Das Publikum feierte die Erscheinung von Friederike Unzelmann, mit lange anhaltendem, lautem und herzlichem Beifall. Professor Engel erklärte sich sehr entschieden für dieses Schauspiel, weshalb er ihm die besondere Sorgfalt widmete, es größtentheils den Schauspielern selbst einzulehren. Der Geist dieses Studiums waltet noch über der Darstellung, welche zu einer der besten dieser Bühne gerechnet werden kann. Der ganze Vortrag zeichnete sich mehrentheils durch Anstand und treue Beobachtung der Formen aus, die in der großen Welt Bedeutung haben. Herr Mattausch giebt den Fürsten mit edler Haltung und herzlichem Gefühl in kräftigem Ausdruck ohne Übergränzung. Mad. Fleck hat ihre Rolle, in zarter Weiblichkeit, mit Reichthum an Gefühl und Eigenheit des Humors durchaus erfüllt. Man kann sagen, daß sie ihr an einigen Stellen Haltung verliehen, wo der Verfasser sie vielleicht verfehlt, oder mindestens zweifelhaft gelassen hat. Mad. Unzelmann giebt die Rolle der Fürstin imposant und anziehend. Der Kampf zwischen der Richtung, welche die erste Erziehung diesem Charakter gegeben hat, und der starken Empfindung, die ihr Recht über die Form behaupten, wird von dieser denkenden Künstlerin so wahr, in so mannichfachen Nüanzen geschildert, die Formen scheiden so Stufe für Stufe und schwinden endlich von der Allgewalt der Herzlichkeit überwunden auf so rührende Weise, daß die Empfindung höchst wohlthuend von dieser Darstellung ergriffen wird. Die Scene zwischen der Fürstin und Elise bildet den Triumph der Darstellungskunst. Beide Künsterinnen haben nicht für sich wirken wollen, nur für die Sache. Jede that alles für die andere, und eben dadurch that jede Alles für sich. Keine wollte die Andere auf dem Wege zum Ziele bevortheilen, beide langten, von dem rührenden Danke der Versammlung belohnt, zugleich am Ziele an. Der Verfasser spielte zum Erstenmale die Rolle des Amtshauptmanns, welche er mit innerer Bewegung, bei äußerer Ruhe, geleistet hat. Hr. Schwadke gab den Witting sehr sorgfältig. Witting ist etwas Hypochonder; der Ausdruck seiner Empfindungen dürfte daher tiefer genommen werden. Dlle. Döbbelin leistet die Oberhofmeisterin wie eine solche Künsterin Charaktere von Bedeutung zu geben pflegt. Die geläufige Bedeutenheit der Sprach und Formen, darin Nichts wie Alles klingt, und Alles wie Nichts, erschien indeß nicht in dem Lüster, den man sonst an ihr zu sehn gewohnt ist.
Nationaltheater: Elise von Valberg (bearbeitet von Klaus Gerlach), Berliner Klassik, hrsg. v. der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, 2003-2013. URL: https://berlinerklassik.bbaw.de/nationaltheater/theaterstueck/207.
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