Urania, Privattheatergesellschaft

Name:
Urania, Privattheatergesellschaft
andere Namensformen:
Gesellschaftstheater Urania
Sitz:
Zimmerstraße 65
Haus des Musiklehrers Baumann
Adressenänderungen:
1: Datum 1793
Eigenes Lokal in der Kommandantenstraße Nr. 25 (später Nr. 72)

2: Datum 11.1797
Nach Abriß des alten Gebäudes Neubau an gleicher Stelle; neuer, größerer Saal im 2. Stock

Im Gesellschafts-Lokal, Leipziger Platz 15

im Architektenhaus, Wilhelmstr. 92/93

Oranienburger Str. 18
Daten:
gegründet 28.08.1792 aufgelöst 1944
Statuten:
Preuß. Geh. Staatsarchiv I. HA Rep. 77: Ministerium des Innern, Tit. 420, Nr. 16 Bd 1 Akten betreffend die Privat-Theater in Berlin Bl. 24-27: Auszug der Gesetze des Privat-Theaters Urania zur Richtschnur der Mitglieder desselben. Berlin 1797. (Druck) Allgemeine und besondere Gesetze. §. 1. Alle Mitglieder haben gleiche Lasten, also auch gleiche Rechte, und gleiche Stimmen. §. 2. Jedes Mitglied hat das Recht etwas vorzutragen, so wie seine Meinung über das Vorgetragene zu sagen. §. 3. Kein Mitglied kann, wenn es aus Liebe zur Ordnung gegen ein Anderes auftreten, und sprechen muß, deshalb befeindet werden. §. 4. Das Gesetz ist für alle: Sicherstellung des einzelnen Rechts! es sey nun, daß es vertheidige oder bestrafe. §. 5. Eigenmächtige Handlungen, ohne von dem Gesetz dazu autorisirt zu seyn, sind strafbar. §. 6. Niemand kann ohne vorhergegangene Wahl durch Stimmenmehrheit, ein Amt bekleiden oder verwalten. [Bl. 25 Rückseite] §. 7. Zur Bildung der Gesetze, so wie zur Ernennung der Aemter, hat jedes Mitglied gleiches Recht. §. 8. Ueberzeugt von der Amtsführer Nachläßigkeit, kann jedes Mitglied dieselben an ihre Pflichten erinnern. §. 9. Alle Mitglieder sind gegenseitig verbunden, Einer für den Andern zu stehen, in so ferne es das allgemeine Interesse betrift, weil das Interesse Aller, das Interesse des Einzelnen, und so umgekehrt, ist. §. 10. Im nothwendigen Fall darf sich kein Mitglied sträuben, mechanische Arbeiten zu übernehmen; Unschickliche sind hierunter nicht verstanden. §. 11. Jedes Mitglied ist verbunden die jährliche Miethe im Monat Julii, und seinen monatlichen Kassenbeytrag noch in dem laufenden Monat zu bezahlen; das Ende des zweyten Monats, kündigt ihn im Ermangelungsfall als abgegangen der Gesellschaft an. §. 12. Demohngeachtet muß er seinen durch den Revers gesicherten Miethsbeytrag zahlen, oder gerichtliche Eintreibung desselben gewärtigen. §. 13. Von dem Conferenztage an, wo er sein Eintrittsgeld zahlt, ist er diesen Gesetzen unterworfen, und wer sie verletzt, durch List oder Feinheit denselben auszuweichen sucht, verletzt das Interesse Aller, und macht sich des Wohlwollens und Achtung der ganzen Gesellschaft unwürdig, sie rüget dies Verbrechen und bestimmt die Strafe. §. 14. Von diesen Gesetzen, und den gesetzmäßigen Ausspruch der Stimmenmehrheit von der Gesellschaft bey zweifelhaften Fällen, findet keine Appellation an irgend einen Gerichtshof statt, er sey welcher er wolle. §. 15. Chikane, Unordnung, unsittliches Betragen und Faktionensucht, bestraft die Gesellschaft nach Verhältnissen aufs härteste. §. 16. Daher kann keine Parthey unter sich verhandeln, noch den Beschluß von der Gesellschaft erzwingen wollen. §. 17. Auch ist jedes Mitglied verbunden, seine Billets an Personen von Erziehung und gutem Ton zu vertheilen, weil er für alles aus dem Gegentheil entspringende Unheil haften muß; auch die Personen vom entgegengesetzten Betragen der Zurückweisung ausgesetzt werden. [Bl. 26] §. 18. Mißverständnisse zweyer oder mehrerer Mitglieder, welche den Zweck, der Gesellschaft beeinträchtigen, gehören für das Forum derselben, und werden durch sie geschlichtet, von Privatstreitigkeiten verbittet sie sich aber jede Erwähnung in ihrem Domicilio. §. 