Schule der Frauen, Die [L'école des femmes]

Sparte/Genre:
Lustspiel
Personen:
Bearbeiter:
August Friedrich Ferdinand Kotzebue
Autor:
Molière [Poquelin, Jean Baptiste]

Liste der Aufführungen

Aufführungsdatum: 18.03.1803
Rezensionen
Ort der Aufführung::
NT S1
Nationaltheater von A-Z:
Die Schule der Frauen, Lustspiel in 5 Akten von Moliere, frei übersetzt in Knittelverse vom Hrn. v. Kotzebue
Quelle:
VZ 1803, Nr. 33
weitere Informationen:
Zum erstenmal und zum Benefiz für Herrn Kaselitz;
[danach: Der Kalif von Bagdad]
Rezension:
Zeitung:
Vossische Zeitung
Aufführungsdatum:
1803-03-22
Nummer:
35
Autor:
ungez.

Molieres witziges Possenspiel, wie Lessing dieses komische Stück in seiner Dramaturgie im 2ten Theile Seite 5 nennt, ist seit 142 Jahren erschienen, und eben so lange das Vergnügen der Theaterfreunde. Man ist dem Herrn von Kotzebue Dank schuldig, daß er es in dem gefälligen Gewande leichter Verse auf die Bühne gebracht hat. Die Leser werden an dieser Uebersetzung einen unweit reinern Genuß haben, das Talent, was darin gewirkt hat, weit mehr ehren, als die Hörer es thaten und thun könnten. Diese Verse wollen in leichter gefälliger Melodie hingegeben seyn, nicht aber gebellt oder gesprudelt werden. Es ist wahr, daß die Deutsche Sprache die Verschleifungen der Töne, gewisse neckische Tonfälle, charakteristische Nachbildung von Dingen und Menschen durch Melodie der Sprache, welche doch nicht Nachäffung werden darf, nicht erleichtert; aber sie macht sie nicht unmöglich, und Ueberwindung der Schwierigkeit unterscheidet den Künstler vom Handwerker. Ein Deutsches Parterre ist an den Vortrag der Verse überhaupt nicht gewöhnt, wie das Französische. Es hört, folgt langsam, sinnt dem Warum und Wie sorglich nach, und verliert darüber den Zusammenhang der Handlung, und oft den Treffer der witzigen Einfälle. Die Schauspieler sind sehr leicht entweder zu deutlich oder zu undeutlich; zu viel Deutlichkeit hebt alles Gefällige auf; die Undeutlichkeit quält den Hörer. Die Vorstellung der Schule der Frauen schwebte zwischen diesen beiden äußersten Enden; das Bestreben, der Sache Genüge zu leisten, war an Allen sichtbar, aber eben dasselbe Sichtbarwerden schadete der Vorstellung. Bei der Wiederholung wird mehr Unbefangenheit herrschen, weniger harte Deutlichkeit, mehr eigner Humor, minder ängstliche Sorge, und eben deshalb mehr Genuß für alle Theile. Die schwere Rolle des Arnulph, welche durch 5 Akte dieselbe Leidenschaft darzustellen hat, spielte Herr Iffland sehr brav und sorgfältig, aber doch zu mühsam. Für Mühsamkeit ist man erkenntlich, aber sie ergötzt nicht. Nur die Sicherheit des kühn und leicht hingeworfenen Gemähldes kann innig erfreuen. In demselben Falle war Herr Schwadke; sein Fleiß leistete alles, aber die üppige gute Laune kann noch mehr thun. Willings Erzählungen müssen leichter, lebendiger und pikanter seyn. Madame Fleck, als Sibillchen, war ungemein liebenswürdig, nur der letzte Akt schien zu sinken. Demoiselle Eigensatz, als Grete, führte den Charakter ganz vortrefflich aus und blieb sich stets treu. Eben so Herr Unzelmann als Hanns. Er hat das Verdienst, komisch zu seyn, und nicht komisch zu thun! Papa Krieselmann ist der Generalbaß in dieser Komposition. Herr Kaselitz hat ihn nicht erfüllt; ihm fehlte der ruhige Vortrag, der Ton des milden Scherzes, und in der Neckerei die Weise des Weltmanns. Auch ward die Rolle nicht deutlich