Einem Schauspiele, welches fünf volle Stunden währt, wird es schwer, immerfort mit der Aufmerksamkeit zu folgen, um so mehr, wenn es an Handlung und Personenzahl sehr reich, und durch eine lange Periode geführt ist. Leicht entgeht hie und da eine Rede dem Ohr, welche den Faden zusammenknüpft. Ich behalte also die Uebersicht des Ganges, der Vorstellung von Uebermorgen vor, da sie denn vollständiger ausfallen muß. Nur so viel heute: Luther ist die Hauptperson, seine theologische Reform sowohl, als seine individuellen Lebensumstände liefern den Inhalt. Was dem Zuschauer nun aus seinem Leben historisch bekannt ist, und die Gewohnheit ziemlich gleichgültig hatte ansehen lassen, das erblickt er hier poetisch aufgestellt. Es ist auch kein Zweifel, daß die Poesie dem Verfasser glücklich gelungen sei. Wo die meisten wohl in Luther, den muthigen Eifer gegen papistischen Mißbrauch, in ziemlich menschlichen Motiven begründet fanden; als: die Eifersucht des Augustiners, gegen den Dominikaner-Orden, dem die Vortheile des Ablaßes, worauf auch jene Mönche Anspruch machten, ausschließlich verliehen waren; die Unterstützung der Fürsten bei denen der Zeitgeist auch angesprochen hatte, die ihn denn nun von Schritt zu Schritt trieb, und mit dem dadurch erwachten Stolz auch mehr Schwung und Herzhaftigkeit gab u. dergl.; da tritt hier ein erhaben begeisterter Heros vor ihnen auf, der sich allenthalben ehrwürdig und liebenswürdig macht. Die Anlage der Exposition (ein Bergwerk ist die erste Scene) gehört auch dahin, so wie mehrere rührende Situationen; der Bericht von Luthers Erziehung; von dem durch den Blitz getödteten Freund; Luthers Bedeutung seines alten Vaters, der in seinen Begriffen über den Sohn wankt; Luthers Verhältniß zu der Katharina von Bora, der letzteren Charakter; Wildenecks und Theobalds Katastrophen, und mehr. Ob dem Verfasser aber eben so die dramatische Form gelang, ist wirklich nach der ersten Darstellung nicht zu entscheiden. Manches scheint zu mystisch für diese Form, manches nicht faßlich genug zusammengestellt, manches bei weitem zu sehr gedehnt. Doch kann dieser Ausspruch irren; das Ganze ist zu fremdartig, die Berichtigung des ersten Urtheils folgt erst der näheren Vertraulichkeit mit dem Gegenstande. Ueber das alles wird es künftig Gelegenheit geben zu reden. Das Schicksal der ersten Vorstellung war: daß das Publikum sowohl durch die Schönheiten im Stück, als durch das unübertrefliche Spiel Ifflands als Luther, überrascht ward; hierzu kam der blendende Prachtaufwand, die trefliche Musik Webers, und der Beifall zeigte sich häufig. Wenn nach dem Heruntersinken des Vorhangs man sich nicht bestimmter entschied, so rührte es wohl theils daher, daß viele den Geist des Stücks noch unvollkommen aufgenommen hatten, und mit sich also nicht gleich einig wurden; dann brachte es aber wirklich die Länge des Stücks mit sich, daß die Aufmerksamkeit ermüdete, und mancher ergreifende Eindruck aus den ersten Akten vergessen ward. Die Hitze, bei der übergroßen Zahl der Zuschauer spannte ohnehin genug ab. Der Wunsch nach einer Abkürzung war deshalb ziemlich allgemein, und wird wie es heißt, auch erfüllt werden. Vorzüglich würde sie in den biographischen Nachrichten, die Luther von sich ertheilt, in der Anrede Katharina’s an die Wittenberger und in den Scenen der höchst unbedeutenden Therese wohlthätig seyn. – p –
Andre Blätter haben bereits
eine Uebersicht des Stücks geliefert, da sie indeß nur Einmal oder einigemal
davon reden, in der Chronik dagegen über jede Vorstellung etwas gesagt wird, so
bedarf es ja keiner Eile. Hier ist nun auch eine, nemlich nach der vorigen noch
nicht abgekürzten Gestalt.
Erster Akt. Freyberg.