19. Jedes unsittliche Lautwerden, jede Veranlassung zum Lärmen, im Schauspiel oder in den Proben, werden im Erstern mit 16 Gr. und im Letztern mit 4 Gr. Strafe gerügt. §. 20. Das Einbringen fremder Personen in den Proben, wird ohne Erlaubniß von der Gesellschaft dazu zu haben, mit 8 Gr. Strafe belegt. §. 21. Ohne Einlaßbillet wird keinem Zuschauer, unter welchem Vorwand es wolle, der Eingang verstattet. Annahme der Mitglieder. §. 22. Jedes Individuum, welches zur Gesellschaft treten will, muß schriftlich einkommen, und Beweise seiner Unabhängigkeit beyfügen. Conferenz. §. 23. Die Conferenz wird wöchentlich einmal, an einem dazu festgesetzten Tage, Abends 2 Stunden, als so lange die Zeit der Verhandlungen hiedurch bestimmt wird, gehalten, um über den zu erreichenden Zweck der Gesellschaft, gegenseitige Verhältnisse, und allgemeine Bedürfnisse derselben gesellschaftlich übereinzukommen. §. 24. Mit dem Schlage 8 Uhr hebt die Verhandlung an, die Vorträge geschehen in folgender Ordnung: 1) der Rendant, 2) der Vorsteher, 3) der Justizverwalter, und 4) der Regisseur. §. 25. Keiner der Mitglieder darf den Vortrag eines dieser genannten Einzelnen unterbrechen; ist derselbe geendigt, so hat ein jedes Mitglied Fug und Recht seine Meinung glimpflich und bescheiden zu sagen. §. 26. Der vortragende Amtsführer hat das Recht Ruhe zu gebieten, erfolgt dieselbe nach dem dritten Rufe nicht, so verfällt der Tumultuant in eine Strafe von 4 Gr. [Bl. 26 Rückseite] §. 27. Wird hingegen der Tumult zu stark, und kann durch kein Mittel gestillt werden, so hat der gstörte Amtsführer das Recht sein Bureau zu schließen, ihm folgt das ganze Comité, und die Conferenz ist aufgehoben, denn außer der Comité findet keine Conferenz, statt. §. 28. Eben so darf sich kein Mitglied Persönlichkeiten und Herabwürdigungen der Vorsteher erlauben, bey einer Strafe von 8 gr. §. 29. Alle abwesende Mitglieder geben stillschweigend ihr Votum, zu den verhandelten Angelegenheiten und gefaßten Beschlüßen. §. 30. Ohne zwey Amtsführer und vier Mitglieder kann gar keine Conferenz statt haben. §. 31. Fremden, nicht zur Gesellschaft gehörenden Personen ist der Zutritt zu derselben durchaus versagt. §. 32. Alle Verhandlungen und Beschlüße werden vom Justizverwalter, als beständigem Secretair der Gesellschaft, protokollirt. §. 33. Lächerliche Anmerkungen, Witzeleyen über ernsthafte Gegenstände der Verhandlung, Einmischung fremder Dinge weden durchaus untersagt. §. 34. Nach geendigtem Vortrag der Amtsführer, und darüber gefaßten Beschlüßen, steht es jedem Mitglied frey ein Gleiches zu thun. Theaterpolizey. §. 35. Alle zur Vorstellung eines Stücks mitwürkende Aemter, als Decorateur, Maschinenmeister, Soufleur, Illuminateur u.s.w. werden sämmtlich dahin angewiesen, ihre Einrichtungen so zu treffen, daß durch ihre Saumseligkeit kein Aufschub des Stücks veranlaßt werde. Muß um eines Schuldigen willen, der Anfang desselben nur um eine Viertelstunde verschoben werden, so verliert er für das nächste Spiel zwey seiner Billets. §. 36. Der Anfang des Schauspiels wird hierdurch auf 5 1/2 Uhr festgesetzt. §. 37. Ein gleiches, wie in §. 35. gesagt, gilt von den Schauspielern, wer mit seinem Anzug zögert, so daß vorhergehender Fall eintritt, erlegt dafür 16 Gr. Strafe. §. 38. Das nehmliche gilt auch den erst in den folgenden Akten des Schau- [Bl. 27] spiels vorkommenden Spielern, wer die Musikintermezzo's durch seinen Anzug verlängert, erlegt eben so viel Srafe. §. 39. Wer sich von den Schauspielern im Saal oder im Proscenio mit der Theaterkleidung den Zuschauern zeigt, erlegt 8 Gr. Strafe. §. 40. An öffentlichen Oertern sich damit zeigen, kostet 16 Gr. Strafe. §. 41. Alles Tabakrauchen, Schwatzen und Flüstern auf dem Theater während des Spiels, wird bey der Aufführung mit 4 gr. und in den Proben mit 2 gr. Strafe gerügt. §. 