gesprochen. Der alte Willing soll galant gewesen seyn, wie Arnulph sagt: das ward man nicht gewahr. Die Rolle war nur gut gelernt und schnell gesagt. Den Vater der Sibille sprach Herr Lemke anständig, aber nicht eingreifend. Die kleine Rolle des Notars belebte Herr Reinwald. – Bei dem Eingange in das Schauspielhaus wollten viele behaupten, es sey bereits den Tag vorher von Mehreren beschlossen das Stück mit lauten Zeichen des Mißfallens aufzunehemen; wenn diese Nachricht bis zu den Schauspielern gekommen ist, so läßt es sich begreifen, wie sie während der Vorstellung davon sich belastet gefühlt haben können; es setzte auch am Schlusse des Stücks ein lautes Pochen in den Beifall der Mehrheit ein, allein es verlautet nun, dies habe nicht Moliere von Kotzebue aufgeführt gegolten sondern der Unwille der Einwohner darüber, daß Fremde die Unschicklichkeit begangen haben, im Angesicht des Verehrtesten, was wir besitzen, den Hut auf dem Kopfe zu behalten, habe auf diese Weise sich geäußert, und unwillkührlich die zweite Unschicklichkeit veranlaßt.

Rezension:
Zeitung:
Haude- und Spenersche Zeitung
Aufführungsdatum:
1803-03-22
Nummer:
35
Autor:
ungez.

Seit Monaten war es bekannt, daß diese Uebersetzung da sei, daß sie einstudirt würde. Mit sehr mannigfaltig gemischten Gesinnungen sah man ihrer Darstellung auf dem Theater entgegen. „Kotzebue übersetzt Moliere, er der ihm seit so langer Zeit und oft so glücklich nachgeeifert hat? Endlich also wird doch der genievolle Stifter des reinern, edlern Geschmacks im Lustspiel, auch auf unsrer Bühne einheimisch werden!“ sagte ein sehr gebildeter Theil des Publikums und freute sich. – „Die Weiberschule in Knittelversen“? dachte ein nicht minder gebildeter und schwerer zu befriedigender Theil. „In Knittelversen? War denn nicht gerade das ein Hauptverdienst Molierens, daß er zuerst dem bloß possenhaften Ton, der unkorrekten, zügellosen Art witzig zu seyn ohne einen edlern Zweck zu haben, – kurz alle dem, was gewissermaßen den Karakter der Dichtungen in Knittelversen ausmacht, auf der Französischen Bühne entgegen wirkte? Daß er statt wilder Einfälle reine Karakteristik gab, seine Scherze in reiner klassischer Sprache, in regelmäßigen Versen sagte? Ob der deutsche Dichter da nicht einen Fehlgrif that?“ – „Nun übersetzt er gar den Moliere! Das soll ihm übel bekommen!“ rief eine dritte Gruppe, die große Schaar jener Menschen, die Kotzebue aus mannichfachen Ursachen beneidet, um seine Talente, um seinen Ruhm, um die ehrenvolle Auszeichnung, die er genießt, – Leute, die selbst schlechthin unfähig sind, sich aus dem Staube literarischer Gemeinheit aufzuschwingen, die dem Publikum fast nie etwas anders zu geben vermochten, als Stoff zum Lachen, und die eben deshalb jeden Schritt des wahren Talents auf seiner Laufbahn, jeden neuen Beweis, wie hoch es über ihnen stehe, mit giftigem Ingrimm beobachten, und ihm wenigstens nachzischen, da sie es nicht aufhalten können. Es wurden Verabredungen getroffen, sagt man; es wurden von allen Seiten gefällige Freunde geworben, und kurz, 8 Tage vor Aufführung des Stückes lief schon die bestimmte Nachricht herum, es werde ausgepocht werden. Die Unparteiischen, Unbefangenen ärgerten sich zum Theil darüber, daß man sich solche Dinge erlaubte, zum Theil – lachten sie. In der That, kann man sich etwas lächerlicheres und unbedeutenderes denken, als eine solche vorher beschlossene