Hierauf wurde die Oper Adelheid und Althram, nach dem Italienischen des Romanelli vom Herrn Herklots frei übersetzt, mit der beibehaltenen Musik von Simon Mayer, aufgeführt. Den Beschluß machte ein Ballet des unsterblichen Noverre: Apelles und Campaspe, oder die Großmuth Alexanders, aufgeführt von dem Königl. Balletmeister Hn. Lauchery. Die Vorstellung dauerte bis 10 Uhr, und das Haus war unerachtet der vielen Feten und Bälle, welche in den Ressourcen, Freimaurerlogen, dem Friedrichsstifte und andern öffentlichen und Privathäusern statt fanden, dennoch überfüllt. Jetzt zur Beurtheilung der Oper. Simon Mayer ist ein Komponist der viel für Italien geschrieben hat. Sehr natürlicherweise sucht er sich dem Geschmack jenes Landes anzuschmiegen, von dem er lebt, und den Italienern, weiche und fließende Melodien, mit wenig Harmonien, hin und wieder mit einem harmonischen Donnerschlag in der Modulation, um das Ganze zu heben, aufzutischen. Das mag seyn. Aber man kann es nur der Eil und dem Drange zuschreiben, worin ein Komponist in Italien seine Arbeiten liefern muß, wenn sie nicht allein in der Harmonie und Baß so sehr schlecht sind; doch vielleicht ist es auch die Schuld des Kopisten, wenn oft die nothwendigsten Intervalle fehlen, ja in den Blasinstrumenten falsche Noten sind, die durchaus nicht zum Ganzen passen. Wenn man nun in dieser Oper alle diese Fehler findet, aber dagegen doch auch den Komponisten der Ginevra in Scozia am Geschmack, Haltung und Styl entdeckt, und in letztgenannter Oper diese Fehler nicht so häufig sind, so muß man schließen, daß Ginevra, welche wir vor 6 Jahren mit vielem Vergnügen auf demselben Theater sahen, nicht unter dem Drange derselben Umstände geschrieben wurde, oder daß ein Deutscher sich die Mühe nahm, wenigstens von den gröbsten Inkonvenienzen die Oper zu läutern, und mehr für Deutsche Ohren genießbar zu machen. Simon Mayer ist ein Deutscher in Italien; Hr. Kapell Meister Righini, ist ein Italiener in Deutschland. In langen Jahren wollen wir einmal sehen, nach wessen Kompositionen noch die Frage seyn wird. Es läßt sich eine vorgewonnene Wette eingehen, daß die einzige Scene womit letzterer Komponist diese Oper ausgeschmückt hat, das ganze Werk Mayers überleben wird. Wenn nun aber das deutsche, zu richtigen Verhältnissen geübte Ohr auch jenes zu verwerfen genöthigt ist, so wird man doch den natürlichen Fleiß, die biegsame Kantilene welche dem Sänger das Auswendiglernen so erleichtert, nicht verkennen, und schon wegen der Leichtigkeit, mit welcher diese mit Zucker überzogene Komposition, so schmeichelnd eingehet, solche Art Musik gern hören. Dahin gehört der fünfte Auftritt Akt 1. Im siebenten, soll die große Trommel hoffentlich das Gewitter ausdrücken, aber das geschieht mit einzelnen periodischen Schlägen, und man kann sich nicht enthalten, an Flintenschüsse zur Zeit des römischen Kaisers, Otto des 2ten, zu denken. Außerdem zeichnet sich im ersten Akt noch der 16te und 17te Auftritt aus. Im zweiten sind würksam das Duett zwischen Althram und Otto. Eben so des Letztern Arie pag. 47, das Terzett pag. 54. und die Arie pag. 60. Von dem Dichter Hrn. Romanelli zu sprechen, kann man gern überhoben seyn. Es ist eine Italienische Oper. Apostolo Zeno und Metastasio leben nicht wieder auf; und wenn eine Oper öfter anfängt und aufhört als sie Akte hat, so kann man ja wähnen, mehrere Opern zu sehen. Die Besetzung war die möglichst vollkommene für unsere Bühne. Mad. Müller hatte die prima donna, und führte sie mit der Vollkommenheit einer solchen aus. Dlle. Schmalz als primo uomo war im männlichen Anzuge bei ihrer nicht unbeträchtlichen Größe gar nicht verlegen, und sang mit der ihr gewohnten Aufmerksamkeit und Vollkommenheit. Das Vergnügen, diese beiden vollendeten Künstlerinnen in einer Oper wetteifern zu sehen, wird dem Publikum jetzt oft, und dieser Wettstreit lockt letzteres an, füllt das Haus und frommt allen Theilen. Heute waren zum erstenmale die beiden Orchester, das Königliche Opern- und Schauspiel-Personale, als Dienst mit einander vereingit, und Hr. Kapell-Meister Righini dirigirte mit vieler Einsicht und Eifer das Ganze. Nicht auf ihn, sondern auf die übermäßige Hitze muß der Vorwurf fallen, daß Anfangs die meisten Blasinstrumente, besonders die messingnen, nicht stimmten. Alle Solo-Instrumente exekutirten übrigens vorzüglich gut, nur dem Ganzen hörte man die erste Aufführung manchmal an. Hr. Schick dirigirte das darauf folgende Ballet, aber das Versehen, was dabei vorfiel, war auch ihm nicht zuzuschreiben. J. C. F. R.
Nationaltheater: Adelheid und Althram (bearbeitet von Klaus Gerlach), Berliner Klassik, hrsg. v. der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, 2003-2013. URL: https://berlinerklassik.bbaw.de/nationaltheater/theaterstueck/551.
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