Am 16ten Februar
wurde zum Benefice für Madame Unzelmann das Singspiel die Hochzeit des Figaro
aufgeführt.
Madame Unzelmann
verdient den Dank des Publikums, daß ihre Wahl eines Benefice-Stücks auf dies
Singspiel gefallen ist, das ohne diese Wahl vielleicht noch lange nicht
hervorgesucht wäre. Warum? weiß ich nicht, aber fast alle Direktionen unsers
Theaters haben mit dieser vortreflichen Mozartschen Musik immer sehr gegeizt.
Indeß muß ich für mein Theil gestehen, daß es mir noch lieber gewesen wäre,
wenn Madame Unzelmann das Lustspiel statt des Singspiels gewählt hätte.
Letzteres ist doch gar zu kahl und hölzern; man kann kaum das Skelet von dem
Lustspiel darin finden. Und welch einen Triumph würde die Schauspielkunst
gefeiert haben, wenn Madame Unzelmann uns die Susanne des Lustspiels
dargestellt hätt! Schon der Schatten von dieser Susanne, das beschnittene,
verkürzte, verdrechselte Püppchen des Singspiels wurde unter ihren Händen ein
ganzes, lebendiges, interessantes Wesen. Sie stattete sie mit aller Regsamkeit
ihres Geistes, alle dem Reichthum an Nüanzen, allen den Feinheiten und alle der
Grazie aus, die wir an ihr schon lange zu sehen gewohnt sind; doch überraschte
sie hier und da noch mit neuen, äusserst treffenden Zügen. — Madame Schick sang
die vortrefliche Arie im dritten Akt mit der Kunst und dem Flusse, der ihr
immer neue Bewunderer erweckt. Madame Müller sang mit vielem Douceur, vielleicht
nur zu kunstreich zu manierirt. Madame Böhm ist veraltet, und das Publikum ist
gutgesinnt genug, in ihr nur das, was sie einst gewesen ist, zu erkennen. Herr
Beschort hat sich durch seinen Figaro einen neuen Stein im Brette bei unserm
Publikum erworben; sein Spiel war rasch, lebhaft und anständig, sein Gesang
deutlich und gefällig.
Nationaltheater: Hochzeit des Figaro, Die (bearbeitet von Klaus Gerlach), Berliner Klassik, hrsg. v. der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, 2003-2013. URL: https://berlinerklassik.bbaw.de/nationaltheater/theaterstueck/29.
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