Verwerfung eines Kunstwerkes, das man noch gar nicht kennt? Ueber den Werth oder Unwerth desselben, entscheidet sie gar nichts. Ein Publikum, das sich durch eine solche Cabale gängeln ließe, müßte sehr unmündig seyn, ein Dichter, der sie für eine Kränkung ansähe, eine sehr kurzsichtige Art von Eigenliebe besitzen. Im Grunde ist sie nur eine Huldigung, die man ihm bringt, ein offenes Geständniß seiner Feinde, daß sie keine andre Waffen gegen ihn haben, als die verächtlichen der Ränkesucht. Die Urheber der lächerlichen Cabale haben über sich selbst durch sie ein so herabsetzendes Urtheil gesprochen, daß man kein Wort hinzuzufügen braucht; die Theilnehmer aus Gefälligkeit, werden, man muß es ihrem bessern Gefühl, wenn sie wieder auf dasselbe achten, zutrauen, – ingeheim vor sich selbst erröthen, daß sie sich zu so etwas hergeben konnten. Der sehnlich erwartete Abend kam. Vor einer so zahlreichen Versammlung, als nur in das Haus zusammengedrängt werden konnte, ging endlich der Vorhang auf. Schon die ersten Scenen verbreiteten frohe Laune. Lautes Beifallklatschen ertönte bei dem Schlusse jedes Aktes; noch lauteres, bei Endigung des Stückes. Verwundert sah man sich nach den Verbündeten um; schon glaubte man, alle die Erzählungen von dem Complott seien eine leere Sage gewesen, oder die Schönheiten des Stücks hätten es niedergeschlagen: da erhob sich, fast eine Minute nach geendigtem Applaudissement, auf der Gallerie, bekanntlich dem Sitz der feinsten Kunstrichter, das Pochen und einige wenige Einverstandene antworteten in anderen Theilen des Hauses: – aber sogleich fing auch das allgemeine Applaudiren wieder an und übertönte und überdauerte jenes. Der Dichter hat also gesiegt, das Stück hat gefallen; mögen die Uebelwollenden immer im Publikum herumgehen, und durch die Phrase: „man hat gepocht!“ ohne hinzu zu setzen, daß das Pochen überstimmt wurde, sich trösten: das Stück hat gefallen, denn das Publikum hat die Kabale niedergedrückt. Auch bei dem vollendetesten Meisterwerk kann es ja wohl einigen Feinden des Verfassers oder einem Betrunkenen einfallen, zu lärmen; ob man ihm beistimmt, darauf kommt es an. – In wiefern Kotzebue und die darstellenden Künstler übrigens ihren Sieg verdienten – wollen wir jetzt untersuchen; vorher aber einiges über das Original selbst. Moliere schrieb es im Jahr 1662, also zu einer Zeit, da man in Frankreich noch gewohnt war, in einem Lustspiel nichts zu finden, als wilde, pöbelhafte, oft schmutzige Possenreißerei. Er erwarb sich das unsterbliche Verdienst, diese zu verdrängen, einen edleren, reinern Geschmack zu verbreiten, und der Comödie eine klassische Vollendung zu geben. Welchen Weg er dazu einschlug, zeigt fast keines seiner Stücke so unverkenntlich, als eben diese Frauenschule, wenn wir die Fabel derselben mit der Ausführung vergleichen. Ein junger Mensch erzählt einem 42jährigen Hagestolz, es sei ihm gelungen, sich die Liebe eines reizenden Mädchens zu erwerben, das ein alter Eifersüchtiger eingesperrt halte. Schadenfroh muntert jener ihn auf, das Abentheuer zu verfolgen, leiht ihm Geld dazu und erfährt zuletzt mit Schrecken, daß dies Mädchen seine eigne Geliebte ist. Er benutzt das Zutrauen des Jünglings, ihn zu hintergehen. Er zwingt das Mädchen diesen mit einem Stein zu werfen: sie thut so, wickelt den Stein in einen zärtlichen Brief. Der Jüngling vertraut dem Alten, den er immer noch für seinen Freund