Die Zauberflöte von Mozart und Herrn Schikaneder; den 3ten und 9ten
September.
Endlich
ist dieses alte Meisterstück von Mozart, daß er im Verdruß über den wiederholten
Vorwurf der Schwierigkeit seiner Theaterarbeiten schrieb[1],
zum erstenmal im neuen Hause auf die Bühne gebracht, und dreimal unter einem
ungeheuren Zulauf gegeben worden. Doch waren nicht blos die Dekorationen,
sondern auch die Besetzung der Rollen neu. Statt Herrn Franz spielte Herr Gern
den Sarastro, statt Herrn Ambrosch Herr Eunicke den Tamino, statt Madame
Beschort Madame Lanz die Königin der Nacht, statt Herrn Unzelmann Herr Ambrosch
den Papageno; am 9ten September aber spielte Herr Schauspieldirektor Döbbelin
diese Rolle, als Gast, mit großem Beifalle. „Er tanzt den Papageno,“ sagte man,
so wie man von einem andern sagte „er kriecht ihn,“ von einem dritten „er lacht
ihn,“ von einem vierten „er singt ihn.“ Aber warum soll diese sonderbare
Personnage, die das ausgelassenste Phantasiespiel ist und zuläßt, nicht getanzt
werden? wenn man sich nur eben nicht erinnert, daß es die Pas und Sprünge des
Ballets sind, die wir machen sehen. Papageno kann sich gar wohl anders bewegen,
als die übrigen Personen.
Die Ausführung der ernsthaften Parthien war
ohne Zweifel vortrefflich. Madame Schick bezauberte als Pamina durch ihren
vollendeten Gesang und ihr schönes Spiel; Herr Eunicke erfüllte alle Wünsche
des Publikums als Tamino, und zeigte besonders in den Arien: Dies Bildnis ist
bezaubernd schön etc. Wie stark ist nicht dein Zauberton etc., so wie in
mehreren Doppelgesängen den ganzen Umfang seiner Kunst und seiner
ausgezeichneten Kenntniß der Musik; Herr Gern erweckte die Bewunderung seiner
schönen Stimme und seines edlen Vortrags in vielen Parthien seiner Rolle,
vorzüglich aber in dem bekannten Gesange: In diesen heil’gen Hallen, den er
jedes Mal wiederholen mußte, und den er mit wohlgewählten Abwechselungen des
Textes und musikalischen Vortrags wiederholte. Auch Madame Lanz sang die
schweren Arien der Königin der Nacht mit großer Präcision und Rundung.
Außer der genannten Arie verlangte das
Publikum noch eine andre Wiederholung, nehmlich das Duett mit den vielen
Papa-pa-pa-pa-pa-geno’s im 2ten Akt. Als es geendigt war, erschien die Königin
der Nacht mit ihrem Gefolge aus der Versenkung. Das Parterre aber forderte die
Wiederholung des Duetts unablässig. Die Königin der Nacht, schon verfolgt genug
durch die Obermacht des Sarastro, zauderte, aber endlich zog sie sich, durch
eine andere Obermacht genöthigt, hinter die Kulissen, aus denen sie sodann,
nachdem die Sache mit den kleinen Papagenos abermals abgemacht war, wieder
hervortrat.
Die Dekorationen waren sämmtlich neu, von
Herrn Verona, phantastisch genug, gewählt. Die Kosten der Aufführung werden auf
mehrere tausend Thaler berechnet, welches sehr wahrscheinlich ist, da die sich
im Kreise bewegende brillante Sonne allein 500 Thaler gekostet haben soll, vor
welcher aber die Hauptpersonen im Schatten standen. Es ist hier von Seiten der
Direktion alles geleistet, was man in Ansehung der Pracht und des Glanzes
fordern kann; aber mit der Handhabung des Mechanismus scheint man nicht ganz
zufrieden zu seyn, wie aus einer Schrift eines andern Verfassers erhellt, aus
der wir folgenden Auszug hersetzen:
„Was diesen Vorwurf anbetrifft, so ist er
in der That nicht zu entschuldigen. Bei der Erbauung einer neuen Bühne, wo man
die über die bestmöglichen Einrichtungen des Mechanismus gehörige Erkundigungen
einziehen kann, ist es zu erwarten, daß auf einen vollkommneren Erfolg eine
bessere Anlage zu machen gewesen wäre. Man sehe in Wien das Schikanedersche
Theater, und man wird finden, was geleistet werden kann. Doch würde selbst
dieses nicht wohl als das letzte Muster zu empfehlen seyn; denn was die
Londoner Bühnen leisten, wird zur Fabel, wenn man nur die Deutschen kennt. Doch
auch schon Nicolini erweckte in diesem Felde der Kunst vor 50 Jahren das
Erstaunen seiner Zuschauer, und es ist kaum zu begreifen, wie man nach solchen
Beispielen so weit zurück bleiben konnte. – Um von der Zauberflöte zu reden, so
war die Feuer- und Wasser-Dekoration, was sich auch sonst dagegen sagen ließe,
imponirend für das Auge und von guter Wirkung. Indem man sich aber über die Schönheit
derselben zu freuen anfangen wollte, entdeckte man die den prächtigen
Feuerstrom drehenden Arbeiter, welche aus Unvorsichtigkeit nicht gehörig
verdeckt waren. Bei der dritten Dekoration, welche das Innre des Palastes der
Königin der Nacht vorstellt, kontrastirte der im Hintergrunde sich zeigende
blaue Himmel sehr schwer mit den im Vordergrunde hängenden hochrothen Sufficen.
