Am 24ten April wurden Tobern und die Unglücklichen gegeben. Der Inhalt der Unglücklichen, eines Lustspiels in einem Aufzuge von Kotzebue, ist: Peter Falk, ein reicher Indianischer Pflanzer, ist mit seinen Schätzen nach Europa zurückgekehrt; er will seine zahlreichen Verwandten gern genauer kennen lernen, um dem Würdigsten sein Vermögen zuzuwenden. Deshalb läßt er in die öffentlichen Blätter setzen, daß Peter Falk gestorben sey, und daß von seinen jämerlichen Verwandten derjenige zur Erbschaft gelangen solle, welcher der Unglücklichste sey. Nun wendet sich eine ganze Reihe von unglücklichen Verwandten Prediger, Jäger, Dichter, Kammerjunker, französische Eidruants, Rezensenten, Tanzmeister, Mädchen und Wittwen, Kluge und Verrückte treten einer nach dem andern auf und bringen ihre Litanei bei ihm an. Gustav Falk, ein Jäger, und Franciska Falk, seine Geliebte, sind am Ende die glücklichen Unglücklichen, denen Peter Falk sich zu erkennen giebt, und die er als seine Kinder annimmt. Die übrigen werden mit einem Legat abgefunden, und — gehen damit höchst vergnügt, unter Musik und Tanz, von dannen. Dieser Inhalt zeigt schon, daß dies kleine Stück kein eigentliches Drama, sondern nichts mehr und nichts weniger als ein Divertissement für jeden, der daran Geschmack finden will, sein soll. Und wir schämen uns nicht, zu gestehen, daß wir viel Geschmack daran gefunden haben. Warum denn immer Intriguen, Verwickelung, Katastrophen, die oft so schlecht gerathen, daß wir uns nicht in sie, sondern in die Langeweile verwickeln, und froh sind, daß die große Katastrophe, der Schluß des letzten Akts, uns derselben entreißt? Wenn man unterhalten wird, wenn man lachen kann, was ist an der Form gelegen, wodurch es bewirkt wird? Für eine Posse gelten ohnedies die Regeln des Drama nicht, wenigstens nicht strenge und für mehr als eine Posse, oder, mit andern Worten, für ein unterhaltendes Nachspiel wird Kotzebue selbst die Unglücklichen nicht ausgeben. Laune und Witz ist genug darin; und von den aufgestellten Personen sind freilich manche, oder, wenn man will, die mehrsten Karrikatur, wie zum Beispiel der Rezensent, der Kammerjunker und die Emilie Falk, aber soll denn alle Karrikatur, dieser reichhaltige Stof zur Erschütterung des Zwergfells, von der Bühne verbannt, selbst in der Posse nicht gelitten werden? Hie und da hat der Verfasser sein Müthchen gegen einige seiner schriftstellerischen Feinde kühlen wollen; namentlich soll der Rezensent ganz handgreiflich ein Mitarbeiter an der Jenaischen Litteraturzeitung seyn. Das thut uns leid, nicht um der Litteraturzeitung willen, die wohl wegen ihrer nicht selten so partheiischen, hämischen und höchst armseligen Rezensionen, besonders im Fache der schönen Wissenschaften, eine satyrische Rüge verdient, sondern um des Herrn von Kotzebue willen, daß ihm diese Satyre nicht besser gelungen ist. So plump und platt schlägt man nur sich selbst. — Die Unglücklichen werden auch sehr gut dargestellt; besonders schön spielt Herr Mattausch den Jäger Falk, und wahrer, täuschender als Madame Herdt die Emilie Falk, kann diese Rolle durchaus nicht dargestellt werden. Nur Herr Berger macht den plumpen Rezensenten noch plumper und unausstehlicher.
Die Unglücklichen. Ein verunglücktes, mithin unglückliches in der Materie Lust-, in der Form Trauerspiel; in sofern eine wehenvolle, mithin unglückliche Geistesentbindung sich zur tragischen Darstellung eignet. Das ganze Ding, Akt genannt, scheint erfunden zu seyn, um einige abgenutzte, abgedroschene, und eben darum unglückliche Noth- und Hülfssprüchlein gegen das gleichfalls unglückliche Recensentenvolk wieder an Mann und auf die Bühne zu bringen. Der Mannigfaltigkeit wegen in der Einheit, sind auch einige eben so abgenutzte und gemeine Lungenhiebe gegen das Hofleben, gegen den Stolz des Bonthums (Adels) und den gemeinen Schwulst neuerer Dichterlinge angebracht. Es spielt in dem Dinge eine ganz gemeine alltägliche Welt, die wir zu jeder Tagesstunde in litterarischen Gesellschaften, Ressourcen und Tabagien inhaltsreicher und besser dialogisirt hören und sehen können, ohne Kunstbeflissenen, wie Mad. Fleck, Mlle. Döbbelin, Hrn. Mattansch ec. die Quaal anzusehen, die sie sich anthun müssen, um durch das unglückliche Ding dennoch einige Strahlen von Künstlerglück durchschimmern zu lassen. Der Kunstheilige ist canonisirt zurückgekommen, und er wird unser Gebet, bewahre uns vor den Unglücklichen; erhören.
Nationaltheater: Unglücklichen, Die (bearbeitet von Klaus Gerlach), Berliner Klassik, hrsg. v. der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, 2003-2013. URL: https://berlinerklassik.bbaw.de/nationaltheater/theaterstueck/53.
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