hält, diesen Umstand, und jede Begünstigung, die er erhält, endlich sogar, daß er in der nächsten Nacht auf einer Strickleiter das Fenster seiner Geliebten ersteigen werde. Der Alte läßt ihn von seinen Leuten mit Prügeln empfangen; er stürzt von der Leiter; sie halten ihn für todt, aber indeß sie wehklagen, schleicht das Mädchen zu der vermeinten Leiche, findet ihren Geliebten unbeschädigt, und entflieht mit ihm. Er weiß sie nicht besser unterzubringen als bei seinem alten Vertrauten, der sie, ohne von ihr erkannt zu werden, in Empfang nimmt, und eben in Triumph aufs Land führen will, als – ihr längst todtgeglaubter Vater aus Indien zurückkommt, und sie mit dem Geliebten verheirathet. Jeder Unbefangene wird gestehen müssen, daß sich diese ganze Fabel mehr zu einer niedrigen abentheuerlichen Posse eignet, als zu einem edleren Lustspiel. In Rücksicht auf sie, stand Molière nicht hoch über seinen Vorgängern: aber wie hat er sie behandelt? Alle niedrig komischen Ereignisse, das Werfen des Steines, das Prügeln u.s.w. gehen nicht auf der Bühne vor, sondern werden blos erzählt; nur die Scenen sieht man, die auf eine edlere Weise komisch gemacht werden können: die Instruction, die Arnulph seiner Braut giebt; sein Erstaunen, sein Schrecken, seine Verzweiflung, seinen Triumph, bei den einzelnen Vorfällen u.s.w. Ferner: das Mädchen, vorzüglich aber der Alte selbst, ist zu einem äußerst lebendigen, kraftvollen, wahren Charaktergemälde ausgeführt. Ferner: alle die wunderlichen Ereignisse sind durch den Charakter Arnulphs motivirt. Aus Eitelkeit hat er seinen Namen verändert: daher kann der junge Mensch ihn verkennen. Aus Eigensucht hat er Agnes ohne alle Bildung erziehen lassen: daher kann sie so leicht verführt werden. Aus boshafter Schadenfreude, unterstützt er den Jüngling zur Fortsetzung des Abentheuers; aus Hinterlist misbraucht er das Vertrauen desselben; aus Dünkel glaubt er jeden Augenblick gesiegt zu haben: daher kann er in seine eigenen Schlingen verwickelt werden, – und das Resultat aller dieser Züge ist, daß er gehässig und verächtlich wird, und der Zuschauer ihm sein Schicksal gönnt. – Zuletzt endlich: Moliere schrieb den Dialog in regelmäßigen Versen, mit einer klassisch richtigen Diktion, und erlaubte sich schlechterdings keinen witzigen Einfall, der nicht zugleich ein Charakterzug war. Man kann das Klassische dieser Behandlung nicht verkennen; und wenn man sich erinnert, daß Molierens Vorgänger fast nur nicht die Idee verrathen, den Vorzügen nachzustreben, die er auf eine so glänzende Weise erwarb, so fühlt man sich von der innigsten Bewunderung gegen sein Genie durchdrungen. „Aber wie kam der Mann, der sich in der Ausführung so groß zeigt, dazu, einen so possenhaften Stoff zu wählen?“ Er wußte, daß man den öffentlichen Geschmack nur allmälig zur Veredlung leiten kann; daß man ihn nie gradezu beleidigen, daß man sich gegen ihn gefällig bezeigen muß, damit er sich eben so gefällig zu den bessern Neuerungen verstehe. Nur der lächerliche, hoffärtige Dünkel armseliger Geister, die unter ihr Zeitalter herabgesunken sind, kann sich einfallen lassen, laut zu verkündigen, sie hätten sich über dasselbe emporgeschwungen; kann sich einfallen lassen, ihm imponiren, in Geschmackssachen befehlen, ihm Kunstwerke als schön aufdringen zu wollen, die mit den allgemeinen Begriffen von Schönheit im Widerspruch stehen. Wer einer solchen Insolenz fähig