Allegorische Exposition durch Gesang der Bergleute in einem Schacht. Der Gesang
hat poetische Schönheiten, (die Dekoration überrascht durch Neuheit, ist aber
zu hell.) Man spricht über Luthers Lehre, besonders ein bergmännischer Jüngling,
der vormals Melanchthons Famulus war. Die Nachricht von Luthers Bann ertönt.
Die Versammlung eilt mit dem Vorsatz, ihn zu retten, fort. Wittenberg. Ein
Nonnenkloster wird durch den kurfürstlichen Kanzler aufgehoben. (Der Gesang der
Nonnen hat etwas, das zu sehr ins Komische fällt. Z. B. Schütze deines Häufleins
Ehre, miserere, miserere, u.s.w.) Katharina von Bora will den Schleier nicht
abgeben, man gestattet ihr, mit Theresen (einer recht ächten poetischen
Kindlichkeit) im Kloster zu bleiben. Indem sie erst katholische Schwärmerin
ist, bei Luthers Namen schaudert, gleichwohl aber ihn künftig lieben soll, und
den Keim ihrer Liebe in einem Ahnungsbilde von ihm im Busen trägt, so ist das
allerdings eine ganz trefliche romantische Anlage, die auch tief ergreift, weil
sie aber gleich, besonders da ihr voriger Liebhaber dazwischen tritt, ein
Durchkreutzen des Interesse giebt, und Katharina doch in dem der folgenden großen
Momente, untergehen muß, so wäre zu wünschen, sie erschiene hier noch nicht.
Die Studenten ziehen aus dem Thore und erwarten Luthern, der die päbstliche
Bulle verbrennen will. Sie sind mit Laune und Wahrheit gezeichnet. Katharina kömmt,
den Frevel zu hindern. Sie erblickt Luthern, ruft mein Urbild, und flieht. So
sublim Katharina hier seyn soll, so wirkt sie dennoch wenig. Vielleicht, weil
man dabei zu sehr an einen Auftritt in der Jungfrau von Orleans erinnert wird, und
man an Luthern mit einer ganz andern Aufmerksamkeit hängt, als die für seine körperlichen
Vorzüge, welche doch (so hat man gewöhnlich empfunden, und soll man in diesem
Augenblick darüber hinausgehn, verliert sich Luther vor der Aufmerksamkeit) am
ersten die plötzliche Liebe eines Mädchens bewirkt. Desto wahrer, höher und kräftiger
steht Luther da am Feuer, und der Vorhang sinkt während seiner herrlichen Rede.
Zweiter Akt. Wittenberg. Luthers Wohnung. Sein junger Famulus Theobald, erzählt
dem besorgten Melanchthon, daß sein Herr seit drei Tagen mit Uebersetzung der
Psalmen beschäftigt sei. Der reine jugendliche Sinn ist bei jenem höchst
anziehend gezeichnet, Melanchthon steht der Geschichte treu da. Luthers alte
Eltern erscheinen. Man muß die Thür mit Gewalt öffnen, da der Vertiefte nichts
hört; auch bemerkt er anfänglich die Eltern gar nicht. Hierauf rührendes
Wiedersehn, schöne Deutung der religiösen Reform, Erzählung der Jugendumstände
Luthers. Diese Scene findet jedermann zu lang; ob man ihr wohl viele Schönheiten
zugestehn muß. Dabei erwacht der Wunsch, der Verfasser mögte noch früher
Luthers Lebensschilderung begonnen haben, wäre das Stück darüber auch in zwei
Theile zerfallen. (Oder selbst in drei, wiewohl es dann mehr zum Lesen als Aufführen
sich eignete.) Wildeneck erscheint, und meldet, daß Luther auf den Reichstag
nach Worms berufen sey. Der Kurfürst läßt ihm widerrathen, dahin zu gehn.
Luther beschließt es zu thun, trotz aller Bitten seiner Freunde.