– Oft sieht man alle in einem Stück vorkommenden Kulissen auf einmal neben
einander; und trotz des vielfältigen Hin- und Herruderns der Vorhänge, kommt es
oft nicht darauf an, ob der Vorhang auf den Boden wirklich aufstößt, oder ob
man zwischen ihm und dem Boden die Füße der hinter der Scene gehenden
Schauspieler, Statisten und Theaterbedienten sehen kann. Bei der zweiten Vorstellung
der Zauberflöte, war ein Mittelvorhang sogar in Gefahr, in Feuer aufzugehen,
weil er lang genug auf einer brennenden Kerze lag. – Doch es wird der Direktion
gewiß bald möglich seyn, auch ihren ordnenden Blick auf diese anscheinenden
Kleinigkeiten, die aber zur Totalwirkung das ihrige beitragen, zu richten.“
[1] Man erzehlt über die
Entstehung der Zauberflöte folgende, jedoch nicht zu verbürgende Anekdote.
Mozart hatte schon mehrere Opern geschrieben, denen man den Vorwurf machte, daß
sie für das Theater zu schwer und gelehrt wären. Um den Vorwurf abzulehnen, und
sich seinem Publikum gefällig zu zeigen, arbeitete er eine neue, die die
leichteste Musik enthalten sollte. Lächelnd gab er sie einem Freunde zur
Durchsicht, und da auch dieser versicherte: sie sey viel zu schwer; so warf er
das ganze Werk ins Feuer. „Nun will ich den Wienern auch wahre Gassenhauer
komponieren,“ sagte er, - und es entstand die Zauberflöte.
Herr Gern als Sarastro ist von edler Gestalt, und sein Gesang ist vielleicht nirgends so an das Herz redend, als in dieser Oper. Sein Gang sollte feierlicher seyn, um Gesang und Kleidung noch mehr zu entsprechen. Wenn Hr. Ambrosch auf seine Sprache die Mühe verwenden will, ihr den auswärtigen Dialekt zu nehmen, welche er auf die Vollendung seines musikalischen Talents gewendet hat: so kann er gewiß die komischen Rollen der Oper mit Erfolg spielen. Weshalb bleibt die schöne Arie der Pamina hier aus? Sollten auf Tamino´s Zaubertöne nicht lieblichere Thiere und mehr Singvögel als Affen erscheinen? Die Schlange geht schon so gesättigt einher, daß Tamino mit Unrecht vor ihr zu Boden fällt. Das gute Thier kann nur unbeholfen gerade ausgehen; es ist klar, daß ein mäßiger Schritt an die Seite den Prinzen retten würde. Wenn Papageno den Wasserkrug zum Besten der Kommenden Theaterveränderung bei Seite bringt, so sollte er es thun, wie einer, der seinen Besitz in Sicherheit bringen will, nicht aber, wie Jemand, der dem Theatermeister zu Gefallen etwas abräumt. Mad. Lanz singt sehr angenehm, und spielt auch diese Rolle recht gut. Mehr Leben und Sicherheit des Schrittes ist jedoch erforderlich! Die Dekorationen sind mehrentheils vortrefflich. Der Mondenschein, die Feuer- und Wasserprobe, der Sonnensaal zeigen die Meisterhand des Hrn. Verona. Kleinigkeiten sind sorglos hingeworfen, aber die große Wirkung ist ihm stets vor der Seele, und sie entgeht ihm selten.
Nationaltheater: Zauberflöte, Die (bearbeitet von Klaus Gerlach), Berliner Klassik, hrsg. v. der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, 2003-2013. URL: https://berlinerklassik.bbaw.de/nationaltheater/theaterstueck/85.
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