Geschichte/Programmatik:
Schreiben Friedrich Wilhelms III. an den Geheimen Oberfinanzrath Borgstede und die übrigen Mitglieder der Berlinischen Gesellschaft der Armenfreunde (in: Neue Berlinische Monatsschrift, 1, Juni 1803, S. 401-406)
"Zur Einleitung in die Kenntniß der neuen Berlinischen Armenpflege.
Erste Aktenstücke darüber.
I.
Seine Königliche Majestät von Preußen sind durch den Etatsrath Baron von Voght, der auf Allerhöchstdero Veranlassung die hiesigen Armenanstalten besucht und die ganze Armenpflege beachtet hat, in der längst gefaßten Idee bestärkt worden: daß den Mängeln, welchen das hiesige Armenwesen unterworfen ist, durch das Armendirektorium, der redlichsten und eifrigsten Bemühungen desselben ungeachtet, nie gründlich werde abgeholfen; eine möglichst vollkommene Armenversorgung vielmehr nur durch
die vereinte planmäßige Thätigkeit freiwillig arbeitender vorzüglich guter Menschen aus
allen Ständen, die von ihren Mitbürgern dazu erwählt, nur Sr Majestät und dem Publikum
verantwortlich gemacht werden,
werde eingerichtet und im Gange erhalten werden können.
Zugleich haben Allerhöchstdieselben zu dem so oft erprobten theilnehmenden Charakter so vieler Einwohner Berlins, welcher sich besonders in den so leicht zu Stande gekommenen, so glücklich ausgeführten und so dauerhaft begründeten Assoziazionen zu den Erwerbschulen, zu Holzvertheilungen, und zu dem Bürgerrettungs-Institut bewährt hat, das feste Vertrauen: daß, auf die erste Aufforderung,
eine hinreichende Anzahl von wenigstens einigen hundert guten Menschen aus
allen Klassen und Ständen
sich bereitwillig finden werde, dieses Geschäft [....] zu übernehmen.
[...]
Da nun Se Majestät von dem
I. Geheimen Ober-Finanz-Rath Borgstede,
2. dem Kaufmann Fetschow,
3. - Geheimen Ober-Revisions-Rath Goßler,
4. - Geheimen Rath Hufeland,
5. - Kriegesrath Köls,
6. - Geheimen Rath Kunth,
7. - Ober-Konsistorial-Rath Sack,
8. - Ober-Konsistorial-Präsidenten von Scheve,
9. - Stadtgerichts-Direktor von Schlechtendal,
10. - Ober-Konsistorial-Rath Zöllner,
eine diesem höchst wichtigen Zwecke völlig entsprechende gute Meinung haben; so haben Allerhöchstdieselben beschlossen:
denselben dieses Geschäft anzuvertrauen, sie dazu zu vereinigen,
und denselben zu diesem Behuf den an Se Majestät von dem Baron von Voght erstatteten Bericht, nebst Entwurf zu einem Plan die hiesigen Armenversorgungsanstalten einzurichten, zuzufertigen.
[...]
Zu Erleichterung ihres Geschäfts, haben Se Majestät dem Armendirektorium aufgegeben, der Gesellschaft alle benöthigte Auskunft zu ertheilen; und zur Aufmunterung, geben Allerhöchstdieselben die Versicherung: daß Sie, wenn Ihnen ein Ihren Absichten entsprechender ausführbarer Plan vorgelegt werden wird, nicht nur
die ersten Einrichtungskosten hergeben, und das etwanige Defizit des ersten
Jahres decken;
sondern auch der Gesellschaft die ganze Armenversorgung von Berlin, welche bis dahin daß dieselbe zur Ausführung schreiten kann, dem Armendirektorium auf dem bisherigen Fuß überlassen bleibt, anzuvertrauen, das Armendirektorium aber auf die Administrazion der Kapitalien und der großen Anstalten nach den Vorschlägen der Gesellschaft einschränken wollen.
[...]
Berlin, d. 28. März 1803. Friedrich Wilhelm."
III.
Ueber die Bestimmung der von Sr Königl. Majestät ernannten Gesellschaft der Armenfreunde
(in: ebd., S. 408-412)
"Des Königs Majestät haben der unterzeichneten Gesellschaft den Auftrag ertheilt, zur künftigen Armenpflege in Berlin einen Plan auszuarbeiten, und in Rücksicht auf die vor der Ausführung durchaus nöthigen Mittel vorzubereiten.
Die von Sr Majestät vorgeschriebene Hauptbedingung geht dahin:
die künftige Linderung der Armenpflege vertrauensvoll in die Hände der
Bürger und Einwohner Berlins zu bringen.
Dadurch werden diese die gehörige Kenntniß von den wahren Bedürfnissen ihrer nothleidenden Mitbürger, und die Ueberzeugung von der zweckmäßigen Verwendung milder Gaben erhalten; und mehr bedarf es, nach Sr Majestät Außerung, nicht, um das zum Wohlthun geneigte Berlinische Publikum für die fortdaurende Ausübung einer der angenehmsten Pflichten zu gewinnen."
[...]
Die Bestimmung der Gesellschaft "ist: nicht, Verbesserung der bisherigen Armenanstalten; sondern, die Einrichtung der Armenpflege nach anderen Zwecken, in einer andern Art, und durch andere Mittel."
[...]
Der König habe durch die Untersuchungen des Dänischen Etatsrats Baron von Voght die Überzeugung gewonnen:
"daß eine vollkommene Armenversorgung nur durch vereinigte planmäßige Thätigkeit
freiwillig arbeitender vorzüglich guter Menschen aus allen Ständen zu bewirken und
im Stande zu erhalten sei.
Auf dieses Mittel also soll der von der Gesellschaft zu bearbeitende Plan berechnet sein.
Der veränderte Zweck geht dahin, nur den zu unterstützen, in Ansehung dessen das Bedürfniß durch genaue individuelle Untersuchung der aus den Einwohnern gewählten Armenpfleger bestätigt ist.
Die veränderte Art der Armenpflege geht vorzüglich dahin: daß
nur in durchaus zur Ausnahme geeigneten Fällen durch Geld unterstützt;
sonst aber demjenigen welcher arbeiten kann, Arbeit; dem Kranken, Arzenei, Pflege, und Speise; den Kindern, Unterricht in Industrieschulen, und wo es nöthig ist, gesunde Nahrung, und Kleidung verschaft; und nur dann erst, wenn für alle diese Bedürfnisse gesorgt ist, dem muthwilligen Bettler ein Platz zur Zwangarbeit angewiesen werde.
Der Geist der ganzen beabsichtigten Einrichtung ist:
Armuth in ihren Quellen aufzusuchen, und diese zu verstopfen; durch Schulen und
Erziehung auf die Kinder, durch angewiesene Arbeit auf Thätigkeit zu wirken.
[...]
Berlin, d. 8. April 1803
Von Sr Majestät ernannte Gesellschaft der Armenfreunde.
Borgstede. Fetschow. Goßler. Hufeland. Köls. Kunth.
Sack. v. Scheve. v. Schlechtendal. Zöllner."