Den 10. d. M. zum Benefice für Mad. Bethmann zum erstenmale: Columbus, historisch-romantisches Schauspiel in 5 Akten von Hrn. Klingemann. – Ein anziehender neuer Stoff zur dramatischen Bearbeitung, die auch größtentheils sehr gelungen ist. Bei möglichster historischer Wahrheit, ist der Charakter des kühnen Weltentdeckers wahrhaft groß in allen Zügen gehalten: diese auf tiefer Wissenschaft ruhende Schwärmerei, der entschlossene besonnene Muth in schneller Gefahr, die edle Seelengröße bei Glück und Unglück – sie ergreifen und rühren nicht allein, sie reißen zur Bewunderung hin. – Wahrhafter und schöner kann aber auch keine lebendige Darstellung des Helden gegeben werden, als unser verdienstvolle, in dieser Rolle mit dem Lorbeerkranz der Kunst geschmückte Beschort, sie gab. Nur Columbus selbst konnte dem Ganzen Haltung und Interesse gewähren, und was vielleicht dem Seemann an Rauhheit mangelte, ersetzte das Gefühl, die hohe Würde in Sprache und Geberde bei weitem. Das ganze zahlreiche Personale des Stücks ist eigentlich nur Folie den Helden herauszuheben und steht daher, selbst bei der meistens vorzüglichen Besetzung, im Hintergrunde des großen Gemäldes. – Der König und die Königin von Spanien (Hr. D. Iffland und Mad. Bethmann), der Cazike, (Hr. Labes) und dessen Tochter Malvida (Mad. Schröck) treten indeß in einzelnen bedeutenden Momenten ausgezeichnet hervor. Hr. Bethmann hatte mit der wilden Natur des Indier-Anführers Hatuei zu kämpfen; die Raserei verschmähter Liebe, eifersüchtige Wuth und Rache, welche der Dichter für Europäer mit zu crassen Farben, wenn gleich wahr, auftrug, drückte Hr. B. mit wirklicher Leidenschaft aus; einige Mäßigung des wild lodernden Feuers dürfte indeß den unmenschlichen Charakter erträglicher machen. – Ueberhaupt thut diesem – eigentlichen – Trauerspiel – die zu natürliche und wiederholte Schilderung der spanischen Greuelthaten in dem friedlichen fremden Lande, Schaden, und das zu lange Ganze dürfte bei mildernder Abkürzung gewinnen. – Neu ist der Gedanke, den 1sten Akt auf dem Verdeck des Admiralschiffes vor sich gehn und den Zuschauer nur Himmel und Wasser außerdem erblicken zu lassen; eben so wohl berechnet ist am Schluß desselben Acts die Entdeckung des neuen Welttheils im gefährlichsten Ausbruch der Empörung des Schiffvolks gegen Columbus – Da das Sujet selbst aus der Geschichte bekannt ist, so darf der Reiz der Ueberraschung durch Erzählung mehrerer in die Handlung eingreifender Szenen, wie z. B. die plötzliche und heroische Liebe Malvidens, nicht benommen werden. Mad. Schröck gab dieses holde Naturkind mit der ihr zu Gebot stehenden Zartheit der Empfindung, und gewährte einen wohlthätigen Contrast gegen den wüthenden indianischen Freier. – Die Musik der Chöre und Märsche war sehr charakteristisch vom Hrn. Capellmeister Weber in kurzer Zeit componirt, und war besonders beim Empfange des Caziken mit Siegesgesängen (im 2ten Akt) und bei der Todten-Feier (im 5ten Akt) von vieler Wirkung, wozu die originell wechselnde Wahl der Tonarten und die Benutzung der Blaseinstrumente besonders beitrug. – Auch die schöne Ouverture von Bethoven (aus C dur) vor dem Anfange des Stücks und die übrige Zwischenmusik war zweckmäßig. – Das Costüme war sehr genau beobachtet. In Hinsicht der häufigen Verwandlungen des Theaters wäre doch zu wünschen, daß der Dichter die Ueberfahrt von Spanien nach Amerika im 3ten Act nicht so schnell gemacht hätte, wenn schon die Forderungen wegen Einheit der Zeit und des Orts jetzt sehr liberal geworden sind. – Auch erschreckt das häufige Schießen der Spanier nicht nur die Indier, sondern erschüttert auch die zarten Nerven der europäischen Damen. – Eben jetzt erregt der nemliche Stoff, zu einer großen Vorstellung bearbeitet, in Paris großes Aufsehn und sogar heftige Theaterparteien. Hier bei Uns ging es ganz friedlich zu, und man zollte allgemein Columbus den verdienten Beifall.
Nationaltheater: Columbus (bearbeitet von Klaus Gerlach), Berliner Klassik, hrsg. v. der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, 2003-2013. URL: https://berlinerklassik.bbaw.de/nationaltheater/theaterstueck/402.
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