Gustav
Wasa, Schauspiel in fünf Akten von Kotzebue
Das
gegenwärtige Stück können wir uns nicht anders erklären, als aus dem Kitzel
auch einmal Shakespeare zu seyn. Die Probe ist, das weiß der Himmel, schlecht
ausgefallen. Die Abentheuer des Gustav Wasa sind hier mit manchen
verschönernden Zusätzen ausgeschmückt, welche dem Verfasser wohl als
dramatische Bedürfnisse vorgekommen seyn werden. Eine fast unzählige Menge von
Personen, von denen manche nur ein einziges Mal erscheinen, und etwas
anknüpfen, was nicht aufgelöst wird, andere nur zur Parade da stehen, eine Phraseologie in Jamben
u. s. w.; die sind die Eigenthümlichkeiten dieses Stückes, welches ohne einen
Schluß geblieben ist. Hat der Verfasser wirklich die historishcen Stücke
Shakespeare’s im Auge gehabt, (ist dies nicht der Fall, so bleibt der gute Rath
dennoch in seiner Gültigkeit,) so beliebe er doch gütigst zu bemerken: daß die
Einzelnheit und Confusion, der Ueberfluß, und an andern Orten die Dürftigkeit
der Shakespearschen Darstellung nur scheinbar sey, und daß es nur an der
Blödigkeit des Auges liegt, um den Punkt auszufinden, von dem aus sie
nothwendig erscheinen. Der Trivialität und Unkünstlichkeit erscheint aber nur
die äußere Form; und dieser bemächtigt man sich als solche sehr leicht, geht
dann frisch darauf los, und stellt dar. Daher entsteht dann ein solches
liebliches Gemisch von zarter Weiblichkeit und Heroismus, Intrigue und
Teufelei, Liebe und Zärtlichkeit, und der Henker weiß, was sonst noch, aus
denen dies Stück zusammengesetzt ist. Ueber den massiven Tyrannen wird sich
Niemand des Lachens enthalten können; er ist recht eingefleischt satanisch,
nebst seinem Seitenstücke Trolle;
auch macht sich die Ahndung Margarethes, die ungemeine Liebe, und das
Händegeben beim Grabe sehr schön unter dem Kriege und den übrigen zu Thaten
auffordernden Umständen. Aber ein Liebchen muß ja der Held haben! – Was soll
man weiter von dem kläglichen Ganzen sagen? Es ist eine Fabrikuhr, welche nie
richtig geht, auf deren Zifferblatt aber London
die Käufer anlockt.
Nationaltheater: Gustav Wasa (bearbeitet von Klaus Gerlach), Berliner Klassik, hrsg. v. der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, 2003-2013. URL: https://berlinerklassik.bbaw.de/nationaltheater/theaterstueck/226.
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