Den 26sten Dez. gab man: Die Ueberbildeten, Lustspiel in einem Akt nach den precieuses ridicules des Moliere. Der Dialog der Ueberbildeten ist in mancher Rücksicht ein wahrhaftes Meisterwerk zu nennen. Wie konnte aber der Verfasser, der so viel seinen Beobachtungsgeist, Witz, blühenden Styl und Neuheit zeigt, die Handlung so unverzeihlich vernachlässigen? Wie es übersehen, daß bei dem Zustand der Kultur in Deutschland, die Unwahrscheinlichkeit: zwei Bediente in dem Grad der Bildung zu erblicken, als hier geschieht, die Illusion vernichten mußte! Was Moliere vor mehr als hundert und dreißig Jahren in Paris ohne Anstoß auf die Bühne bringen konnte, geht in diesem Betracht heut zu Tage bei uns nicht an. Warum wich der Verfasser nicht ab? Bei dem Reichthum an Talent, den er entwickelt, mußt’ es ihm ja ein Spiel seyn, seine satyrischen Zeichnungen an den Faden einer Intrigue zu knüpfen, die nicht gegen die wahren gesellschaftlichen Verhältnisse verstieß, nebenher auch ein Interesse für den uneingeweihten Theil der Zuschauer mit sich führte und dem Ausgang, mehr Wirkung gab. Wäre das geschehn, so würde dies Stück, obschon ephemerisch, in den Rang unsrer besten Lustspiele erhoben werden können. – Herr Unzelmann spielt unvergleichlich. Auch sein Anzug entspricht vollkommen, und geht nicht über das hinaus, was die Komik von starker Farbengebung fordert. Herr Labes hält die nöthige Gränze weniger. Die Damen müssen freilich das Uebertreibende vorsichtig vermeiden, aber hier scheint es, könnten sie den dernier gout immer noch mit einiger leichter Karikatur versehn, oder sich, um es so auszudrücken, mehr incroyablisiren. Madame Flick spricht vortrefflich, und ihr Spiel wirkte außerordentlich. Madame Reinhard verstand man sehr wenig, und ihr Spiel wich nicht genug von dem der Madame Fleck ab. - n -
Nationaltheater: Überbildeten, Die (bearbeitet von Klaus Gerlach), Berliner Klassik, hrsg. v. der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, 2003-2013. URL: https://berlinerklassik.bbaw.de/nationaltheater/theaterstueck/310.
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