Herr Rochus Pumpernickel. Ein musikalisches Quodlibet in 3 Akten, von Herrn Stegmayer. Musik von mehreren Komponisten. Daß Herr Stegmayer ein musikalisches, nicht aber auch ein literarisches Quodlibet sagt, ist sehr unrichtig, da im ganzen Stücke nur einige veränderte Worte (die Namen und verschiedene Anhängsel) ihm gehören, sonst nicht ein Charakter, nicht eine Situation sogar. Der gesammte Federschmuck der Art, worin er einherzieht, gehört Vater Molieren. So wie der Verfasser des Hieronymus Knicker, eine Figur aus dem Avare und die ganze Entwickelung aus dem bourgeois gentilhomme entlehnte, so ist Herr Stegmayer, was das Entlehnen anlangt, noch viel weiter gegangen, zu welcher Behauptung die Literatoren die erforderlichen Belege im Rochus Pumpernickel leicht auffinden werden. Indeß sind die hier aneinander gereiheten Gestalten und Zusammenstellungen, wegen des Gepräges das ihnen der alte Meister gab, von höchst komischem Erfolg, wiewohl oft sehr chargirt und wie man zu sagen pflegt, bei den Haaren herbeigezogen; auch ist viel neue possierliche Poesie in den Gesängen. Wenn man nun gleich die Kritik, wofern sie folgerecht bleiben und sich nicht in ihrem ganzen Wesen selbst aufheben will, eine solche Schöpfung nicht anders als tief verwerfen kann; so bleibt es doch bei dem allen ein Anderes um die Kritik, ein Anderes um den Genuß. Schon manches ist beliebt und belacht worden, das die Kritik billig verdammte. Das Lachen ist ja so harmlos, oft wohlthätig, mag doch das, worüber man lacht, immerhin alt und von andern entlehnt seyn, was kann am Ende daran liegen? Daher lasse sich durch den an einer Seite wohlbegründeten Tadel Niemand die Lust verleiden, über Pumpernickel zu lachen. Zudem wenn auch der Kenner gleich bei der Exposition dieses Stücks vorhersehen kann, der ganze Inhalt werde auf eine, durch Vertreibung des Nebenbuhlers gelungene, Liebesintrigue, und die Bekehrung eines eingebildeten Kranken hinauslaufen, so giebt es doch auch Viele, denen das in diesen Formen würklich neu ist. Die Gesänge sind nach Art der franz. Vaudeville–Stücke zusammengebracht, doch mit sehr ungleicher Wahl. Man hört edle und angenehme Melodien von Mozart, Salieri, Paesiello, Martini, Weigl und wieder Dittersdorfsche, Müllersche Gassenhauer, sogar den: lieben Augustin. Nun jene hört man, gut vorgetragen, gern wieder, diese behagen auch wohl einmal – selbst auf der Drehorgel. Daß Künstler, wie vom Berliner Theater, Rollen die sich meistens selbst spielen, zweckmäßig geben werden, läßt sich wohl erwarten. Wer auch nicht der Vorstellung beiwohnte, kann vorempfinden, wie Unzelmann als Kranker in der Einbildung stöhnen werde. Weitzmann verdient in der Hauptrolle allen Beifall. Das Linke, Verlegne, Geplagte, Furchtsame gelingt ihm vollkommen, wie es die Rolle verlangt. Stich giebt den Bedienten flink, regsam, lebendig. Mlle. Ritzenfeldt hat wegen der Laune womit sie die Dorothee darstellt, auf Lob gerechnete Ansprüche. u. s. w. Am heutigen Abend das Publikum zu beobachten, war anziehend. Es wollte im Anfang sich das Lachen durchaus nicht gestatten, verfeinerten Geschmack, alten Takt des richtigen Gefühls über ästhetischen Werth oder Unwerth behaupten. Wollte die Natur bei Einzelnen dem inneren Zuge folgen, verwies es der Mehrheit Kunstsinn mit tadelndem Zischen. So griffen die Scenen des ersten Aktes noch gar wenig ein, und man hätte damal dem Stück eine schlimme Würdigung zuvorsagen mögen. Doch da hernach Kinder erschienen auch Pumpernickel im Frauen-Gewande auftrat, siegte das Zwerchfell in der Geschmacks-Controverse, und weil Unzelmann zuletzt auch noch eine kleine captatio benevolentiae anbrachte, war das Stück vom Fall gerettet, und dürfte sich nun fernerhin wohl guten Zuspruchs erfreuen. – Wie es heißt, werden die Benefiz-Vorstellungen in diesem Winter noch manches Neue und Originelle liefern. Zu Mll. Maaß Benefiz-Vorstellung, sagt man, wird, ein Lustspiel erscheinen, das zugleich ein Concert einschließt, eine neue Oper, Deodatha, läß mit Recht viel erwarten u.s.w.
