Herr Opitz, Regisseur des Kurfürstlichen Hoftheaters in Dresden wird in
mehreren Rollen erscheinen, und betrat heute als Major Waller die Bühne. Das
Talent und der Fleiß des Hrn. Opitz sind dem Publikum bereits rühmlich
bekannt, für welches er auch dadurch ein besonderes Interesse hat, daß er
aus Berlin gebürtig ist. Eine nähere Anzeige seines Spiels ist billig nach
mehreren Rollen erst zu geben, welche eine Uebersicht gestatten, die nach
einer Vorstellung nicht wohl statt finden kann. Die unbegreifliche Louise
gab Mad Unzelmann mit tiefer Empfindung, und gleitete in wunderbarer Weise
über metaphisische Predigten hinweg, so daß man den Fehler des Dichters
vergaß. / In Krankheit der Mad. Meyer hatte Mad. Schick die Lady
Milford geleistet. Auf eine recht interessante Weise hat Mad Schick abermals
ihren Beruf, im Schauspiel aufzutreten, angezeigt, und Achtung für den Fleiß
erworben, womit sie der Kunst sich widmet. Nur bei einer fortgesetzten
Sorgfalt ist es möglich, das zu erfüllen, was Mad. Schick seit Kurzem als
Schauspielerin erfüllt hat. Besonders hat Mad. S die Erzählung im zweiten
Akt mit Empfindung und Wahrheit gesprochen; auch verließ sie den Pallast und
die Herrlichkeit ihrer Regierung mit Würde und Gefühl. / Es ist deutlich zu
sehen, daß Mad. Schick ihre Vorgängerin, Mad. Meyer, auf der Bahn der
stillen Gewalt, welche diese wandelt, mit Studium und innerer Achtung
beobachtet hat. Wie könnte sie auch besser das Talent, das unbezweifelt in
ihr ist, ausbilden, als wenn sie ferner sich bestrebt, diese seltene
Künstlerin zu studiren. Hr. Schwadke gab den Sekretair Wurm mit Anstand,
ohne das Gehässige zu mehren. Es ist ein achtungswerthes Verdienst, daß er
das Gehässige gemildert hat, ohne den Frost der Sache zu mindern. / Herr
Berger hatte auf die Rolle des Präsidenten sichtbar vielen Fleiß verwendet;
aber die Schattirungen des Hofmannes sind nicht in seiner Gewalt. Die
Drohungen gegen seinen Sohn wurden im Ton gemeinartiger Zänkerei gesprochen.
Hr. Herdt, als Musikus Müller, sprach mit Wahrheit, und mildert manche harte
Stelle. Im letzten Akt vermißte man die tiefe Empfindung. Herr Reinwald ist
nicht für die Rolle des Hofmarschalls, doch zog er sich mit Geschicklichkeit
aus dem Handel. Mad. Greibe, als Frau Müller, hätte vielleicht etwas mehr
thun sollen; doch war es gut, daß das ohnehin so grelle Gemählde nicht
erhöht ward. Herr Labes vergriff sich, und gab das, was Gram und
Menschenwürde seyn soll, mit leerer Deklamation. Sein Kostüm war besser als
seine Darstellung.
Nationaltheater: Kabale und Liebe (bearbeitet von Klaus Gerlach), Berliner Klassik, hrsg. v. der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, 2003-2013. URL: https://berlinerklassik.bbaw.de/nationaltheater/theaterstueck/239.
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