Am 28sten Februar wurde eine Posse in einem Akt, der Komet genannt, auf die Bühne gebracht. Der Komet, dessen Erscheinung von Paris aus angekündigt und dessen, unsre Erde zerstörende, Annäherung, der Vorhersagung des berühmten Lalande fälschlich zugeschrieben wurde, setzte hier manchen Leichtgläubigen in Furcht und Schrecken. Groß mag indeß die Anzahl dieser Gläubigen, selbst unter der niedrigsten Volksklasse nicht gewesen sein; die meisten glaubten, — aber zitterten nicht; sie dachten freilich wohl, der Teufel kann sein Spiel haben, ein Komet ist nicht zu verachten, der jüngste Tag muß doch endlich einmal kommen, heut so gut als morgen, aber bis die Gefahr vor der Thüre ist, bis wir die Feuersäule vor Augen sehen und die Posaune hören, wollen wir unsern lieben Herrgott sorgen lassen und unbekümmert — Kottbußer trinken und Mariage dazu spielen. Gleichwohl war der Einfall nicht übel, über eine Thorheit dieser Art öffentlich die Geissel des Spottes zu schwingen; die Bühne ist dazu der rechte Ort und die Komödie oder noch eigentlicher die Posse, die schickliche Form. Nur ein Aristophanes, der die Geissel zu schwingen versteht, nur ein Publikum, das ein Ohr für ächten Witz hat! und vielleicht findet sich das leztre, wenn der erstre erscheint. Der unbekannte Verfasser der obengenannten Posse hat uns in der ersten Hälfte derselben angenehm unterhalten, in der zweiten war er aber zu ängstlich, zu anhaltend bemüht, die Charlatanerie der Hauptfigur, die er in diesem Stücke auftreten läßt, in ihrer unsinnigen Leerheit und Albernheit darzustellen; der Herr Chirurgus trieb sein Wesen zu lang und zu weitläuftig, dozirte zu viel und zu eintönig, ermüdete, statt zu unterhalten. Das est modus in rebus würde auch der üppigsten Laune, dem schwelgendsten Witz hier anzurathen gewesen sein. Übrigens wollte der Verfasser dieser kleinen Posse vielleicht nichts mehr und nichts weniger als ein — Gelegenheitsstück liefern, darinn einem und dem andern unter den Zuschauern ein bekanntes Individuum vor Augen führen, diesen und jenen an Nachbarn und Bekannten in der wirklichen Welt wahrgenommenen Zug, diese und jene Thorheit treu kopiren und so mit der Wirkung zufrieden zu sein, die Gruppen von Portraits aus dem gemeinen Leben machen und machen können. Und dieser Zweck wurde besonders in der ersten Hälfte des Stücks durch die vortrefliche Darstellung des Hrn Ifland vollkommen erreicht und würde auch durchgehends vielleicht nicht schwächer erreicht sein, wenn alle Schauspieler, welche in dieser Posse auftraten, ihre Rollen eben so frappant karakterisirt, wie Herr Ifland, und das Karakteristische mit eben der Sicherheit und Laune durchgeführt hätten.
Nationaltheater: Komet, Der (bearbeitet von Klaus Gerlach), Berliner Klassik, hrsg. v. der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, 2003-2013. URL: https://berlinerklassik.bbaw.de/nationaltheater/theaterstueck/806.
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