Den 3ten März zum Benefiz der Madame Schick zum
erstenmal: Claudine, Lustspiel in drei Akten, nach dem Französischen des
Pigault Lebrun. / Der Stoff ist aus einer Novelle von Florian genommen. /
Ambros, ein Invalide, Savoyarde, nährt sich in Turin als Decrotteur. Ein
junger Savoyarde, sein Landsmann, bringt ihm ein Schreiben von seiner Pathe
Claudine, die ihm klagt: sie sei durch einen Reisenden, den sie liebte,
verführt und Mutter geworden; von ihrem Vater verstoßen, habe sie keine
Zuflucht, als das Mitleid des wackern Invaliden. Ambros wird gerührt, und
der junge Savoyard sinkt ihm endlich, als der gutmüthige Alte den Fehltritt
verzeihlich findet, weinend an die Brust. Es ist Claudine selbst.
Gastfreundlich nimmt sie jener auf, und sendet sie von der Straße nach
seiner Wohnung. Belton, einer der Herren, denen Ambros aufwartet, findet
diesen nachdenkend, frägt nach der Ursache und erfährt: daß so eben seine
achtzehnjährige Pathe mit seinem jüngsten Bruder bei ihm angelangt sei, und
die Zukunft dieser Menschen ihn beunruhige. Belton, der einen Jokei sucht,
erklärt sich bereit, den Jüngling in seinen Dienst zu nehmen. Nach manchen
Widerreden des Alten, deren Grund sich erräth, geht er, den jungen Menschen
herbeizurufen Claudine, der verstellte Savoyard, erscheint, und -
erkennt in Belton ihren immer noch innig geliebten Verführer. Sie nimmt den
Vorschlag an, und antwortet auf die Warnung des Alten: daß sie in diesem
Zufall gerade des Schicksals Gunst ahne, die sie zu des Geliebten Nähe
führt, um ihr Glück herzustellen. Sie tritt das neue Amt an; aber Belton ist
so eben in Begriff, sich mit einer schönen geistreichen Frau zu verbinden.
Verzweifelnd wirft Claudine sich der Dame zu Füßen, und entdeckt alles.
Mdme. Dernetti entsagt nach einigem Kampf den Besitz Beltons, führte ihm
selbst Claudine zu, und der nur leichtsinnige junge Mann, eilt mit dem
Vorsatz, das Geschehene gut zu machen, als Bräutigam in die Arme des frohen
Mädchens. - Die Bearbeitung kann, bis auf den hin und wieder nicht ganz
fließenden Dialog, gelungen genannt werden. Zwar ist im ersten Akt einige
Leere, doch im zweiten wächst das Interesse, und der dritte befriedigt in
einem hohen Maaße. Nur erfüllt das Ganze mehr die Bedingungen eines
Schauspiels, als Lustspiels. - Die Darstellung entsprach den Talenten der
Handelnden. Das Spiel der Mad. Fleck als Claudine war rührend schön. -
Ueberaus rühmlich stand Mdme. Bethmann (Witwe Dernetti) da. - Hr. Beschort
(Belton) zeichnete seinen Charakter mit lebendiger Wahrheit. - Auch Mlle.
Willich (das Kammermädchen) und Hr. Unzelmann (der Invalide) verdienten Lob.
So mußte das Stück gefallen.
Nationaltheater: Claudine (bearbeitet von Klaus Gerlach), Berliner Klassik, hrsg. v. der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, 2003-2013. URL: https://berlinerklassik.bbaw.de/nationaltheater/theaterstueck/360.
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