Durville, Herr eines bedeutenden Handelshauses zu Paris, übrigens ein Mann ohne Charakterfestigkeit, der auf großem Fuß zu leben gewohnt ist, hat sich von Duhautcours, einem geübten Gauner, verleiten lassen, einen Bankrott vorzuspiegeln, um durch sogenannte gütliche Behandlung, seinen Gläubigern zwanzig Procent zu offeriren. Die ganze Einleitung dieses Manövers und die Besorgung der Hülfsmittel hat Duhautcours übernommen, der aus Geschäften dieser Art ein Gewinn süchtiges Gewerbe macht. Dieses falsche Spiel wird aber durch die Festigkeit und den Biedersinn eines Mitgläubigers der Masse, des Kaufmanns Franval, durchkreuzt, der Betrüger entlarvt, nebenbei ein Ehepärchen gestiftet, u.s.w. Dies ist der Hauptinhalt dieses, ohne Abänderung, übersetzten Stücks, welches sein Verfasser ein Lustspiel (Comédie) zu nennen beliebt hat. / Dafür kann es nun wohl nur im negativen Sinn gelten, insofern es nemlich kein Trauerspiel ist. Als Charakterstück betrachtet, liefert es auch bloß ein paar etablirte Contraue, die sich selbst getreu bleiben, ohne sich im Ganzen der Handlung weiter zu entwikeln. Trotz seiner 5 nicht kurzen Akte, kann es daher nur für eine dramatisirte Anecdote gelten, die einigermaßen moralisch strafend und belehrend seyn könnte, wenn die poetische Gerechtigkeit besser darin gehandhabt würde. So aber kommt Durville, zur Buße seines beabsichtigten Betruges, mit einer leichten Beschämung, und der Galgen-Competent Duhautcours noch weit besser davon, indem ihm seine Scheinforderung, zwar mit eigenen Schulddokumenten, aber eben dadurch doch wirklich großentheils bezahlt wird, und der wieder ihn existirende Verhaftsbefehl aus einem ganz andern Geschäft entspringt, auf seine letzte Betrügerei keinen Bezug hat, folglich in seiner Lage keine Abänderung macht. Dieser Charakter ists aber doch, der durch die meisterhafte Darstellung des Herrn Iffland fast einzig und allein Interesse und Leben in das übrigens ziemlich trockene und alltägliche Ganze bringt. Alle übrige Personen scheinen nur da zu seyn, um seiner Gewandtheit zur Folie zu dienen, seine Wiedererscheinung vorzubereiten, und – allenfalls mit Ausnahme der durch Herrn Gern sehr brav geleisteten Rolle des biedern Franval, - bleiben ihr Fleiß und anerkannte Talente ohne merklichen Effekt. Ein Umstand, der dem ganzen Stück kein langes Daseyn auf unserer Bühne zu versprechen scheint. / - x -
Nationaltheater: Duhautcours (bearbeitet von Klaus Gerlach), Berliner Klassik, hrsg. v. der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, 2003-2013. URL: https://berlinerklassik.bbaw.de/nationaltheater/theaterstueck/263.
Link zu den API-Daten: https://berlinerklassik.bbaw.de/api/nationaltheater/theaterstueck/263