Corolian, einer der glücklichsten und tapfersten Feldherrn der Römer, war
(im J. 486 v. Ch. G.) aus Rom verbannt. Er ging nach Antium zu den Volskern,
die damals die gefährlichsten Feinde der Republik waren, bewegte sie zum
Kriege gegen sein Vaterland, und belagerte an ihrer Spitze Rom. Vergeblich
stehen ihn der Senat und das Volk um Schonung an: er bestand darauf sich
durch den Untergang der Stadt zu rächen. Endlich zogen seine Mutter und
seine Gattin, an der Spitze aller römischen Matronen zu ihm heraus: und von
den Bitten der Erstern gerührt, hob er die Belagerung auf, kehrte nach
Antium zurück und wurde nach der Behauptung der Sage, in einem Aufstande
ermordet; nach einer andern, verbrachte er sein langes übriges Leben in
dunkler Ruhmlosigkeit. Bekanntlich hat Shakespear aus dieser Begebenheit ein
Trauerspiel voll rauher, erhabener Kraft gebildet, dessen energische
Naturwahrheit in Erstaunen setzt, ohne schön zu sein. Eine Vergleichung
desselben mit Collins Ausführung und eine Beurtheilung der letztern, wird an
einem andern Orte gegeben werden. Hier nur der Inhalt des Stücks, und über
die Darstellung. / Der erste Akt zeigt uns Coriolans Mutter, Gattin und
Kinder, vor dem Altar ihrer Hausgötter, um Glück für ihn flehend, da er eben
vor dem versammelten Volke angeklagt wird. Die Herzensergießungen und die
Besorgnisse, welche die beiden Frauen einander mittheilen, werden von einem
Freund durch die Nachricht unterbrochen, Coriolans Feinde hätten
gesiegt, er sei verbannt. – Coriolan selbst erscheint und zerreißt voll
Zorn die Ehrenkränze, die er vom Volk durch seine Siege erworben
hatte. Indeß seine Mutter und seine Gattin bald mit ihm rechten, bald mit
ihm klagen, bringt Minutins [!], der Freund, die zweite Nachricht: das Volk
habe geschworen, nicht eher die Waffen gegen das anrückende Heer der Volsker
zu ergreifen, bis Coriolan die Stadt verlassen habe. Nach einem
schmerzvollen Abschiede eilt er fort, ohne sein Vorhaben zu verrathen. / Im
zweiten Akt sieht man die feierliche Versammlung der Volskischen Feldherren
im Lager. Sie sind uneins, wechseln bittre Reden, vorzüglich wegen
Coriolans, dessen Gastfreund einer von ihnen ist, den ein andrer tödtlich
haßt, den alle fürchten. Plötzlich erscheint er selbst in ihrer Mitte,
erzählt sein Schicksal, erbietet sich gemeinschaftliche Sache mit ihnen
gegen Rom zu machen. Sie übergeben ihm den Oberbefehl über ihr Heer, doch er
besteht darauf, ihn mit Markus Attus zu theilen, und wird durch den Drang
der Umstände gezwungen, einen ewigen Bund bis zum Tode, mit den Volskern zu
beschwören. / Der dritte Akt führt uns auf den Marktplatz des schon
eroberten Corioli. Beide Feldherren besteigen die Rednerbühne. Als
Gesandschaft der Römer an Coriolan, erscheint sein Freund Minutius, sein
Erzieher Sulpitius, der oberste Pontifex, und eine Anzahl der edelsten
Römer. Coriolan weist Vorstellungen, Bitten und Drohungen mit Härte und
Stolz zurück: und als man ihm droht, seine Mutter für sein Benehmen büßen zu
lassen, giebt er sogleich Befehl, dass das Heer gegen Rom selbst aufbrechen
solle. – Der Pontifex versucht ihn mit den Göttern zu schrecken: er beschämt
ihn. Dem Greise Sulpitius aber glückt es, ihn in einem einsamen Gespräch von
dem Kleinlichen und Verbrecherischen seines Beginnens zu überzeugen, aber
als er den Eid erfährt, den Coriolan geleistet hat, weiß er ihm keinen
andern Ausweg vorzuschlagen, als freiwilligen Tod. – Coriolan setzt indeß
seinen Weg fort. / Im vierten Akt steht er vor Rom. Sein Heer ist voll
Ungeduld, sogleich den Angriff zu bereiten: doch er, schon schwankend, schon
wieder mit Besorgniß um die Vaterstadt, befiehlt ihm zu rasten, und wartet
ungeduldig, ob die Römer ihm nicht eine neue Gesandschaft senden werden.
Statt deren findet sich der Zug der Römischen Matronen im Lager ein. Er
lässt nur seine Mutter und seine Gattin vor sich: er wird von dem Bitten und
dem Zürnen der Erstern überwältigt, und verheißet Rom zu retten. / Im
fünften Akt ist schon der Waffenstillstand geschlossen, und Coriolan
befiehlt seinem Heere den Rückzug. Attus, der andre Feldherr, weigert sich
dessen: er will mit seiner Abtheilung den Angriff fortsetzen; es entsteht
ein Zwiespalt im Heer. Zwei Unterbefehlshaber des Attus bieten dem Coriolan
an, mit ihm gemeinschaftliche Sachen zu machen, nach Hause zu ziehen. Er
weißt sie mit Verachtung zurück , aber sein Feind Lukumor, der bei jedem
Anlaß die Volsker gegen ihn aufzuhetzen sucht, nimmt davon Gelegenheit, mit
einer Anzahl Gleichgesinnter, ihn ermorden zu wollen. Sein Gastfreund, sein
Legat und deren Anhänger vertheidigen ihn, aber Coriolan hält sich durch den
Anfall seines beschwornen Bundes entledigt, und - - und – ersticht sich
selbst. / Das Stück hat mehrere Scenen von hoher, hinreißender Schönheit,
aber es ist wenig richtig motivirte Handlung darin; die Charaktere sind
kraftvoll angelegt, aber nicht gut gestellt, und nicht durchaus gehalten. Es
ist ein neuer glänzender Beweis von Collins Genie, das dazu berufen scheint,
einst den höchsten dramatischen Preis in Deutschland zu erlangen: - doch es
lässt kalt. / Gespielt wurde es fast durchgehends vortrefflich. Hr. Beschort
zeigte, als Coriolan den stürmischen, leidenschaftlichen Helden, dessen
höchste Kraft in seinem Selbstgefühl und Muthe liegt, und der das Höchste
auszuführen vermag, weil er Entschlossenheit genug besitzt, es zu
unternehmen, - eben so wahr und schön als den kindlich fühlenden Sohn und
den zärtlichen Gatten. Nur widerfuhr es ihm zuweilen, wiewohl nur immer für
ein Paar Zeilen, in den Conversations-Ton zu fallen. […] Die Aufnahme des
Stücks war heute lebhaft, und Herr Beschort wurde herausgerufen.
Nationaltheater: Coriolan (bearbeitet von Klaus Gerlach), Berliner Klassik, hrsg. v. der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, 2003-2013. URL: https://berlinerklassik.bbaw.de/nationaltheater/theaterstueck/441.
Link zu den API-Daten: https://berlinerklassik.bbaw.de/api/nationaltheater/theaterstueck/441