Künstler, Die

Sparte/Genre:
Schauspiel
Personen:
Autor:
August Wilhelm Iffland

Liste der Aufführungen

Aufführungsdatum: 21.11.1799
Rezensionen
Ort der Aufführung::
NT
Nationaltheater von A-Z:
Die Künstler, Sch. in 5. A. v. Iffland
Quelle:
SBBPK Ms. boruss., Quart 180 HSZ 1799, Nr. 138
weitere Informationen:
Zum erstenmale und zum Besten des Verfassers
Rezension:
Zeitung:
Berlinisches Archiv der Zeit und ihres Geschmacks
Aufführungsdatum:
1800-01-01
Nummer:
Seite:
39-44
Autor:
[August Ferdinand Bernhardi]


Die Künstler; ein Schauspiel in fünf Aufzügen, von A. W. IfflandDie moralischen Würkungen der Kunst und die verschiedenen Ansichten derselben aufzustellen, dies scheint der Hauptzweck dieses Stücks zu seyn. Franz und Karl Lest repräsentiren die ächten Künstler, Herr Lest die Folgen des unterdrückten Kunsttalents, Nickel den eigennützigen, mechanischen Künstler; Henriette die Dilettantin von Gefühl; Mamsell Bergmann die durch Eitelkeit verdorbene und die Kunst nur aus Nebenabsicht liebende Dilettantin; Herr Bergmann drückt die Ansicht der Philister und gemeinen Naturen aus, seine Frau denkt billiger, und läßt ihre Söhne wenigstens gewähren; Rath Herber den reichen, unwissenden Mäcenas, und Faß macht die Verwickelung des Ganzen, indem er Bergmanns Abneigung gegen die Künstler zu seinen Nebenabsichten benutzt. Es ist durchaus gleichgültig, ob Herr Iffland sich dieses Sinnes in seinem Schauspiel, so durchgängig ist bewußt gewesen; bei den meisten Personen ist dies zwar ganz außer Zweifel, bei den andern liegt er darin durch die Anordnung des Ganzen und Vertheilung des Einzelnen. Man würde sehr ungerecht sein, wenn man die Mühe verkennen wollte, welche der Verfasser auf diese Darstellung gewendet, und die Arbeit, welche in jeder Scene sichtbar ist; um so mehr aber wird es dem Beurtheiler Pflicht, bei diesem Produkte etwas weitläufiger als sonst, das Eigenthümliche desselben auseinander zu setzen. Künstler sollen geschildert werden: sie sind der Stoff und Gegenstand des Drama. Es ist Herrn Iffland nicht entgangen, daß die Form diesen Stoff durchaus spiegeln muß, und er hat manches ganz eigentlich erdichtet, was nur durch Künstler geschehen kann, und also das Stück zu einem Individuum macht. Wir rechnen dahin, den satyrischen Kupferstich, den Holzschnitt und manches andre, besonders in den Umgebungen. Allein ist denn dies genug? Freilich wird die ganze Verwickelung durch die Künstler, als solche, gemacht; aber dies wird durchaus nicht gehalten, das Stück geht bald in die gewöhnlichen Ifflandschen Verwickelungen über; der Stiefvater wird mit einem Banquerott bedroht; die Künstler, seine Stiefsöhne, retten ihn durch ihre Entschlossenheit mit ihrem väterlichen Vermögen, und – – – der Vater glaubt an die Kunst. Heißt dies nun den Stoff seines Stücks in der Form durchführen? Wie anders geschieht dies, zum Beispiel, in Göthe’s Mitschuldigen. Hier ist kein Zug, der nicht auf eine enge, beschränkte Existenz hindeutete; alle Personen spiegeln mehr oder weniger einen sehr begränzten Kreis; ja selbst das wilde Leben erscheint so kleinlich, so mager und reizlos, daß der Zuschauer sich des Lächelns nicht enthalten kann, daß Göller, um dasselbe nicht zu entbehren, sich zu einem Diebstahl entschließt. Diese absolute Einheit nun, welche die Darstellung und das Dargestellte hat, diese ist es, was wir hier vermissen. Wir finden sie dagegen in einem hohen Grade in