Mahomet

Sparte/Genre:
Trauerspiel
Personen:
Autor:
Francois Marie Voltaire (eigentl. Arouet)
Bearbeiter:
Johann Wolfgang von Goethe

Liste der Aufführungen

Aufführungsdatum: 29.12.1810
Rezensionen
Zettel
Uhrzeit:
18:00
Ort der Aufführung::
NT S1
Nationaltheater von A-Z:
Mahomet. Trauerspiel in Fünf Akten, nach Voltaire, vom Herrn von Göthe
Quelle:
ThZ SBBPK
weitere Informationen:
Zum Erstenmale
Anzeige. Morgen, Sonntag den 30. December, auf Begehren: Die Jungfrau von Orleans, romantische Tragödie in 5 Akten, von Schiller
Rollenfeld:
Hr. Beschort
Iffland
Hr. Lemm
Hr. Rebenstein
Mlle. Beck
Hr. Labes
SBB_IIIA_yp_4824_2100_18101229_347.jpg
Dateiname: SBB_IIIA_yp_4824_2100_18101229_347.jpg
Rezension:
Zeitung:
Haude- und Spenersche Zeitung
Aufführungsdatum:
1811-01-01
Nummer:
1
Autor:
ungez.

Mahomet, Trauerspiel nach Voltaire, von Göthe
Wie bei Tancred, hat Göthe hier eine Verdeutschung im edlen Sinne des Wortes vollendet, die Schönheiten des Originals nach den Bedingungen unsrer Spracheigenthümlichkeit wiedergegeben, und was an einer Seite nothwendig verloren ging, an der anderen aufgewogen. Dem anmuthigen Feuer des französischen Dichters stellte der vaterländische einen männlichen, bedeutenden, obwohl ruhigeren Ausdruck entgegen. Mehr hinreissend bleibt Voltaire, was schon seine Alexandriner in ihrem klanghaften Wohllaute begründen, die bezaubernde Wirkung des Augenblicks ließ sich in deutschen Jamben nicht erreichen, doch tiefer rührt Göthe, der Nachhall des treffend und mächtig Gesagten bleibt länger in der Seele zurück. Einer blendet mehr durch helle Farbenspiele, der Andere leuchtet mit seiner Fackel dergestalt auf die Gegenstände hin, daß man sie besonnener zu erkennen vermag. Dem Interesse nach, steht aber Mahomet unter Tankred, denn Voltaire hat den glücklichen Religionsstifter einmal mit seinem gewöhnlichen – nach seinen Zwecken freilich auch zu vertheidigenden – Haß gegen Theosophen gezeichnet, und bei einem so wichtigen Stoff auch den gebotenen Einheitsregeln, welche einen Charakter in den möglichst engen dramatischen Fokus zu bringen aufgeben, zu ängstlich Folge geleistet. Willkommener dürfte ein Mahomet auf der Bühne seyn, an welchem der Dichter über jene Regeln mit Freiheit hinwegblickte, und sein Gemälde zu einem fast epischen Umfang erweiterte. Dann könnten immer noch der Trug (L’Imposture) der ungezähmte Ehrgeitz, der Tyrannensinn des Helden zum Vorschein kommen, aber auch die erschütternde Kraft, womit er sein Zeitalter zu bewegen verstand. Die Verkettung würde anschaulich, welche einst jene ihm huldigenden Völker so schnell und gewaltig aneinander band, deren Element – Mahomets heiß morgenländische poetische Abentheuerlichkeit mit einer seltenen Konsequenz gepaart – Helvetius in seinem Werke: vom Geist, vortrefflich beleuchtete. Dies hieße Mahomet Gerechtigkeit zuwenden. Wir haben es jedoch mit dem Trauerspiel zu thun, wie es einmal vorhanden ist. Die Aufführung entsprach seinen, übrigens immer noch zahlreichen, Schönheiten. Ein mit Geschmack und angemessen verziertes Theater, wohlgewählte Kleidungen. Der Schauspieler, dem die Rolle Mahomets zugetheilt war, gab sie mit edlem Anstand, einnehmendem Geberdenspiel und sinniger Sprache. Da aber in dieser Rolle eine gewisse flammende Heftigkeit liegt, und die Natur des Künstlers, der sie gab, mehr zum sanft Fühlbaren sich hinneigt, so meinten einige Zuschauer, sie passe eigentlich für Herrn Mattausch, was Ref. dahin gestellt seyn läßt. Wer den Begriff, welchen er von einem morgenländischen hohen Patriarchen in sich trägt, durch ein Außenbild versinnlicht begehrt, gehe hin und sehe Iffland den Scherif Sopir darstellen. Dies sey genug über ihn. Die kindlichen, liebenden, dankbaren Verhältnisse mit Rührung und Jugendleben wahrnehmend, spielte Herr Rebenstein als Seide, und legte einen neuen Beweis ab, es sey ihm vollen Ernstes darum zu thun, einen vorzüglichen Rang im Gebiete der Kunst zu erwerben. Mll. Beck, als Palmire, empfing lauten und wohlverdienten Beifall.