ist, von dem darf man es ohne Weiteres für gewiß annehmen, daß seine Neuerungen Erbärmlichkeiten sind, auch wirkt er in der Regel am Ende nichts, als allgemeines Verlachen seiner Pläne. Das wahre Verdienst ist immer bescheiden, und alle Genies, die ihre Zeitgenossen wahrhaft veredelten, wirkten dadurch, daß sie Nachgiebigkeit in unbedeutendern Dingen zeigten, um freundliche Nachgiebigkeit für wichtigere zu finden. – Weil sein Publikum an Possen gewöhnt war, wählte Moliere eine Posse zum Inhalt: aber er machte aus ihr ein Lustspiel, und seine Zuschauer wurden für diese edlere Gattung gewonnen. Seine Nachfolger waren glücklicher als er: sie fanden den reinern Geschmack, den er stiftete, verbreitet; sie konnten ohne Gefahr auch edlere Stoffe wählen. In der Charakterzeichnung, in der komischen Kraft, hat ihn kein einziger erreicht, aber in den Werken der bessern unter ihnen, wird auch kein Liebhaber mit Steinen geworfen, oder mit Prügeln von einer Strickleiter herabgestürzt. – Wenn Moliere aber wegen der Wahl seines Inhalts durch die Lage, in welcher er schrieb, hinlänglich entschuldigt wird, so ist doch von der andern Seite nicht zu läugnen, daß die Frauenschule durch den Contrast des Stoffes mit der Behandlung, einen doppelten Charakter erhalten hat, weder wirkliches Lustspiel, noch wirkliche Posse geworden ist. Auf den französischen Bühnen läßt die Ehrfurcht gegen den unsterblichen Dichter diesen unreinen Doppelton überhören. Man nimmt mit ihm vorlieb, wie mit dem altmodischen Mantel, in welchem Arnulph (und in anderen Stücken Sganarelle) gespielt wird, indeß alle andre Personen modern gekleidet erscheinen. Er war es indeß wohl vorzüglich, der bis jetzt gehindert hat, daß die Frauenschule, oder irgend ein Molierisches Stück auf der deutschen Bühne bleibendes Bürgerrecht erhielten. Ohne sich Rechenschaft darüber zu geben, worin das Zurückstoßende eigentlich liege, hörte man die oft versuchten Uebertragungen ein Paarmal an, und war gesättigt. Er mußte weggeschaft werden, wenn das Stück gefallen sollte. Zwei Mittel waren dazu möglich. Entweder mußte man mit der Fabel Veränderungen vornehmen und den Ton beibehalten, – und das wäre ohne Zweifel das Beste, aber auch das Schwierigste gewesen; – oder man müßte den Ton zu dem Inhalte herabstimmen, was für den Bearbeiter das Leichteste und Unterhaltendste war. – Ob Kotzebue so räsonnirt hat, weiß ich nicht, aber sein richtiges Gefühl lehrte ihn, daß der Contrast notwendig weggeschaft werden müßte, und er wählte den zuletzt erwähnten Weg dazu. Er schrieb seine Uebersetzung in einer Art von Knittelversen, in denen er sich jede mögliche nur nicht unangenehme Freiheit nimmt. Eine Veredlung des Originals ist das nicht, aber eine Berichtigung, durch die das Stück einen bestimmtern Charakter bekam, in welchem es sich auf unsrer Bühne wahrscheinlich erhalten wird. Die Verse der Uebersetzung sind leicht und fließend, – wiewohl die Abwechselung ihres Maaßes nicht überall auf den Inhalt berechnet ist. Kotzebue hat die witzigen Einfälle des Originals mit Naivetät und gefälliger Gewandheit nachgebildet. Nur er war in Deutschland im Stande eine solche Uebertragung zu leisten, und sie gehört nicht zu seinen geringsten literarischen Verdiensten: indeß ist sie nichts weniger als fehlerlos. Eines der größten Versehen, in das er gerieth, ist, daß er oft was bedeutender Charakterzug war, als bloß witzigen Einfall