Am 5ten März gab man: / Der Spieler, von Iffland./ In Rücksicht auf Feinheit und Wahrheit der Charakterzeichnung, verdient dieses Stück fast den ersten Rang unter den dramatischen Werken des Verfassers: es ist in der That ein sehr gelungenes, ein treffliches Werk. Warum haben wir es seit Jahren nicht gesehen? – Um seinen Wert aber ganz empfinden zu können, muss man es so schön darstellen sehen, als heut geschah: bis auf die kleinste Nebenrolle herab, wurde es ausgezeichnet und gut ausgeführt. / Herr Werdy [aus Frankfurt am Main] spielte den jungen Baron Wallfeld. – Die Benennung "Künstler" wird oft gefällig in einem ziemlich weiten Umfange der Bedeutung gebraucht; aber, indem er es in einem sehr engen, ernsten Sinn nimmt, gesteht der Beurtheiler hier: Herr Werdy scheint ihm ein wahrer Künstler. Durchaus frei von allem was einer Manier ähnlich sieht, frei von Ueberspannung und Affektation, führte er den Charakter mit jeder feinen Nuancirung in allen den äußerst schwierigen Situazionen des Stückes, tief gefühlvoll und innig wahr durch. Vorzüglich durchdacht gab er die Scenen im vierten Akt, wo er die Wirkungen des Weins ohne Trunkenheit, - und des Spielerglücks, ohne Freude, bloß als Betäubung des sittlichen Gefühls auszudrücken, und gleichwohl auch leidenschaftliche Reizbarkeit zu zeigen hat. Herr Werdy vermied hier jede zu scharfe Aeußerung, die Härte oder wirkliche Depravation verrathen hätte, und spielte und sprach gleichwohl warm und kräftig. Kurz, er hat uns endlich einmal einen Künstler kennen gelehrt, den wir einer andern Bühne zu mißgönnen Ursach haben. Ein Bedenken indeß: war die Zerknirschung, die Zerrüttung des Unglücklichen in der demüthigenden Scene, wo er als Spieler en office erscheinen muss, nicht etwas zu schwach markirt? Hätte nicht Poser die Karten abziehen und Wallenfeld bloß das Geld einstreichen müssen? Dann hätte der letzte mehr Raum zum stummen Spiel gehabt, und die Frage seines Sohnes: "Ob er ihm das geschenkte Geld wieder abnehmen wolle", wäre doch noch passend gewesen - Zunächst nach ihm verdiente heute Herr Unzelmann genannt zu werden, der den alten Onkle machte. Es ist wohl nicht möglich, sich einen hohlen, herzlosen Reichen, der an seinen Reichtum und an die Leichtigkeit durch diesen alle seine Bedürfnisse durch andre befriedigen zu lassen, seine ganze Persönlichkeit verloren hat, wahrer und lächerlicher schwach zu denken, als Herr Unzelmann ihn ausführte. Man hätte glauben sollen, er schaffe sich nicht als Künstler einen Charakter, sondern er porträtire. – Eben dieses Lob verdiente Herr Reinhard als Kriegsminister. Er spielte mir gehaltener Wärme, und mit einer Festigkeit, die tiefes Gefühl sehr schön durchblicken ließ. Mehr Rollen so frei von Manier, und so durchdacht als die heutige, und unsre Bühne darf sich Glück wünschen, ihn zu ihren Mitgliedern zu zählen. – Auch Herrn Berger darf das Lob nicht vorenthalten werden, daß er den Hauptmann Poser sehr brav darstelle, - vielleicht nur nicht fein genug. – Herr Reinwald schien Gabrecht selbst zu seyn, nicht ihn zu spielen. -l.
Nationaltheater: Spieler, Der (bearbeitet von Klaus Gerlach), Berliner Klassik, hrsg. v. der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, 2003-2013. URL: https://berlinerklassik.bbaw.de/nationaltheater/theaterstueck/221.
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