den Jägern und einigen andern Stücken des Verfassers. Doch lassen wir das fahren, so bleibt immer die Ansicht des Verfassers von der Kunst übrig. Ist dies, so kann man fragen, die Meinung des Verfassers von der Kunst, daß sie nicht ganz unnützlich sei, unter andern auch bisweilen zur Rettung von einem Banquerott diene? Bewahre, wird Herr Iffland sagen; allein es ist die Ansicht von Herrn Bergmann, es ist die Ansicht des Pöbels, die ich darstellen will. Und, kann man wieder fragen, verdiente es diese Ansicht, so besonders dargestellt zu werden? Scheint die Meinung einer gemeinen, niedrigen Seele es werth zu sein, daß man Zeit und fünf Akte daran wende, um sie aufzustellen? Und endlich wird ja durch das Stück deutlich genug gesagt, daß diese Künstler Ideale und Repräsentanten sein sollen; warum dieß wieder, wenn nur diese Ansicht darzustellen war? Endlich stehen ja auch Zuschauer da, von welchen man doch wohl supponiren kann, daß sie von jener Ansicht des Pöbels in Hinsicht der Kunst frei sind, und was bleibt dann für die, als zu sehen, in wiefern Herr Bergmann getroffen sei. Endlich der Schluß; der Vater sieht ein, daß er seinen Söhnen unrecht gethan habe, und versöhnt sich mit ihnen; die Familie fügt sich in eine Gruppe zusammen; so will der Vater, soll Franz sie mahlen. Er ist gerührt, er will weinen, es ist ihm unmöglich, bis Karl die Flöte spielt, da geht ihm der Sinn für Musik auf, und sein gepreßtes Herz erleichtert sich. Man sieht, hier hat der Verfasser wieder Franz und Karl als Künstler in das Stück gezogen; allein was ist genau der Sinn, welcher dargestellt ist? Kunst ist ein Erleichterungsmittel bei betrübten Vorfällen; – eine Flasche Wein würde dennoch eben das sein, was Kunst ist. – Was Herrn Iffland zu statten kommt, und sich auch wider ihn sagen läßt, ist oben da gewesen. Nur eins noch! Muß es denn immerfort nur Geld, immer Geld und nichts als Geld sein, welches in Ifflandischen Stücken eine so große Rolle spielt? Es giebt so vielen andern Stoff, welcher für Karakter- und Familiengemählde paßt, und zum Scherz hier die Grundzüge zu einem Gemälde, welches man: der Triviale, oder, mit seine Umgebungen, die Modewelt nennen könnte. Ein junger Mensch mit einer Dreistigkeit und Prätension, welche bis zur Unverschämtheit gehen, und den Mangel des soliden Wissens ersetzen sollen, produzirt sich in einer Stadt, in welcher er bis jetzt nur dem Namen nach bekannt war. Um seine Arroganz und Eitelkeit desto besser zu motiviren, könnte man ihn zum Schriftsteller machen, und fingiren, daß er über eine Lieblingsmaterie des Zeitalters, zu welcher keine besonderen Kenntnisse gehören, geschrieben, und sich dadurch einen sehr prekären Ruf erworben habe. Er tritt nun in einen Zirkel, dessen weitere Ausführung dem Dichter überlassen bleibt, als Redner auf, und sein Absprechen über ihm völlig unzugangbare Gegenstände, seine Lebhaftigkeit im Gespräch, verbunden mit dem Mangel an Witz, macht anfangs die Leute stutzig. In den kleinen Kniffen der Eitelkeit nicht unerfahren, schmeichelt er den Damen, und stellt sich, als wenn er die Gelehrten hochhielte; aber seine unbehülfliche Arroganz läßt ihn nur die letzte Klasse gewinnen, mit der er gemeinschaftlich eine Partei macht, und Anekdoten aufjagt, verleumdet u. s. w.; dies alles müßte eine piquantes Theaterspiel machen, und den Schluß des Stücks die Enthüllung der Seichtigkeit und Trivialität. Worauf er sich