betrachtete, und dadurch verleitet wurde, sich seiner Laune zu überlassen und die Aeußerung so zu überladen, daß sie nicht nur alles Charakteristische für die sprechende Person verlor, sondern auch für die Situation, in welcher sie gethan wird, völlig unpassend wurde. Ein einziges Beispiel wird hinreichen, dieses sichtbar zu machen. Als Arnolph im zweiten Akte bei dem Verhör seiner Leute in die größte Wut gerathen ist und nur mit äußerster Mühe die nöthige Fassung erzwingt, um auch Agnesen (in der Uebersetzung heißt sie Sybille,) zu befragen, mußte es sehr überraschen, ihn sagen zu hören: Es war einmal der große Kaiser Augustus mörderlich ergrimmt; Da sprach zu ihm aus Griechenland ein Weiser: Wenn euch der Zorn zuweilen übernimmt, So müßt ihr flugs, ihm zu gebieten, Hersagen euer Alphabet, Das wird vor dummen Streichen behüten Eure Kaiserliche Majestät. Das Mittelgen hab ich probiret u.s.w.   Der Beurtheiler wenigstens erstaunte über diese Stelle: denn er erkannte auch nicht einen Zug von Moliere darin. Sie ist voll Fehlern. Einmal: daß August mörderlich ergrimmt war, ist ein völlig überflüssiger Zug, und dergleichen erlaubte Moliere sich nie. Zweitens: dieser Zug ist schielend und stört die Wirkung des Ganzen, indem er der Erzählung Unwahrscheinlichkeit giebt, denn ein mörderlich ergrimmter Kaiser pflegt nicht Rathschläge der Art anzuhören, wenigstens wird kein Weiser eine solche Zeit zu ihrer Ertheilung wählen. Drittens: die dummen Streiche und die Kaiserliche Majestät geben der Aeusserung den Anstrich, als wolle Arnulph etwas Scherzhaftes sagen, und wie käme er dazu, er, der eben vor Zorn ersticken will? Einen solchen Fehlgrif zu begehen, wäre Molieren ganz unmöglich gewesen. Schlägt man das Original auf, so wird man folgende Zeilen finden: Un certain Grec disoit à la Empereur Auguste Comme une instruction utile autant que juste, Que, lorsqu’une aventure en colère nous mer Nous devons avant tout, dire notre Alphabet, Afinque dans ce tems la bile se tempére, Et qu’on ne fasse rien que l’on ne doive faire, J’ai suivi sa leçon &c. Hier ist, wie man sieht, keiner der gerügten Fehler, kein überflüssiger, schielender Zug, der die Wirkung des Ganzen stört; kein Anschein von Spaaßhaftigkeit. Arnulph erscheint hier als das, was er im ganzen Stück ist, als ein abgeschmackter Pedant, der sich für einen Weltkenner, einen Weisen hält. Daß er den Kaiser August citirt, ist ein Seitenstück zu jener Scene, in welcher er seine Braut vor sich hinstellt, und sie einen Ehestands-Katechismus ablesen läßt. Durch den läppischen Ernst, mit dem er seine Possen übt, belustigt er, nicht durch Späße. Fehler dieser Art sind, wie gesagt, dem Uebersetzer oft entwischt: sie hätten sich ohne Mühe wegbringen lassen, wenn er ein wenig mehr Sorgfalt auf das Ausfeilen gewandt hätte. Glücklicherweise thaten sie der Wirkung des Ganzen wenig Eintrag, denn sie treten nur bei genauerer Aufmerksamkeit hervor. Das Publikum wurde auf eine sehr geistreiche Weise belustigt: was kann es mehr verlangen. Kotzebue hat der deutschen Bühne ein vortreffliches Stück angeeignet, das vorher für sie nicht da war: hätten seine Feinde doch nur die Hälfte eines solchen Verdienstes für sich anzuführen! – Das Publikum wurde geistreich belustigt, obgleich die Darstellung nichts weniger als vollendet war. Iffland selbst machte den Arnulph. Daß er ihn nicht, nach hergebrachter Weise, im Mantel