Den 15ten zum erstenmal, den 21sten und den 1sten März
wiederholt: Der Wald bei Hermannstadt, romantisches Schauspiel in 4 Akten
nach dem Französischen, von Madame Weißenthurn. / Man weiß überhaupt, was
man von romantischen Schauspielen zu halten hat, die sich gewöhnlich mehr
für das Auge, und als Singspiel mehr für das Ohr eignen, als für Sinn und
Herz, weil die Begebenheiten in dem kurzen Raume von 4 oder 5 Akten zu
schnell, Schlag auf Schlag auf einander folgen, um sanft und tief zu wirken.
Es giebt der Ausnahmen nur wenige. Der Wald bei Hermannstadt gehört zu den
wenigen. Eine Fürstin von Bulgarien, die den Herzog von Siebenbürgen
heirathen soll, wird an seinen Hof geführt, aber unterweges von dem Führer,
dem Günstling des Herzogs, verrathen, beraubt, und (wie er befohlen und
glaubt) ermordet. Dobroslaw (der Günstling) führt diesen Plan aus, um seine
Schwester Olfriede als Braut dem Herzoge zuzuführen, den diese Schwester
liebt. Elisene (die Fürstin) wird durch ein halbes Wunder gerettet, von
guten Bauern (Kowar, Siwa, Sokol) aufgenommen und bleibt unbekannt. Der
Herzog, seine Braut, sein Hofstaat kehrt auf der Jagd zu ihnen ein. Olfriede
erkennt Elisenen, droht ihr den Tod, wenn sie spricht; der Herzog findet
Vergnügen an ihr, läßt sie an den Hof kommen, wo sie dem von Olfrieden ihr
bereiteten Tode durch die unerwartete Erscheinung ihres Kanzlers entgeht,
den Dobroslaw auch für todt hält, u. der sie nun erkennt, befreiet u. auf
den herzoglichen Thron bringt. Wäre der Roman nicht durch eine Menge
kleiner, einzelner, unerwarteter und doch natürlicher, unterhaltender,
feiner, neuer Züge, durch das lebhafte Interesse für Elisenen, durch die gut
gezeichneten Charaktere der 3 Bauern, durch den edeln Geist des Herzogs,
durch Abstufungen in allen übrigen Personen, gehoben, er würde die
Theilnahme nicht bis zu Ende fesseln, eben weil man längst dieses Ende
voraussieht. Die ersten beiden Akte sind die besseren, und das Stück in
Jamben und gut geschrieben, ohne überflüssigen Zierrath in Reden und
Theaterprunk. Es hat in Frankreich Glück gemacht, und wird, je öfter es
gegeben wird, auch hier je mehr u. mehr gefallen. Mad. Schröck (Elisene),
Mad. Schick (Olfriede), Mad. Sebastiani (Siwa) verdienen vorzüglichen
Beifall. Mad. Schick konnte vielleicht ihrer Liebe zum Herzoge mehr Ausdruck
geben, da es doch einmal diese Liebe ist, die sie zum Betruge verleitete.
Das Gefühl der Angst würde dadurch gemischter erscheinen, und sie weniger
verrathen. Sie soll stolz und kalt gegen das Volk, sie kann aber dabei
liebevoll und schmeichelnd gegen den künftigen Gemahl seyn. Herr Mattausch
(Dobroslaw), Herr Bethmann (Sokol), vorzüglich Herr Beschort (Amalrich, der
Herzog), füllen ihre Rollen ganz aus.
Nationaltheater: Wald bei Hermannstadt, Der (bearbeitet von Klaus Gerlach), Berliner Klassik, hrsg. v. der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, 2003-2013. URL: https://berlinerklassik.bbaw.de/nationaltheater/theaterstueck/307.
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