Nymphe der Donau, Die, 1. Teil

  Daß die Nymphe der Donau bei uns noch immer den lautesten Beifall findet, und ein volles Haus macht, ist ein nicht ganz verwerflicher Beweis, daß die Morgenröthe der Aufklärung in Sachen der Kunst und des Geschmackes mit ihren Siebenmeilen-Stiefeln in Berlin etwas länger zu verweilen beliebt hat, oder prosaisch gesprochen, daß ein richtigeres Gefühl seine Rechte gegen die Anmaßungen und Forderungen einer einseitigen und einäugigen Kritik zu reclamiren anfängt. Es ist hier weder der Ort, noch die Nothwendigkeit, zu beweisen, worüber unter Künstlern kein Zweifel mehr ist, daß die Oper sowol, als das Singspiel, Ausartungen der dramatischen Kunst sind; daß Heroen und Menschen, die entweder im höchsten Affect des Zornes, der Rache, der Liebe, oder wohl gar im Sterben Bravour-Arien singen, weder in eine idealische noch in eine Märchenwelt passen; daß das Lust- Schau- und Trauerspiel ihre Handlungen und Charaktere nur aus der Welt der schönen Ideale, die Oper und das Singspiel hingegen, wenn es deren doch geben soll, die ihrigen nur aus der Feen- und Märchenwelt herholen müssen; daß die Oper und das Singspiel nicht in das Gebiet der dramatischen Kunst gehören, sondern sich ihr eigenes, ein Gebiet der schönen Guckkastenkunst, anlegen und anbauen sollen. Ist dies alles wahr, so kann man die Nymphe der Donau als den ersten Versuch der Annäherung zu einem richtigen Begriff von dem eigenthümlichen Stoffe, von der Form und dem Zwecke des Singspieles ansehen; und dann dürften diejenigen, welche die Donau Nymphe besuchen, und sich in der Zauber- und Märchenwelt, in die sie, wie sich geziemt, unter einer lieblich tändelnden Musik eingeführt werden, recht herzlich gefallen, wohl mehr Anlage zu einem höhern Kunstsinn besitzen, als diejenigen, welche die steife Mode, über die Besucher des neckischen Weibchens vornehm die Achseln zu zucken, oder mitleidig zu lächeln, mitmachen. Wahr ist es, daß unter der Menge von Verwandlungen und Zaubereien nicht eine einzige motivirt und vorbereitet ist, daß man überall nicht einsieht, warum Menschen und wilde Thiere, warum die Nymphe, der Geist, die Nixen, die Ritter, Reisige und Burgleute erscheinen und wieder abgehen; aber wem, wenn er nicht krank ist, fällt es unter der Vorstellung ein, dies alles einsehen zu wollen? Erst wenn man diese lustige Märchenwelt und das Haus verlassen hat, zwingt uns der Räuber so mancher Vergnügungen, der immer krittelnde Verstand, die Fragen nach Zweck, Motivirung und Zusammenhang auf; und der Schelm ist schlau genug, das Andenken daß wir in einer Märchenwelt ein paar Stunden angenehm verträumt haben, und den liberalen Gedanken, daß in einer Märchenwelt dem Menschen aus der wirklichen Alltagswelt überall nichts motivirt und zusammenhängend scheinen dürfe und könne, folglich daß man die Forderungen des krittelnden Menschenverstandes schlechterdings nicht auf das Thun und Treiben der Nixen übertragen dürfe; in uns nicht aufkommen zu lassen. Möchte doch die Direktion durch baldige Aufführung des zweiten Theils der Donau-Nymphe die Richtigkeit der hier gegebenen Kunstwinke bestätigen.

Daß in dieser Operette vieler Stoff für die Imagination, und daß die Musik gefällig ist, darüber sind die Meinungen einig. Da nun Madame Eunicke, welche die Rolle der Hulda stets mit reizender Lebhaftigkeit spielt, sie nun jedesmal graziöser giebt: so muß diese Oper, vereint mit dem Spiele der Uebrigen, sich auf der Bühne erhalten. Es ist keinesweges leicht, noch unverdienstlich, den Larifari so zu spielen, wie Herr Unzelmann ihn spielt. Possen erregen leicht Ueberdruß, und wenn der Darsteller sich damit breit macht, sogar Widerwillen. Den Larifari sieht man gern kommen, man lacht mit ihm, und seine gute Laune erregt die unsrige. Herr Unzelmann legt einen kindlich frohen Humor in die Rolle, verbirgt das platte unter drolliger Gutmüthigkeit, er thut das Komische wie jemand, der nichts davon weiß, seine Geberden, seine Bewegungen sind gefällig, kurz und rund. Er hat daher das Verdienst des ächten feinen Komikers um diese Rolle, und das ist kein geringes. Dem. Döbbelin, welche die Rolle der Salome weniger schwerfällig nimmt, als vordem, nähert sich dieser Spielart. Herr Bethmann giebt seiner Rolle jedesmal Aufmerksamkeit, und beweiset damit dem Publikum Hochachtung. Auch Dem. Mebus hat seit einiger Zeit die Rolle der Bertha mit Theilnahme gegeben.