch das sogenannte Tauben-pas de deux wieder eingelegt. Alles das fand und verdiente vollen Beifall. – p –
Nationaltheater: Tanzsucht, Die (bearbeitet von Klaus Gerlach), Berliner Klassik, hrsg. v. der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, 2003-2013. URL: https://berlinerklassik.bbaw.de/nationaltheater/theaterstueck/201.
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