(Klostergarten). Die episodische Therese wird hier lästig. Katharina entdeckt
Wildenek ihre Gesinnung für Luthern, und den Entschluß, ihm nach Worms zu
folgen. Sie und Therese als Pilgerinnen verkleidet, reisen mit Wildenek ab. Ob
Wildenek gleich hier sowohl als früher in einer treflichen Diktion spricht, so
greift er doch nicht regelmäßig in die dramatische Handlung. (Dramatische
Handlung ists aber überhaupt, was hier nicht vollendet ward, es vielleicht auch
nicht werden konnte, und insofern spricht das freilich für den Satz: daß Luther
kein passender Stoff für die Bühne sey.) Dritter Akt: Worms. Die Fürsten sind
zum Empfang Karls V. versammelt. Der Legat eifert wider Luthern. Die Fürsten
zeigen (deutschen) Freiheitssinn. Karl tritt auf. Nächst Luthern das
gelungenste Gemälde. Sein Stolz ist ungemein gut geschildert. Nur wo er bei
einer witzigen Aeußerung des Herzogs Erich von Braunschweig, Mäuse pfeifen hört,
scheint er zu platt zu werden. Das Bild an sich ist daran schuld. Die
Unterredung mit dem lustigen Rath ist voll treffenden Witzes und tiefen Sinnes,
besonders offenbart sich der geheime Glaube des Kaisers, und seine Würdigung
des Papstthums darin. Ein Bonmot des dü Bossú über das heilige römische Reich
ward viel beklatscht, scheint aber nur darauf angelegt. (Luthers Zimmer). Man
bittet ihn um Wiederruf. Selbst der Kurfürst von Sachsen, der ihm sagt: Du bist
mein Fürst mehr, als ich der deine. Luther beharret und bläst die Flöte. Er wünscht
allein zu seyn, und betet laut und lange. Ermuthigt geht er zum Reichstage.
(Markt). Luther mit einigen Anhängern treten auf, das Lied: Eine feste Burg
etc. anstimmend. Zug der Fürsten. (Aeußerst prachtvoll). Jeder der Fürsten sagt
dem Reformator einige Worte. Er blickt nur auf die Bibel. Dieser Auftritt
fesselt das Gefühl des Zuschauers außerordentlich. Sehr sprechend ist der Zug,
daß der Verfasser hier Karln einem Kurfürsten befehlen läßt, ihm das Scepter
vorzutragen, und gleich nachher bei Luthers Anblick in die Worte ausbrechen:
Ein Gott! Ein Karl! und der auch? – Mir scheint, dies sey einer der höchsten
Momente, die wir je auf der Bühne sahn, und man darf ihn die Krone des Stücks
nennen, denn da anfänglich ein Theil des Publikums gegen dasselbe eingenommen
war, was sich deutlich bemerken ließ; hörte hier alles Widerstreben auf. Man muß
aber auch gestehn, daß, je höher dieser Moment ist, der die Weihe der Kraft
ausspricht, mittelst welcher die Selbstständigkeit der Tugend sich vor den
furchtbaren Erdengöttern gültig machen kann, je weniger Interesse auch nach ihm
noch vorhanden seyn kann. Vierter Akt. Reichsversammlung. Luther vertheidigt
sich, ein religiöser Heros. Vortrefliche Scene. Man stimmt. Fugger ist unter
andern sehr originell im Ausdruck. Der Kaiser spricht für sicheres Geleit zur
Heimath, ächtet aber zugleich den Reformator. Der Legat dingt einen Mörder. (Ländliche
Gegend.) Luther mit Wildeneck, Theobald und Melanchthon, begegnen Katharinen
und Theresen. Gesang Theobalds und Theresens voll niedlichen, poetischen,
mystischen Bombastes, der nicht auf die Bühne gehört, da unter zwanzig
Zuschauern kaum einer fühlt, was der Dichter will. Wildeneck wird eifersüchtig,
und verläßt Katharina, und die Scene, voll Wuth. Luthern heben Lanzenknechte
auf, um ihn nach der Wartburg in Sicherheit zu bringen. Katharina hält ihn für
todt. Fünfter Akt. (Klosterkirche in Wittenberg.) Therese ist gestorben. Ihre
Leiche steht da. (Was soll der Zuschauer dem das Gemüth voll von dem männlichen
Luther ist, hier fühlen? Er weiß es sich selbst nicht zu sagen.) Bilderstürmer
dringen ein, Wildeneck will Katharinen morden, ein unsichtbares Kind (paßt
dergleichen da, wo vom Kampf der Vernunft gegen Aberglauben die Rede ist??) hält
ihn zurück. Luther kömmt von der Wartburg, sucht die Ruhe herzustellen, ruft
Gott an, der ihm durch einen Donnerschlag antwortet. Wildeneck dringt auf ihn
ein, Theobald wirft sich vor und wird erstochen. Luther klagt über die Härte
seines Geschicks und faßt den Entschluß in eine Wüste zu ziehen. Katharina von
Bora richtet ihn durch kräftigen Zuspruch auf, und das führt den jezt Einsamen
dahin, zu fühlen, daß sie für ihn geschaffen ist. Die über ihn verhängte
Reichsacht wird aufgehoben. Mit einem Ausruf des Lobes Gottes, und der Mahnung
an Glaubensfreiheit, endet das Stück. So weit heute.