42. Jedes verhörte oder versäumte Schlagwort, so wie jede vergessene Requisite, werden mit 16 Gr., ersteres in der Generalprobe mit 4 Gr. Strafe gebüßt. §. 43. Die Schauspieler müssen sich besonders am Spieltage, gegenseitig durchaus alles Tadels des Spiels bey einer Strafe von 8 Gr. enthalten, sanfte Zurechtweisung bessert, aber Vorwürfe bringen den ohnehin Fassungslosen noch mehr ausser Fassung. §. 44. Die Proben jedes Stücks bestimmt der Regisseur. Kein in dem Stück spielendes Mitglied, darf ohne Krankheit oder die vollgültigsten Abhaltungen darthun zu können, bey einer Strafe von 8 Gr. in denselben fehlen. §. 45. Ausbleiben von der Generalprobe wird ohne obbemeldete Ursachen mit 12 Gr. Strafe belegt. §. 46. Zu spät kommen, wird in der ordinairen Probe mit 2 Gr., in der Generalprobe mit 8 Gr. Strafe gebüßt. §. 47. Wer aber am Spieltage ganz ausbleibt, zahlt, wenn die Rolle ohne Lächerlichkeit vor dem Zuschauer noch besetzt werden kann, 1 Rthlr. Strafe; auf eine Hauptrolle aber, wodurch das ganze Spiel vereitelt wird, und im Fall sein Ausbleiben nicht die unübersteiglichsten Hindernisse zur Ursach hat, steht: Verweisung von und aus der Gesellschaft. §. 48. Alle Vorfälle, welche Aufschub des Spiels veranlaßen könnten, müssen dem Regisseur ohne Verzug gemeldet werden. §. 49. Jeder Spieler bekommt sowohl seinen Kleiderplatz als auch Schubkasten in der Garderobe, es darf daher auf keinerley Art, es sey nun Theater- oder andere Kleidung, Jemand die seinige auf einen andern Platz hängen, bey einer Strafe von 2 Gr. [Bl. 27 Rückseite] §. 50. Rollen und Requisiten werden dem Regisseur am Conferenztage nach dem Spiel wieder eingehändigt, geht dem Spieler die Rolle verloren, so muß er dieselbe in Natura einliefern, und sie zu dem Ende, durch den Parthienschreiber von neuem gegen ein Abkommen mit demselben, abschreiben lassen. §. 51. Spott und unreifes Urtheil der Mitglieder unter den Zuschauern, über das Spiel einzelner Personen, wird mit einer Strafe von 16 Gr. belegt. §. 52. Jedes Mitglied, das ohne Erlaubniß der Gesellschaft auf fremden Theatern spielt, erlegt 3 Rthlr. Strafe. Zu Gastrollen fremder Liebhaber und Schauspieler muß die Einwilligung der Gesellschaft erst ausgewirkt werden. §. 53. Für sein Costüm muß jedes Mitglied so viel möglich selbst sorgen, und nur bey unvermeidlichen Fällen übernimmt die Theaterkasse die Ausgabe, dies muß aber am Conferenztage vor dem Spiel verhandelt und bewilligt werden. §. 54. Daß die Schauspieler sich unter einander, so weit es möglich ist, selbst damit aushelfen, braucht kaum einer Erwähnung, Gefälligkeit dieser Art und in dieser Verbindung schlagen sich Freunde nicht ab. Urkundlich ist dieser Auszug von der Comité des Privattheaters Urania unterzeichnet. Thieme. Wagler. Menz. Chabot. ____________________________________________________________________
Quellen:
1.Institut für Theaterwissenschaft der Freien Universität Berlin, Theaterhistorische Sammlung Walter Unruh: Teile des Archivs der "Urania", bestehend aus 28 Kästen Konferenzakten (Sitzungsprotokolle, Mitgliederverzeichnisse, Spielpläne, Inventarlisten) (bis ca. 1906/08), unkatalogisiert 2. Landesarchiv Berlin LAB, A Rep. 232-19, Nr. 1-4: Conferenz-Acten 1794, 1795/96, 1801/02, 1803/04 3. Geheimes Preußisches Staatsarchiv PK I. HA Rep. 77: Ministerium des Innern, Tit. 420, Nr. 16, Bd 1: Akten betreffend die Privat-Theater in Berlin Bl. 24-27: Auszug der Gesetze des Privat-Theaters Urania zur Richtschnur der Mitglieder desselben. Berlin 1797 (Druck) 4. Brandenburgisches Landeshauptarchiv Potsdam Polizeiakten 5. Bund Deutscher Amateurtheater (BDAT) e.V., Heidenheim

Geselligkeit: Urania, Privattheatergesellschaft, Berliner Klassik, hrsg. v. der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, 2003-2013. URL: https://berlinerklassik.bbaw.de/geselligkeit/40.

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