spielte, war ohne Zweifel sehr einsichtsvoll; daß er immer treffend und schön sprach und sehr ausdrucksvoll darstellte, braucht nicht erst gesagt zu werden: aber man fühlte durchaus, daß Er wenigstens noch sehr viel mehr leisten könnte, und vermißte in seiner Darstellung die komischen Theaterspiele, auf welche so viele Scenen des Stücks ganz eigentlich berechnet sind, und die auf der französischen Bühne so sorgfältig ausgeführt werden. Den Auftritt, in welchem Agnes den Ehestands-Katechismus herliest, dachte Moliere sich offenbar so, daß Arnolph sich gemächlich auf einen Lehnstuhl niederläßt (im Original befiehlt er ausdrücklich nur Einen Stuhl herauszubringen,) das Mädchen steif vor sich hinstellt und nun mit einer Präceptor-Miene seine Lektion anhebt. In dem Auftritt, wo der Notar ihn begrüßt, ohne daß er ihn sieht, und die einzelnen Punkte seines Selbstgesprächs beantwortet, ohne daß er ihn hört, geht Arnolph auf den französischen Bühnen auf und ab und macht Pausen, damit die Antworten passend einfallen können. Diese Art der Darstellung hat sich in Frankreich erhalten, seitdem Moliere selbst, vor 140 Jahren, die Rolle des Arnolph machte. Ob Iffland vorsetzlich anders spielte, oder nur weil er von den Mitspielenden schlecht unterstützt wurde, wird sich bei einer zweiten Vorstellung zeigen. – Die Künstlerin, welche die Sybille (Agnése) machte, stellt in der Regel die Nachbildungen derselben vortrefflich dar: es mußte sehr überraschen, daß sie das meisterhafte, nie erreichte Vorbild aller Agnesen, gradehin fallen ließ. Nur im ersten Akte schien es ihr einigermaßen Ernst, ihre Worte durch ihr Spiel zu unterstützen: in allen übrigen sahen wir nur die reizende, liebenswürdige Frau, die sie ausser dem Theater ist; ihre geistvollen Blicke und Minen, alle ihre Bewegungen standen in dem sonderbarsten Kontrast, mit den naiven Dingen, die sie zu sagen hat: sie las die Maximen über den Ehestand fast ohne das geringste Bestreben, die Agnese zu markiren. Vorsätzlich war dieser Fehlgriff gewiß nicht; wahrscheinlich schlug die Sage, das Stück solle und müsse und werde ausgepocht werden, ihren Eifer nieder, – aber das hätte nicht sein sollen. Ein Künstler muß sich durch nichts in der strengen Ausführung der Aufgabe irren lassen, die er einmal übernahm. Sie hätte durch ihr Spiel dem Stücke das Schicksal zuziehen können, das sie fürchtete: es traf nicht ein – und sie hat das kränkende Bewußtsein, nicht ihre Pflicht erfüllt zu haben. – Mdlle. Eigensatz dagegen macht die kleine Rolle der Grethe (im Orig. Georgette) in der größten Vollendung. Kleidung, Gang, Ton der Stimme, Gebärdenspiel, alles war an ihr äußerst charakteristisch, und die schätzbare Künstlerin hat einen neuen Beweis ihrer ausgezeichneten Talente gegeben. Sie ist auf dem Wege der wahren, großen Kunst. – Herr Unzelmann machte den Hans (Alain) mit der Trefflichkeit, die man von ihm in Rollen dieser Art gewohnt ist. H. Schwadke spielte den jungen Willing (Horace) lebhaft und leicht, – alle übrige Rollen aber wurden so sehr vernachlässigt, daß es wahrlich sehr verschwendete Mühe wäre, nur ein Wort von ihnen zu sagen. –

Aufführungsdatum: 24.03.1803
Rezensionen
Ort der Aufführung::
NT S1
Nationaltheater von A-Z:
Die Schule der Frauen
Quelle:
VZ 1803, Nr. 36
weitere Informationen:
[danach: Die Dorfgalla]
Rezension:
Zeitung:
Vossische Zeitung
Aufführungsdatum:
1803-04-30
Nummer:
52
Autor:
ungez.