– p –
Es scheint wir besitzen schon einen deutschen Dichter, mit dem der Verfasser der Weihe der Kraft zu vergleichen ist, so wie die Wege auf denen sich sein Genie ausbildete, sich auch ziemlich deutlich entdecken lassen. Doch davon künftig. Wir haben ja in dieser Woche noch drei Vorstellungen vor uns. Bei diesen werde das Spiel der Einzelnen näher beleuchtet. Heute nur noch das: Weber hat einige sehr glückliche Ideen bei seiner meisterhaften Composition ausgeführt. Einmal hebt die Introduktion mit dem Choral: Eine feste Burg ist unser Gott an, und dann ist der Marsch beim Zuge der Fürsten dergestalt in zwei Orchester gesetzt, daß sie nah und fern abwechseln. Dadurch genießt man dort die volle Pracht der Instrumente, und hat hier Gelegenheit die Reden deutlich zu vernehmen. - p -
Heute nur eine vorläufige Uebersicht von Besetzung der Rollen, und zwar nach der Namenreihe des Zettels. Karl der fünfte, Herr Bethmann. Der Verfasser zeichnete diesen Charakter mit wenigen Zügen sehr glücklich. Hr. Bethmann giebt sich offenbar große Mühe ihn gut durchzuführen, und in vielen Momenten glückt es ihm, z. B. in dem Zuge zum Reichstage. Seine Haltung im Vorüberreiten an Luther, da er die so merkwürdigen, neulich erwähnten, Worte spricht, ist wahrhaft malerisch, und wird um so anziehender durch den Kontrast der unterwürfigen Größe Luthers. Herr Bethmann sieht lange, lange auf den Reformator. Er wirft sich vorher noch kühner in die Brust. Er thut als sei der Mann im schwarzen Talar, unter seiner Aufmerksamkeit, und doch hat Karls Blick (so fühlt der Zuschauer) vielleicht noch auf keinen Sterblichen mit solcher Aufmerksamkeit geruht. Welche Huldigung für Luther, der sie aber ohne Verlegenheit bemerkt. Dagegen ist wohl Karls Ton im Gespräch mit den Fürsten, und selbst mit seinem lustigen Rath etwas zu einförmig, und sein Spiel, besonders in der Scene mit dem letztern, zu gezwungen. – Albert von Brandenburg, Kurfürst, Erzbischof von Mainz und Magdeburg, und Kardinal, Herr Herdt. Herr Herdt ist ein zu braver Schauspieler, als daß er dieser Rolle, die nur stille Würde fordert, nicht Gnüge leisten sollte. – Friedrich der Weise Kurfürst von Sachsen, Herr Gern. Mit Einsicht und Herzlichkeit, doch wohl nicht immer Fürst genug. – Joachim Kurfürst von Brandenburg, Herr Eunike, hat wenig zu sagen, spricht aber gut. – Herzog Erich von Braunschweig, Herr Unzelmann. Im komisch trocknen, lakonischen Ton unvergleichlich. – Herzog Georg von Sachsen, Herr Lemke. Unbedeutend. – Markgraf Albrecht von Brandenburg, Hochmeister des Deutschen Ordens, Herr Schwadke. Spricht die inhaltschwere Rede vor dem Kaiser, mit Würde und Kühnheit aus, nur mit zu viel Beweglichkeit der Schultern. – Kardinal Aleander, päpstlicher Legat, Herr Berger. Spielt zu sehr in seiner gewöhnlichen Manier; müßte mehr Würde des Anstands und höfische Gewandheit haben; besorgter bei dem so schwierigen Geschäfte seyn, womit er beauftragt ward; Luthern die Worte, die er ihm im Vorüberziehn zu sagen hat, heimlicher zuflüstern; vor dem Kaiser weniger toben, aber mehr Ausdruck im Benehmen haben. – Ritter Franz von Wildeneck, Herr Mattausch. Hat eine undankbare Rolle, die das Interesse des Stücks durchkreuzt. Sein gutes Spiel geht daran meistens verloren. – Dü Bossú, des Kaisers lustiger Rath, Mitglied des Clevischen Geckenordens, Herr