Rezension:
Zeitung:
Vossische Zeitung
Aufführungsdatum:
1811-01-01
Nummer:
1
Autor:
ungez.

Königliches Nationaltheater Den 29 Dezbr. zum erstenmale: Mahomet, Trauerspiel nach Voltaire von Göthe. Voltairs Mahomet war Friedrichs II. Lieblingstrauerspiel. Im Jahr 1742 hatte es ihm der Verfasser zugeeignet. Sie sollen mehrere Auftritte zusammen aufgeführt haben. Voltaire war Zopire, Friedrich Mahomet. Endlich widerstand der König nicht länger. Als 1774 Aufresne nach Russland reisete, und über Berlin kam, mußte er vor dem Könige spielen. Im folgenden Jahre traf Le Kain die Reihe. Beide führten Mahomet auf, mit dem Unterschiede, daß Aufresne den Zopire, Le Kain den Mahomet gab. Ich sah beide, leider nicht zusammen, sondern hintereinander, den 30sten Juli 1774 und den 20sten Juni 1775. Zopire machte auf den damaligen Jüngling einen tiefern, Mahomet einen stärkern Eindruck. Ich sprach fast wie Seide, „Ich höre Gottes Stimme!“ Solch’ einen Mahomet giebts nicht wieder. Le Kains Größe, Gestalt, Feuerauge, Donnerstimme; man denke sich dieses zusammen. Selbst seine Häßlichkeit (er glich dem Mirabeau) hielt sich hinter Bart und Turban verborgen. Aufresne hingegen bestach durch die lebendigste Natur; sein zitterndes Organ, sein schöner Kopf, seine priesterliche Haltung, seine Innigkeit, seine Ahndungen, die Stimme des Blutes in ihm, zauberten die Wirklichkeit, Arabien und Mecca, in das kleine Schauspielhaus bei Monbijou hin. Lebendig rief ihn nur an diesem Abend Hr. Iffland zurück. Den Mahomet fand ich nicht wieder. Le Kain machte nicht eine einzige schwingende Bewegung mit den Armen. Sie ruhten orientalisch übereinander. Er stand oft ganz unbeweglich. Nur mit dem Auge begleitete er die Sprache. Langsam und hohl, mehr als gebietend und rauh war seine Stimme: das Rauhe, das Gebietende lag im Omar. Le Kains Ausdruck des Stolzes war unbeschreiblich. Er wirkte sogar auf die Zuschauer. Sein erstes Erscheinen im zweiten Akt, sein Auftritt mit Zopiren, seine Schlußszene, und die Worte: Il est donc des remords? bleiben mir unvergeßlich. Was legte er nicht in das kleine Wort remords? Wie zitterte nicht die zweite Hälfte des Worts unwillkürlich aus ihm hervor? Wie sprach die Scham aus ihm bei dem Geständniß (Akt 2. Sc. 6), auch er, er Mahomet, müsse dem Pöbel zu gefallen streben. „Il faut pourtant lui plaire“. Diese Stelle hat Hr. von Göthe, ich weiß nicht warum, also verändert – „Achtest du den Pöbel? – Nein, doch muß er uns verehren;“ welches geradezu ein Widersinn ist. Doch es ist Zeit, oder vielmehr kaum noch Zeit, auf die heutige Vorstellung zu kommen. Herr Berschort (Mahomet) war nur stellenweise gut, Er gab den Auftritt mit Sopir, den mit Seide, „Verwegner, halt!“ überaus schön; Palmiren gegenüber war er schwankend. Sopir (Herr Iffland) war, wie schon oben erwähnt worden, ganz Aufresne. Selbst sein weißes Haar, im vierten Akt, erhobet die Wirkung. Er sprach das Gebet in heiliger Ferne, den Segen über seine Kinder im Augenblicke des Sterbens mit patriarchalischem Wesen aus. Auch im dritten Akte mit Seiden lag im Blick und Rede ein unwiderstehlicher Zug. Wohl sagt Seide mit Recht: „Ich fühle mich hinweggezogen zu dir, zu dir.“ Seide (Hr. Rebenstein) hat diese Scene und den ganzen vierten Akt mit vieler Kraft, das Uebrige mit Anmuth gegeben, bis auf die Scene, wo Mahomet ihm droht, und die letzte Erscheinung im fünften Akt. Palmieren (Dlle. Beck) gebührt das vollste Lob. Sie stieg zu einer Höhe, die nur von Wenigen erreicht werden dürfte! Ich wüßte nicht, was die strengste Kritik an ihr vermisse könnte. Omar (Hr. Lemm) hat der schönen Scene mit Sopir im ersten Akt Genüge geleistet. Ich behagte Weichheit; es lag aber nicht die geringste Spur davon in ihm. Er war ganz der Mann seiner Rolle. Bei der nächsten Anzeige will ich mein Urtheil über die Uebersetzung wagen.