Was dieses Lustspiel anlangt, so scheint es, als wolle es nach und nach von dem Nachtfrost sich erholen, der bei seiner ersten Erscheinung darauf gefallen ist. Die Schauspieler thun alles, was möglich ist, das Stück geltend zu machen. In der heutigen Vorstellung war der Fleiß des Herrn Iffland nicht zu verkennen; desto mehr vermißte man den glücklichen Wurf, womit die Genialität jene Momente zu schaffen weiß, welche der Fleiß allein nicht bewirken kann. Mad. Fleck und Hr. Schwadke spielten sorgfältig; Demois. Eigensatz sehr charakteristisch, und Hr. Unzelmann recht guter Laune. Das Ballet ward mit Feuer und Annehmlichkeit gegeben, und gewährte vieles Vergnügen.

Aufführungsdatum: 21.04.1803
Ort der Aufführung::
NT S1
Nationaltheater von A-Z:
Die Schule der Frauen
Quelle:
VZ 1803, Nr. 48
weitere Informationen:
[davor: Der Hahnenschlag]
Aufführungsdatum: 24.04.1803
Rezensionen
Ort der Aufführung::
NT S1
Nationaltheater von A-Z:
Die Schule der Frauen
Quelle:
VZ 1803, Nr. 49
weitere Informationen:
[danach: Der ländliche Morgen]
Rezension:
Zeitung:
Haude- und Spenersche Zeitung
Aufführungsdatum:
1803-03-26
Nummer:
37
Autor:
gez.: D. - r.

Eingesendeter Brief. Mein Herr! Indem Sie den Vorzügen der Uebersetzung der Frauenschule durch H. v. K. Gerechtigkeit widerfahren ließen, haben Sie mit Unparteilichkeit auch ihre Fehler gerügt. Erlauben Sie mir, noch eines Unterlassungsfehlers zu erwähnen, den dieser Dichter begangen hat, und der mir sehr aufgefallen ist. Warum hat er nicht der Uebersetzung der Frauenschule, die der Mollierischen Critique de l’Ecole des femmes beigefügt? Ein passenderes Nachspiel dazu, läßt sich nicht denken, und das Publikum hätte das Vergnügen gehabt, auf der Stelle die sinnreichen Urtheile und das geistvolle Benehmen kennen zu lernen, mit denen es an den folgenden Tagen außer dem Theater belustigt wurde. Zwar, diese preziöse Climene, die sich mitten in die Gesellschaft hinsetzt, mit dem gedehntesten, langweiligsten Tone erzählt, daß ihr das Stück lange Weile gemacht, und in den ekelhaftesten gemeinsten Phrasen versichert, ihr sei bei den unedlen Ausdrücken des Dichters übel geworden; - dieser Marquis, der sich als einen sehr erleuchteten, geschmackvollen Kopf zu zeigen glaubt, wenn er alles verachtet, der keinen andern Grund anzugeben weiß, warum das Stück schlecht ist, als weil es abscheulich sei, und die Abscheulichkeit durch die Versicherung beweist, daß es entsetzlich ist, endlich aber seinen Gegner durch Singen zum Stillschweigen bringen will; - dieser verunglückte Poet, der die Geschmacklosigkeit des Publikums dadurch aufs Bündigste beweist, daß es an den Stücken Molieres Gefallen findet, indeß es seine nicht ansehen mag u. s. w. – man würde geglaubt haben, K. hätte lauter lebende Glanzsterne unsrer eleganten Welt portraitirt: aber desto überraschender wäre es gewesen, durch einen Blick in das Original zu erfahren, daß keine Gattung von Wesen ausstirbt, daß jeder Sommer grade eben solche Geschöpfe ausbrütet, als alle vorhergehende, und daß die Grillen vor hundert und fünfzig Jahren vollkommen so lieblich gesungen haben, als jetzt. Ihre u. s. w. D. - r.  

Aufführungsdatum: 21.06.1803
Ort der Aufführung::
NT S1
Nationaltheater von A-Z:
Die Schule der Frauen
Quelle:
VZ 1803, Nr. 74
weitere Informationen:
[danach: Die Lustbarkeiten im Wirthsgarten]

Nationaltheater: Schule der Frauen, Die [L'école des femmes] (bearbeitet von Klaus Gerlach), Berliner Klassik, hrsg. v. der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, 2003-2013. URL: https://berlinerklassik.bbaw.de/nationaltheater/theaterstueck/267.

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