Beschort. Spricht sehr launig, sehr bedeutend, und läßt am rechten Fleck das Herz mitreden. – Spalatinus, Kurfürstlich Sächsischer Kanzler, Herr Labes, zeigt sich bei Aufhebung des Klosters, wie ein dem Zeitgeist nach reifer, aber weislich überlegender Mann. – Graf von Stollberg-Wernigerode, Herr Bessel der Jüngere Hans Fugger, ein Augsburgischer Handelsmann, Herr Greibe, – haben wenig zu sagen. – Doktor Martin Luther, Professor in Wittenberg, Iffland. Hätte er nichts weiter zu thun, als nur dem Zuge der Fürsten gegenüber zu stehn, die Art, mit welcher es geschieht, stempelte ihn schon allein zum genialen Künstler. (Mögte doch der Moment, in welchem Karl ihn anblickt, einen talentvollen Zeichner finden; mit den Umgebungen gäbe es ein herrliches, scenisches Bild.) Mir scheint, grade dadurch zeigt sich Iffland hier so groß, daß er sich durchaus keine Würde des Stolzes zulegt. Er ward ja unter sehr armen Eltern geboren, in einem Bürgerhause erzogen, verlebte die Jugend unter Mönchen, steht jetzt einem Lehramt vor: da bleibt das Aeußerliche zurück, so hoch auch der innre Genius auflodert. Ganz einfach steht dieser Luther da, nur in der Rede, die des Geistes weitgreifende Kraft, den Flug der Schwärmerei für Recht und Urheiligkeit der Religion, und den Heroismus des Gemüths in jedem Laut ausspricht, offenbart sich seine Größe. – Magister Philipp Melanchthon, Herr Böheim. Recht brav. – Theobald, Luthers Famulus, Mlle. Mebus die ältere. Abermals ein redender Beweis des lange verkannten, großen Talents. Mit welchem Blick der innigsten Theilnahme hängt sie an Luther! Wie glücklich drückt sie die jugendliche Reinheit, das offne, schöne Gemüth aus, das der Verfasser in diese Rolle legte. Man muß aber auch sagen, daß Theobald an sich hohes Interesse hat, weil er direkt in die Handlung greift. Das ist mit mehreren Rollen hier nicht der Fall. – Hanns, Luther’s Vater, Herr Kaselitz: durchaus wahr und interessant. Hubert, ein Bergknappe, ehemals Melanchthons Famulus, Herr Deny. Enthüllt durch seine herzliche Diktion, und seinen guten festen Anstand, Anlagen, von denen man bisher nichts wußte. Das gibt Hoffnungen für die Zukunft. Nur deutlicher muß Herr Deny sprechen. – Beichtvater der Augustiner Nonnen, Herr Reinwald. Brav. – Klara, Aebtissin des Nonnenklosters. Könnte suchen ehrwürdiger zu erscheinen. – Katharina von Bora, eine Nonne, Mad. Bethmann. Man ist gewohnt, diese Künstlerin immer durch Genie und Kunst excelliren zu sehn. Diese Katharina ist indeß wenigstens für sie nicht dankbar, so sinnvoll und trefflich nüanzirt Madame Bethmann auch spielt und spricht. Den Zuschauer reißt Luthers hohe Männlichkeit zu mächtig fort. An dem Heros hängt die Aufmerksamkeit. Nun soll sie immer von ihm weg, sich zu einer – wie soll man es nennen? – pietistisch-sentimentalen Schwärmerin wenden, die plötzlich vor unseren Augen in den gehaßten Ketzer verliebt wird: sie widerstrebt da ganz natürlich. – Therese, deren Pflegetochter Mlle. Minna Unzelmann. Höchst überflüssig in einem so ernsten Stück. Könnte, mit ihren allegorischen Hiazinthen, nicht interessiren, selbst wenn sie vorzüglicher gespielt würde. – Die übrigen Rollen sind sehr untergeordnet. – p –