Aufführungsdatum: 04.01.1811
Rezensionen
Zettel
Ort der Aufführung::
NT S1
Nationaltheater von A-Z:
Mahomet. Trauerspiel in Fünf Akten, nach Voltaire, vom Herrn von Göthe
Quelle:
ThZ SBBPK
weitere Informationen:
Zum Erstenmale wiederholt
Anzeige. Morgen, Sonnabend den 5. Januar, wird auf Begehren gegeben: Herr Rochus Pumpernickel
Sonntag, den 6. Januar, wird im Königl. Opernhause gegeben: Die Weihe der Kraft, Ritterschauspiel in 5 Akten. Einlaß-Billets, zu den bekannten Preisen, sind bey dem Herrn Kastellan Dölz im Opernhause zu haben
Rollenfeld:
Hr. Beschort
Iffland
Hr. Lemm
Hr. Rebenstein
Mlle. Beck
Hr. Labes
SBB_IIIA_yp_4824_2100_18110104_004.jpg
Dateiname: SBB_IIIA_yp_4824_2100_18110104_004.jpg
Rezension:
Zeitung:
Vossische Zeitung
Aufführungsdatum:
1811-01-08
Nummer:
Autor:
ungez.

Königliches Nationaltheater. Den 3ten: Mahomet. Die zweite Vorstellung dieses Trauerspiels setzte das Talent und den Fleiß der Spielenden in ein neues Licht. Mit dem Ueberblicke des Ganzen fertig, konnte der Zuschauer mehr Aufmerksamkeit auf die einzelnen Theile wenden, in jede Rolle eingehen und den Werthe ihrer Ausführung Gerechtigkeit wiederfahren lassen. Meines Bedünkens ist Mahomet nicht die erste Person. Er erregt wohl Schauder und eine Art von Bewunderung, aber kein Interesse. Seine Politik ist alles; seine Liebe für Palmiren weniger als nichts. Seine Erscheinung in Mecca hat zum Zweck, Sopiren zu gewinnen, durch Vorspiegelung von Ehre, von Vortheil, von Rückgabe seiner Kinder; und nachdem dieses nicht gelungen, folgt er dem Rathe Omar’s, und lässt Sopiren durch Seiden (den Sohn), dem er Palmiren (die Schwester) zur Ehe verspricht und vorher Gift beibringen ließ, ermorden. Dem kalten Ungeheuer läßt sich kein Interesse abgewinnen. Nur im zweiten und dritten Akte liegt Großes in seiner Rolle. Alles Interesse ruht auf Sopir, Palmire, Seide und dem unbekannten Verhältnisse, in welchem sie stehen, und welches auf eine so grauenhafte Art aufgedeckt wird. Sobald Sopir die Worte gesprochen: „Sie waren meine Kinder!“ ist das Stück zu Ende. Auch hatte Voltaire seinem Trauerspiel anfangs den Titel: Der Fanatismus, gegeben. Nur nachdem der Abbé Desfontaines ganz Paris mit dem Argwohn erfüllt, Voltaire wolle die Religion überhaupt als Fanatismus verschreien; nachdem es ihm gelungen, nach der dritten Vorstellung das Stück von der Bühne zurückzudrängen, veränderte Voltaire den Titel, und brachte es 1751 als Mahomet wieder zum Vorschein. Jetzt glaubte man einzusehen, daß er nur gegen die Mahomedanische Religion zu Felde ziehe, und wurde beruhigt. Dieses, und wie sehr Voltaire an diesem Trauerspiele gefeilet, geändert, den ganzen 5ten Akt umgeschmolzen u.s.w., ersieht man aus seinem gedruckten Briefwechsel. Hieraus lassen sich alle Unwahrscheinlichkeiten im Stücke zwar nicht entschuldigen, aber doch erklären, warum Seide bald freiwillig, bald als Geißel erscheint; warum Mahomet Gewalt über ihn u. Palmiren behält, obschon beide in Sopirs Pallaste sind; warum er und seine Krieger in diesem Pallaste freien Zugang haben, u.s.w. Die erste dieser Unwahrscheinlichkeiten hat Hr. v. Göthe in seiner Bearbeitung weggewischt. Um Seidens Erscheinung zu erklären, läßt er Phanor zu Sopiren sagen: „Man spricht mit ihm (mit Omar) man tauschet Geisseln aus; er bringt Seiden mit.