Wir
haben in dieser Woche auf unsrer Bühne ein neues Lustspiel, das Kameleon,
von Herrn Beck gesehen.
Von Seiten der
Darstellung haben wir lange auf unserer Bühne nichts Interessanteres gesehen. Iffland gab uns in dem alten Baron von
Breitenfeld, einem reichen, gutmüthigen Landedelmann, ein fast vollendetes
Kunstwerk. Mdm. Fleck, die das
liebenswürdige Kameleon darstellte, befriedigte gleichfalls den Kenner durch
ihr schönes Spiel – Doch ehe ich mehr von der Darstellung sage, ein Paar Worte
über das Stück selbst.
Ein alter, auf
seine Ahnen und seinen Stand bis zum Platzen stolzer Graf, will dem gänzlichen
Ruin seines Hauses, durch eine reiche Heirath seines Sohnes, vorbeugen. Seine
Wahl trifft die junge Baronin von Breitenfeld, welche die einzige Erbin ihres Millionen reichen Vaters ist. Der junge Graf hat sich indeß schon in
ein armes bürgerliches Mädchen verliebt – Die Baronin hat bereits einen
Liebhaber, ohne daß beiderseitige Eltern es wissen, oder achten, und sich im
Namen ihrer Kinder das Wort geben. Daß aus der projektirten Heirath nun nichts
wird, und die Baronin ihren ersten Geliebten bekömmt – ist leicht voraus zu
sehen –
In der Handlung
selbst liegt eigentlich nichts neues – es kömmt bloß auf die Behandlung an, und
welche Maschinen der Verfasser in Bewegung setzt, seinen Zweck zu erreichen.
Das
Hauptwerkzeug zu dem allen, ist ein junger Gelehrter – Herr Schulberg – in
welchem der Verfasser alle Thorheiten unsrer sogenannten Neuen in der Litteratur zu personificiren
gesucht hat. Bis zur Unverschämtheit arrogant, spricht er in hochtrabenden
unverständlichen Floskeln, und knüpft mit der alten Baronin von Breitenfeld,
der er Unterricht in der Poesie geben will, ein sehr sinnliches Verhältniß an –
damit sie seine Gläubiger bezahle, die er ernsthafte
Bestien nennt
Es ist der
Zweck des Lustspiels, die Thorheiten aller Stände lächerlich zu machen, und da
hat der Stand der Gelehrten und Schriftsteller nichts vor dem Grafen voraus,
der neben dem Herrn Schulberg mit seinem Adelstolz Parade macht. Daß bishero so
wenig gelehrte Thoren auf der Bühne geglänzt haben, liegt wohl
eigentlich darin, daß Gelehrte selbst Verfasser der Stücke waren, und an sich
und ihre Kollegen zuletzt dachten. Gleichwohl hat man die Pedanterien des
geistlichen Standes und der Aerzte auf die Bühne gebracht; warum nicht eine
Klasse von Gelehrten, die sich trotz jenen lächerlich macht? Daß dergleichen
Darstellungen übrigens nicht in Persönlichkeiten ausarten dürfen, versteht sich
von selbst.
Der Charakter
des alten Baron von Breitenfeld ist der anziehendste im ganzen Stück. Mit einem
hohen Grade von Gutmüthigkeit verbindet er ein richtiges Urtheil, Biederkeit
und ernste Grundsätze. Nur wäre zu wünschen, daß er in seinem Eifer für
Gellert, dem jungen Kritiker andere Gründe entgegen setzte, als: Gellert sey
ein guter, ehrlicher Mann gewesen;
weil dies mit seinen schriftstellerischen Werth oder Unwerth eigentlich keinen
Zusammenhang hat.
Den Charakter
übrigens schöner darzustellen, als es durch Iffland
geschah, möchte schwerlich möglich seyn. Von seiner gewählten Masque an, bis
auf die Gestikulation seiner Hände in den Rocktaschen, und die Biegungen seiner
Sprache machte alles ein durchaus zusammenhängendes Ganzes aus. So und nicht
anders mußte dieser Mann gekleidet seyn – so mußte er sich tragen, so mußte er
sprechen, um so handeln zu können, wie er wirklich handelt.
Nähme ein
Schauspieler diesen Charakter weniger fein, legte er nicht die hohe
Gutmüthigkeit hinein, so würde er – statt zu interessiren –
abgeschmackt werden.
Bei der
Baronin, seiner zweiten Gemahlin, sind die Züge einer ungebildeten und
unwissenden Frau, welche doch gebildet und gelehrt scheinen möchte, ein wenig
mit zu grellen Farben aufgetragen. Msll. Döbblin
stellte den Charakter übrigens mit ihrer, in Rollen der Art bekannten Laune und
Kunst dar.
In der Rolle
des Fräulein Breitenfeld erhielt das Spiel der Madam Fleck mit Recht einen ungetheilten Beifall. Nur durch eine so
zarte, geistvolle Behandlung kann das, an sich Ekel erregende Zudringliche, das
sie gegen den jungen Grafen, als eine für sinnlichen Genuß lebende Koquette,
affektirt – erträglich werden. Am vorzüglichsten war ihr Spiel in der Scene, wo
sie gegen die junge Gräfin das schüchterne durchaus ungebildete Landmädchen
spielt. Die verlegnen Knixe – das Danken für gütige Nachfrage – das Kompliment
zu Hause beim Weggehen u. s. w. trugen den höchsten Charakter der Wahrheit.
Den alten
Grafen, der sich übrigens etwas über den Dichter zu beklagen hat – stellte Herr
Unzelmann in seiner gewöhnlichen
Manier dar. – Die übrigen Rollen; der junge Graf von Herr Schwadken, der Major als Liebhaber der
jungen Baronin, von Herrn Mattausch.
Die Geliebte des Grafen, von Msll. Eigensatz,
und die junge Gräfin von Mdm. Müller
dargestellt, sind klein, und wurden gut executirt.
Die ganze
Darstellung wurde mit dem lautesten Beifall aufgenommen.
Nationaltheater: Kamäleon, Das (bearbeitet von Klaus Gerlach), Berliner Klassik, hrsg. v. der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, 2003-2013. URL: https://berlinerklassik.bbaw.de/nationaltheater/theaterstueck/680.
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