Apollo und seine Töchter, daß dergleichen uns nicht oft dargestellt werde; leider waren vor 30 Jahren die Quodlibets als Gedicht auf unsern Hochzeiten Mode; aber auf der Bühne möchten wir sie doch oft verbitten. Ref. gesteht gern, daß ihm das Gähnen näher als das Lachen war. Der Witz eines solchen theatralischen Quodlibets ist den ähnlichen Hochzeitsgedichten völlig gleich zu stellen. Den Anfang eines solchen, welches vor 30 Jahren in Berlin viel Aufsehen machte, wollen wir hier aufstellen: Ein Quodlibet das schmeckt so gut Als wie ein Kälberbraten; Als Linz einmahl zur Hochzeit bat, So hat er auch gleich Pathen. u. s. w. An dem Pröbchen haben wir genug. – Herr Rochus Pumpernickel, ein reicher Landmann, reitet nach Wien, um ein dortiges Quasi-Fräulein, mit Hülfe einer eigennützigen Stiefmutter, zu heirathen. Er hat einen beglückten Nebenbuhler; dieser läßt durch seinen klügern Bedienten den Pumpernickel bei seinem Einzuge vom Pöbel verlachen, nimmt sich seiner an, und logirt sich mit ihm bei einem Arzt ein, welcher den Landmann von der Milzsucht kuriren soll. Seinem sich krank deutenden künftigen Schwiegervater bringt man dadurch von der Heirath ab, daß ein verstellter Kaufmann (der Bediente des begünstigten Liebhabers) vorgiebt, 10,000 Gulden an Pumpernickel zu fordern zu haben. Zwei Weiber werden angestellt, sich mit dem Rochus verheirathet anzugeben. Die eine präsentiert sogar 8 tüchtige Jungen; zuletzt wird dem eingebildeten kranken Vater noch weisgemacht, der Rochus habe seine Tochter entführt, der begünstigte Liebhaber aber befreit sie und erhält sie zur Belohnung. Das ist die Beschreibung und das Lied, was wohl eine Stunde aber nicht drei unterhalten kann. Nach Ref. Meinung ist die einzige wirklich komische Scene, wo beide Weiber und die 8 Bengel den armen Rochus bearbeiten. - Pourceaugnac und der Malade imaginaire von Moliere haben den Stoff zu dieser Farce gegeben, wie man sieht. Der Beneficiant, die Gernsche Familie, die Hauptperson (Hr. Weitzmann) haben dem herbeigezogenen Komischen durch wirklich komische Züge sehr gut nachgeholfen, das Eunikesche Ehepaar als primi amoroli thaten, so wie der listige Bediente (Hr. Stich) das ihrige treulich zur Aufnahme des Stücks, welches die Sonntags-Vorstellungen wohl füllen wird, und alsdenn ad patres gehen. Die Musik ist zusammengestellt. Ein herrlich Quartett aus Salieris Palmira wurde von den Herren Eunike, Stich, Bauer und Gern sehr schön vorgetragen, und der liebe Augustin, war in der Balgerei der Weiber nebst Jungen um den Pumpernickel, sehr an seiner Stelle. J. C. F. R.
Noch ein paar Worte über Herr Rochus Pumpernickel. Er gehört, in Wien, zu den sogenannten Faschingsstücken, an welchen das Volk sich belustigt. Er wird auf den Leopoldstheater gegeben, und wurde in seiner Neuheit von Herrn La Roche, dem so gern gesehenen Kasperle, dargestellt, der auch sein Pathe ist. Auf jenem Theater, einer Abwechselung für den gebildeten Theil des Publikums, und ergötzend für das Volk, wird er mit aller komischen Ueberladung und Uebertreibung gesehen, die der Ort sowohl als der Gegenstand erlauben. Dem Hausknechte Sebastian werden die drolligsten Zusätze, die derbsten Späße zu Gute gehalten. Alle, selbst die Liebhaber, müssen als Karikaturen auftreten, handeln, singen. Ein ansteckender Narrenschnupfen bemächtigt sich aller. Das Tyroler Volkslied wird nicht bloß gesungen, auch dabei getanzt, und im dritten Akt ist eine prunkreiche Dekoration des wirklichen Apollosaals von Wolfssohn, auf welchem ein buntes Quodlibet von Wien zu sehen ist, wodurch das Schauspiel zugleich verlängert und verkürzt wird.