Wer so sehr die Profanation ehrwürdiger Gegenstände durch die Bühne gefürchtet hat, bedachte dabei nicht: daß (die älteren geistlichen Schauspiele der Jesuiten nicht einmal zu erwähnen) ja schon Racinens Athalia, und Voltaire’s Saul religiösen Inhalts waren. Bekannt ist des letzteren Ausspruch: Tous les genres sont bons, excepté le genre ennuyeux. Es ist nun von keinem weiteren Streit die Rede, als von dem über das Kunstwerk selbst. Vereinigt sind die Stimmen indeß noch nicht, dürften es auch sobald nicht werden, doch ist das Urtheil ziemlich allgemein: daß das Stück neben vielen glänzend ausgezeichneten Schönheiten der Ausführung, von dem Vorwurf mancher sehr bedeutenden Fehler des Plans, nicht zu retten sey. Mag das aber auch; die ersteren ziehen in dem Maaß an, daß bisher noch immer häufiger Zuspruch statt fand, wogegen Schauspiele, an denen die Regelmäßigkeit laut gerühmt ward, bald das Haus leer ließen. Es spricht allein schon für das Talent des Dichters, die Menge zu gewinnen. Man kann indeß auch nicht leugnen, daß Ifflands meisterhafte Darstellung, der reiche Pomp, auch die vor der Aufführung schon geführten Debatten etc. ihren großen Antheil an dem Gedeihen haben. – Iffland gab die Scene mit der Flöte heute treflicher noch als bisher. Auch das war eine Verbesserung, daß er auf dem Reichstage erst die Bücher ansah, eh’ er sie anerkannte. Großer Beifall folgte ihm fast bei jedem Abgang. – Vorzüglich schön, begeistert und begeisternd, sprach Theobald heute seinen prophetischen Schwanengesang im letzten Akt. Die einzige gegründete Ausstellung, die man gegen die talentvolle Künstlerin, welche diese Rolle giebt, sonst machte, war, daß ihre Stimme, so schön sie im Gesange ist, im Sprechen nicht immer biegsam und sanft genug schien. Aber wie sie heute diese poetische Rede vortrug, bewies sie, daß es ihr nur Aufmerksamkeit und Sorgfalt kostet, um ihrer Sprache die einnehmendste Sanftheit und Biegsamkeit zu geben. – Hr. Beschort, als lustiger Rath, spielte heut die Scene mit dem Kaiser in einem raschern Tempo als sonst, und so doppelt wirksam. Ueberhaupt werden bei jeder Vorstellung in den einzelnen Rollen und in der Anordnung der Scenen, immer neue Verbesserungen sichtbar. Um nur eine der Art zu erwähnen: der sehr charakteristische Vorgang, daß dem Kaiser das Scepter entfällt und er einen Kurfürsten auffordert, es zu tragen, war heute so geordnet, daß er mehr als sonst, in die Augen fiel. – Ueber die Musik ist noch nachzuholen, daß der Componist den Chor der Bergleute sehr charakteristisch begleiten läßt, so daß die Instrumentirung das Geräusch ihrer Arbeiten unterstützt. Es ist dies aber gar nicht eine der gewöhnlichen musikalischen Spielereien, vielmehr hat der Gesang dennoch einen sehr sinnvollen, der tiefen Allegorie völlig angepaßten Styl. / - p -
Hr. Bethmann
Hr. Herdt
Hr.
Gern
Hr. Eunike
Hr. Unzelmann
Hr. Maurer
Hr. Blume
Hr.
Berger
Hr. Lemm
Hr. Beschort
Hr. Gern S.
Hr. Bessel
S.
Hr. Rehfeldt
Hr. Mattausch
Hr. Kaselitz
Mad.
Beschort
Hr. Labes
Mll. Beck
Hr. Rüthling
Mad.
Sebastiani
Mad. Schröck
Mlle. Eunike
Hr. Bessel
Hr.
Holzbecher
Hr. Wauer
Hr. Leidel
Hr. Benda
Hr.
Weitzmann
Hr. Buggenhagen
Mlle. Reinwald
Nationaltheater: Weihe der Kraft, Die (bearbeitet von Klaus Gerlach), Berliner Klassik, hrsg. v. der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, 2003-2013. URL: https://berlinerklassik.bbaw.de/nationaltheater/theaterstueck/382.
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