“ Hrn. v. Göthe’s Uebersetzung ist anfänglich so wörtlich, so getreu, daß er sogar das Qui? moi? des ersten Verses durch Was? (Wer) Ich? übersetzt. Allmählig wird er freier, zuletzt geht er oft ganz von Voltaire ab, und setzt sich an die Stelle. Im 4ten Akt, zwischen dem 1sten und 2ten Auftritt, schiebt er sogar einen Monolog Mahomets ein, der gleich hernach abgeht und die Bühne ledig läßt; ein unverzeiliches dramatisches Verbrechen in Voltaire’s Augen, welches ihn hier Hr. v. G. begehen läßt. Mahomets großes (ich möchte beinahe sagen größtes) Verdienst liegt in der Versifikation, in der Kraft, dem Wohllaut, dem Gange der Verse. Dieses Verdienst verschwindet ganz in der Verdeutschung. In Schillers Phädra bleibt der Uebersetzer dem Dichter, bis in den kleinsten Details, getreu. Im Mahomet hingegen macht sich’s Hr. v. G. nicht nur bequemer, sondern sogar zum Verdienste, mitzudenken und mitzusprechen, Ob mit Recht? mit Glück? Hierüber mag folgende Stelle entscheiden. Sie ist einer der schönsten im Original, und man darf glauben, daß Hr. v. G. mit Voltaire habe wetteifern wollen.             Akt 2. Sc. 5. Mahomet bietet Sopiren seine geraubten Kinder an, wenn er zu ihm übergehen will. Sopiren antwortet: Mahomet, je suis père, et je porte un coeur tendre. Après quinze ans d’ennuis, retrouver mes enfans, Les revoir, et mourir dans leurs embrassemens, C’est le premier des biens pour mon ame attendrie. Mais s’il faut à ton culte asservir ma patrie, Ou de ma popre main les immoler tous deux; Connois-moi, Mahomet: mon choix n’est pas douteux, Adieu!   Hr. v. G. übersetzt:             Götter! Zu welcher Prüfung habt ihr mich gespart? Ja ich bin Vater! Mahomet! ich fühle, Nach funfzehn Schmerzensjahren, ganz das Glück, Das mich erwartete, wenn ich sie*) wieder Vor mir erblickte, sie an dieses Herz Noch einmal schlösse. Gerne wollt’ ich sterben, Von ihren Armen noch einmal umfangen: Doch wenn du forderst, daß ich meinen Gott, Mein Vaterland an dich verrathe, mich In schnöder Heuchelei vor dir erniedrige; So fordre lieber, daß ich die Geliebten Mit eignen Händen opfre; meine Wahl Wird keinen Augenblick im Zweifel schweben.
*) Das sie steht hier ohne alle Beziehung. Man muß aus dem Sinne errathen, daß es auf Kinder geht.

Aufführungsdatum: 21.01.1811
Zettel
Uhrzeit:
18:00
Ort der Aufführung::
NT S1
Nationaltheater von A-Z:
Mahomet. Trauerspiel in Fünf Akten, nach Voltaire, vom Herrn von Göthe
Quelle:
ThZ SBBPK
weitere Informationen:
[danach: Das Hausgesinde]
Anzeige. Freytag, den 25. Januar, wird im Königl. Opernhause zum Erstenmale wiederholt: Die Vestalin, lyrisches Drama in 3 Akten, nach dem Französischen, zur Musik von Spontini durch C. Herklots. Die zur Handlung gehörigen Ballets sind vom Königl. Balletmeister Herrn Lauchery. Einlaß-Billets, zu den bekannten Preisen, sind bey dem Herrn Kastellan Dölz im Opernhause zu haben
Rollenfeld:
Hr. Beschort
Iffland
Hr. Lemm
Hr. Rebenstein
Mlle. Fleck
Hr. Labes
SBB_IIIA_yp_4824_2100_18110121_021.jpg
Dateiname: SBB_IIIA_yp_4824_2100_18110121_021.jpg

Nationaltheater: Mahomet (bearbeitet von Klaus Gerlach), Berliner Klassik, hrsg. v. der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, 2003-2013. URL: https://berlinerklassik.bbaw.de/nationaltheater/theaterstueck/511.

Link zu den API-Daten: https://berlinerklassik.bbaw.de/api/nationaltheater/theaterstueck/511