Lobrede auf Rochus Pumpernickel. (eingesandt.) Nichts ist auf dieser Erde gewöhnlicher als Leute, die sich bemühen und durch Eifer oder Talente nützlich zu seyn, durch Neid und Uebelwollen herabgewürdigt zu sehen. Man zieht aus ihren Anstrengungen allen möglichen Genuß, und schwärzt sie nachher an; man benutzt ihren Willen, und Verachtung und Spott werden ihr Lohn dafür. Das ist offenbar der Fall bei dem guten bescheidenen Pumpernickel, bei dem man von Herzen lacht und ihn hinterdrein doch einen flachen elenden Spaßmacher schilt. Dieser Unbilligkeit wegen ist es endlich wohl Zeit, daß ihm zu Gunsten Jemand seine Stimme erhebe. Es ist nicht fein, daß man einen Stein auf einen Fremden werfe, der uns zu einer Zeit lachen macht, wo wir des Spaßhaften sonst eben nicht zu viel sehen. Da ich nicht die Ehre habe, weder ein alles umwälzender Philosoph, noch ein mystischer Dichter, weder ein Zuhörer ästhetischer Vorlesungen, noch ein Schöngeist, weder eine empfindsame Dame, noch Mitglied irgend einer gelehrten Gesellschaft zu seyn; so darf ich ohne Scheu und Umschweif bekennen, daß mich Freund Pumpernickel von Herzen lachen macht, und ich lasse seinen Talenten alle mögliche Gerechtigkeit widerfahren. Das Wort Talent muß dich nicht erschrecken, liebes Publikum. Was man auch dagegen sagen mag, so erfordert es mehr Talent als man sich wohl einbildet, um bei zwei oder drei Stunden ununterbrochenen Unsinns dennoch die Aufmerksamkeit der Zuhörer zu fesseln. Uebrigens giebt es ja auch Talente mancherlei Art; ich will nicht behaupten, daß das Talent meines Freundes Pumpernickel so ehrwürdig und achtungswerth als das eines Professors der Geschichte oder der Politik sey, aber auf der andern Seite hat er auch wieder das große Verdienst durchaus verstanden zu werden; und kann man wohl von allen Vorlesungen aufrichtig dasselbe sagen? Was die Moral betrift, so kenne ich keinen Redner, der so viel für meine Besserung thäte als der gute Pumpernickel; nachdem ich mich auf seine Kosten recht belustigt, komm ich so guter Laune nach Hause, daß ich meine theure Ehehälfte, ihrer kleinen Fehler ungeachtet, recht angenehm finde. Ich erzähle die Thaten und Herrlichkeiten meines Helden meinen Kindern, und der Wunsch: am nächsten Sonntage selbst Augenzeuge davon zu seyn, macht sie so artig und fleißig, daß ich gar nicht mehr zu schelten brauche. Man glaube aber ja nicht daß mich meine Vorliebe für Pumpernickel die andern Stücke vernachlässigen läßt. Im Gegentheil, so bald ich höre daß irgend eines recht Mode ist, so gehe ich so gut als ein Anderer hin; ich habe, wie Alles um mich her, in Clementine, in Götz von Berlichingen u. s. w. geweint; aber mit der Rührung ist’s nicht gethan, man muß auch wieder nach Hause, und dann! – obgleich ich einen recht guten treuen Bedienten habe: lieber Himmel, wie weit steht er an Vollkommenheit dem berühmten Paul nach! meine Frau, einige kleine Launen abgerechnet, die beste Frau von der Welt, ist doch an Heldensinn mit Götz’s tugendhafter Gefährtin nicht zu vergleichen. Dann werde ich mit Unwillen gewahr wie viel leichter es der romantischen Einbildungskraft eines Schriftstellers ist, die Vollkommenheit zu schaffen, als es der Natur leicht wird, ein solches Ideal zu erreichen; das betrübt mich nicht wenig, und dies ist noch ein Verdruß den mir Pumpernickels unschuldige Lustigkeit erspart. Ich kann das Lob dieses theuren Freundes nicht enden, ohne der Allerhervorleuchtendsten seiner Eigenschaften zu erwähnen. Man weiß, mit welchem Vergnügen, welcher Verschwendung die Herren Theaterrezensenten ihr Lob ausspenden; nun können sie sich bei jenem Stücke ganz ohne Gewissensbisse dieser unschuldigen Freunde hingeben und von Allen Gutes sagen, ohne der Wahrheit zu nahe zu treten. Ich hoffe auch, daß sie ihrer löblichen Gewohnheit gemäß über das Talent eines jeden Schauspielers vom Ersten bis zum Letzten in Entzücken gerathen und weder die acht kleinen Pumpernickel, die einen wundervollen Lärm machen, noch das sanfte ehrliche Pferd, das seine Rolle mit eben so vielen Anstande als Bescheidenheit spielt, vergessen werden. Was den Lampenputzer betrift, so ist sein Verdienst, obgleich im Verborgenen, deshalb nicht minder nützlich; es wundert mich nicht wenig, daß er bis jetzt das hartnäckige Schweigen der Rezensenten so geduldig ertragen hat; aber man sieht wohl, daß der arme Teufel kein Geld übrig haben muß, sonst hätte er sicher nicht ermangelt in den Zeitungen dagegen einzukommen
Hr. Unzelmann
Mad. Herdt
Mlle. Leist
Hr. Kaselitz
Hr. Stümer
Hr. Weitzmann
Hr. Gern
Hr. Wauer
Hr. Benda
Hr. Rehfeldt
Mlle. Ritzenfeldt
Mlle. Gern
Hr. Gern S.
Hr. Stich
Nationaltheater: Herr Rochus Pumpernickel (bearbeitet von Klaus Gerlach), Berliner Klassik, hrsg. v. der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, 2003-2013. URL: https://berlinerklassik.bbaw.de/nationaltheater/theaterstueck/453.
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