Dienstag den 28sten Januar, zum Erstenmale: Die Quäker, Schauspiel in einem Akt, von Hrn v. Kotzebue Es gehört in der That ein so ausgezeichnetes Talent, eine so ausserordentliche Gewandheit des Geistes dazu, als deren sich der Verf. dieses Stücks erfreut, um einen so spröden und an sich rigiden Stoff, als die äußere Erscheinung eines Quäkers ist, zum Gegenstand eines höchst anziehenden und rührenden Schauspiels zu machen. Doch was gelingt diesem fruchtbaren Dichter nicht, er alle Saiten des menschlichen Gemüths zu treffen und fast jedes Begegniß, jede Form des menschlichen Lebens dramatisch, oft sehr anziehend, zu versinnlichen weiß. Was würde er leisten können und was geleistet haben, wenn er die Horazische „Feile und Weile“ bei seinen Werken immer angewandt hätte. – Es ist dem Refer. unbekannt, ob eine Anekdote aus der Zeit des englisch-amerikanischen Krieges wirklich zum Grunde liege. Aber davon ist er angenehm überzeugt worden, daß der Stoff des Stücks so anziehend, mit so viel Wahrheit, reiner und zumal in der Schilderung der drei Quäker, für uns und die Bühne wenigstens, neuen und originellen Charakteristik dargelegt ist, wie er sie seit lange in keinem ähnlichen neuen dramatischen Produkt auf der Bühne gesehen hat. Um denjenigen der Leser dieser Blätter, die das Stück noch erst sehen werden, den Genuß der Ueberraschung und eines sehr befriedigenden Ausgangs nicht zum Voraus zu rauben, enthalten wir uns der Darlegung des Inhalts. Gern hätten wir indessen gesehen, wenn der Dichter dem Verbrechen des jungen Howe einen andern Charakter geliehen, wenigstens es anders gewandt hätte. Sein eigenes Geständnis der brutalen Handlung ist ein Mißlaut in der kleinen Tragödie, den sie nicht haben sollte. – Das Stück war sorgfältig besetzt und wurde mit großer Vollkommenheit gegeben. Herr Beschort spielte den englischen General Howe meisterhaft. Herr Stich würde der Rolle des Sohnes noch mehr Haltung gegeben haben, wenn ihm der etwas gellende Ton seiner Stimme, den innigen Ausdruck der Reue nicht versagte. Herr Bessel d. Sohn gab die kleine Rolle des Adjutanten gut, Herr Iffland den alten Quäker Walter Mifflin mit aller der originellen Naturwahrheit, die überhaupt die ausgezeichnete Seite und die Stärke seiner Kunst ist. Eduard Mifflin der Sohn ward von Herrn Maurer im Geist der Rolle, und trotz des äußern, man kann sagen stoischen Form der Sekte, doch mit dem unterscheidenden Ausdruck des Jünglingscharakters dargestellt. Die Erzählung seiner That war richtig; der Ausdruck der Worte: ich bin kein Mörder, unverbesserlich. Seine Braut, Maria Milford, wurde durch Mlle. Maaß, unterstützt von dem Silberklange ihrer Stimme, in der ganzen sittsamen, religiösen Haltung ihres Ausdrucks, ihrer Person, mit ausnehmendem Reiz geziert. Die Darstellung war ein erfreuliches, vollendetes Ganzes. So viel Genuß kann von der Bühne herab ohne Prunk und Flitterstaat, oft nur stöhrendes Nebenwerk, gewährt werden, wenn jeder daselbst auf seiner Stelle steht, und alles zusammen auf einen Zweck wirkt. – Schäme sich doch ja keiner der Thräne, die er hier dem Gefühl der Menschlichkeit, der Wahrheit, und der durch die Kunst verherrlichten Tugend zum Opfer bringt! -
Nationaltheater: Quäker, Die (bearbeitet von Klaus Gerlach), Berliner Klassik, hrsg. v. der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, 2003-2013. URL: https://berlinerklassik.bbaw.de/nationaltheater/theaterstueck/613.
Link zu den API-Daten: https://berlinerklassik.bbaw.de/api/nationaltheater/theaterstueck/613