Athalia

Sparte/Genre:
Trauerspiel
Personen:
Autor:
Jean Racine
Komponist:
Johann Abraham Peter Schultz

Liste der Aufführungen

Aufführungsdatum: 06.01.1800
Rezensionen
Ort der Aufführung::
NT
Nationaltheater von A-Z:
Athalia. Tr. in 5 A. mit Chören, v. K. M. Schulz (Neu einstudiert)
Quelle:
SBBPK Ms. boruss., Quart 180
weitere Informationen:
Zum Benefiz für Herrn und Mde. Böheim
Rezension:
Zeitung:
Berlinisches Archiv der Zeit und ihres Geschmacks
Aufführungsdatum:
1800-02-01
Nummer:
Seite:
152-154
Autor:
[August Ferdinand Bernhardi]

[Die Druckfehler wurden nicht korrigiert!]

Athalia; Trauerspiel in fünf Akten von Racine, die Chöre komponirt von Schulz.
Die Athalia ist eins von den Stücken des Racine, welches bei uns am bekanntesten ist; nicht etwa, weil es den meisten innern Werth hätte, sondern weil es durch die herrliche Musik auf eine ganz eigenthümliche Art herausgehoben wird. Es sey fern von uns, dies Stück weitläufig zu zergliedern; zu zeigen, wie hier eine Unwahrscheinlichkeit in der Handlung, dort ein übertriebener Ausdruck zu finden sey: dies alles dürfte bei der Tendenz, welche die Franzosen sich vorgesetzt hatten, sehr unbedeutende Kleinigkeit seyn, wenn nur diese Tendenz erreicht wäre. Aber dies ist, wo der Mangel des ganzen französischen Trauerspiels liegt. Neben der äußern Eleganz des Ganzen, neben geründeten Versen, zugespitzten Maximen, antithetischen Sentenzen, soll nun auch noch die Natur gehörig nachgeahmt werden; eine gewisse Wahrscheinlichkeit soll erreicht, ein gewisser Zusammenhang soll nicht außer Acht gelassen werden; und bei einer jeden Zeile schlägt eigentlich dem Franzosen das Herz, ob sie auch wohl motivirt wäre, ob die Bühne nicht leer bliebe, ob die Personen auch wohl ohne Ursach auftreten u. s. w. Mit einem Worte, der ewige Widerspruch auf der einen Seite nach Niedlichkiet, auf der andern nach Kraft zu streben; hier die Natur darzustellen, dort eine reine Poesie: dieser ist es, was alle französische Trauerspiele so unleidlich macht. – Von Niemanden kann in dieser Rücksicht der Dichter so lernen, als von dem Mahler; man nennt immer so gedankenlos hin dramatische Produkte Gemählde, ohne andere als flache und unbestimmte Ideen dabei zu haben. Allein man denke der Sache nur weiter nach; man sehe nur zu, was dem Mahler Farben sind, wie bedingt er damit umgeht, und wie man die einzelne Farbe durch den Zusammenhang mit andern gar nicht wieder erkennt; man sehe auf die allgemeinen Klassen dieser Künstler, als Zeichner, Koloristen: und die innige Verbindung, in welcher beide Künste stehen, wird gewiß einleuchten. Es ist hier der Ort nicht, darüber weitläufiger zu seyn; wir ersparen es uns bis zu einer andern Gelegenheit, und wir wollen nur bemerken, daß das ebengerügte Voltaire in weit höherem Grade treffe, als den Racine. Die schwächste Scene des ganzen Stücks ist die dritte des dritten Akts, in welcher Mathan seinem Vertrauten, Nabal, entdeckt, warum er ein Anhänger Baals sey. Welche Hebel werden angelegt, um diesen Mathan auf eine natürliche Weise zum Hasse gegen die Juden zu bewegen! Er muß abgefallen, aus Ehrgeiz agbefallen seyn; und damit der Zuschauer dies erfahre, muß er einen Vertrauten, Nabal, haben, und damit er diesem sein innerstes Herz öfnen könne, ohne verdächtig zu werden, muß Nabal hinzufügen: Pour moi, vous le sçavez, descendu d’Ismaël Je ne sers ni Baal, ni le Dieu d’Israel. Das heißt viel Lärmen um einen Eierkuchen. Wenn man übrigens die Handlung hört, so sollte man denken, der Dichter werde diese Gelegenheit recht benutzt haben, die Heiligkeit der jüdischen Religion mit dem blinden Eifer der Anhänger Baals zu kontrastiren, und ein recht lebhaftes Gemählde beider Religionen zu liefern; allein nichts von alle dem. Alles ist so schlecht hintereinander gestellt, und die Personen unterscheiden sich kaum von einander in ihren Phrasen. Uebrigens hätte doch der Uebersetzer den Nahmen Jehovah nicht so schlechthin von den Juden aussprechen lassen sollen; bekanntermaßen nannten sie ihn mit diesem Nahmen gar nicht, und Racine geht dieser Benennung geflissentlich aus dem Wege. Die klassische Vollendung der Chöre ist anerkannt, und daher hier über diese nur wenige Worte. Wenn die Rede davon ist, für eine charakteristische Musik mit der Simplicität, wie sie der Religion zukommt, und mit Ausdruck und Feuer, wie beide dem Dienste Gottes gebühren, ein Beispiel aufzufinden, so ist es in der That schwer, eine andere als die gegenwärtige zu nennen, welche alle diese Eigenschaften im höchsten Grade in sich schließt. Der ruhige Gang derselben, die kunstlose Abwechselung, und die Bedeutenheit des Einzelnen, müssen den Liebhaber bei der ersten Anhörung entzücken, wie sie dem Kenner Stoff zum Nachdenken und ernsthaftem Studio gewähren. Mit der mimischen Darstellung konnten wir nicht zufrieden seyn. Madame Meyer und Herr Fleck lieferten recht gute Einzelnheiten; wir vermißten aber jenes geistige Band, welches sie in ein Ganzes knüpfen muß. Besonders mißfiel uns, wegen der Uebertreibung und Unbedeutenheit zugleich, die Vaticination und der Schluß des Stücks. Nichts ist in französischen Stücken so gefährlich, als der Ausdruck hoher Leidenschaft, wegen des Schwebens zwischen Grazie und Charakter, welches für die Darstellung wesentlich ist. Ein wenig zu viel von diesem auf Kosten jener giebt überall einen Mißlaut, nirgend aber stärker, als in der französischen Tragödie, deren höchtes Gesetz die mimische Politesse ist.

Aufführungsdatum: 10.01.1800
Ort der Aufführung::
NT
Nationaltheater von A-Z:
Athalia
Quelle:
SBBPK Ms. boruss., Quart 180

Nationaltheater: Athalia (bearbeitet von Klaus Gerlach), Berliner Klassik, hrsg. v. der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, 2003-2013. URL: https://berlinerklassik.bbaw.de/nationaltheater/theaterstueck/712.

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