entschließt, in seine Vaterstadt zurückzukehren, wo man sein Verdienst besser erkennen werde. Herr Iffland hat uns immer in Erfindung seiner Namen zum Muster gedient; in dem gemeinen Namen Bergmann liegt gleichsam schon die Gemeinheit im Klange; auch die Italiener bedienen sich bei ihren Masken bedeutender Namen, z. B. Tartaglia, Smeraldina etc.; da nun die Trivialität sich nicht so bestimmt im Aeußern darstellt, so müßte man hier zum Beispiel die vorzügliche und einzige Kunst trivialer Leute, Bemerkungen andrer aufzulesen und bei Gelegenheit anzubringen, bezeichnen; und so könnte man ihn zum Beispiel Merkchen nennen, und durch die Diminutivsylbe nebenbei auch noch die ungemeine Unbedeutenheit und flache Niedlichkeit ausdrücken. Hiebei müßte nun das Geld gar nicht in Betrachtung kommen, und alles könnte ohne Schulden abgehen. Uebrigens muß der Dialog von einer brillanten Einzelnheit sein, und die Umgebung sehr piquant, um die Flachheit des Hauptkarakters zu heben. Wir kommen nun zu dem Einzelnen des Ifflandischen Stücks. Der Hauptkarakter ist wirklich sehr brav genommen und gehalten; es ist ein guter Sinn, welcher dargestellt wird, daß der wohlhabende gemeine Kaufmann niederträchtig wird, als er nicht mehr wohlhabend ist. – Herr Iffland spielte diese Rolle meisterhaft, mit einer Fertigkeit, Kraft und Sicherheit, welche den höchsten Dank des Publikums ganz unbestritten verdient hätte. Der Klaviermeister ward recht brav dargestellt; Rath Herber übertrieben; die Henriette sehr kalt vorgetragen; und die übrigen Karaktere in einer gewöhnlichen, individuellen Manier. Nur über Mamsell Bergmann, welche die durch Prätension und Eitelkeit verderbte Dilettantin repräsentirt, ein paar Worte. Der Verfasser scheint hier seine Ansicht der Kritik beiläufig darstellen zu wollen, und zu verstehen zu geben, ein Kritiker müsse mehr von der Darstellung der Empfindung, als über den Verstand in einem Kunstwerke sprechen. Darin hat er nun ganz recht, denn die Empfindung ist mit Einschränkung das höchste und einzige Ziel einer jeden Darstellung. Allein die Empfindung erhält man doch in einer gewissen Form; und nun ist leider die Form des Kunstwerkes die Verständlichkeit. Es muß verstanden werden können; diese Bedingung ist ganz unerlaßlich, und wer hier dem Kritiker Einwürfe macht, versteht bloß nicht, wovon die Rede ist. Allein diese Verständlichkeit besteht nicht in der Anordnung des Gerüsts, nicht darin, daß einer Scene die andere richtig subordinirt sei, sondern bloß in der gegebenen Möglichkeit, die Empfindungen zu erhalten. Insofern ist aber auch beides nicht zu scheiden, sondern eins und dasselbe. Herr Iffland meint unstreitig, er würde sonst gar nichts meinen, jene Kritiker, welche bei entschiedenem Mangel an Sinn, nur mit ihren Kritiken auf das Gerüst sehen, und Kleinigkeiten rügen, welche die Harmonie der Empfindung nicht mehr fühlen läßt; und darin hat er ganz recht, so muß man nicht kritisiren; aber man nehme sich wie man wolle, man erlasse sogar den Dichtern den Menschenverstand, so wird von den bändereichen Schriften unsrer deutschen Theaterdichter dennoch wenig übrig bleiben.  

Nationaltheater: Künstler, Die (bearbeitet von Klaus Gerlach), Berliner Klassik, hrsg. v. der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, 2003-2013. URL: https://berlinerklassik.bbaw.de/nationaltheater/theaterstueck/755.

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