Friedrich Wilhelm Eduard Gerhard

Lebensdaten

Nachname:
Gerhard
Vorname:
Friedrich Wilhelm Eduard
Geburtsdatum:
29.11.1795
Geburtsort:
Posen
Geschlecht:
männlich
Todesdatum:
12.05.1867
Sterbeort:
Berlin
Beruf(e):
  • Archäologe

Biographie

Lebenslauf:

Gerhard, Friedrich Wilhelm Eduard

(29. November 1795 Posen - 12. Mai 1867 Berlin)

Archäologe

-          begleitet den Kronprinzen Friedrich Wilhelm (IV.) auf einer Italienreise

-         1833 Archäologe am Königl. Museum in Berlin

-         1843 ao. Prof.; gründet die „Archäologische Zeitung“

-         1844 o. Prof. für Archäologie an der Universität Berlin

-         (auf Gerhards Initiative entstand 1829 das Instituto di Corrispondenza Archeologica in Rom, aus dem das Deutsche Archäologische Institut hervorging)

Kurzbiographie aus der Mitgliederliste der Akademie der Wissenschaften:
1833 Archäologe und Abteilungsdirektor am Königl. Museum in Berlin. 1844 Professor für Archäologie an der Universität in Berlin. (Auf G.'s Initative entstand das Institut de Corrispondenza Archeologica, aus dem 1829 das Deutsche Archäologische Institut in Rom hervorging. G. gründete 1843 die "Archäologische Zeitung". Er genoß die besondere Förderung des Kronprinzen von Preußen, des späteren Königs FRIEDRICH WILHELM IV., den er u. a. 1828 auf einer Italien-Reise begleitete und als Führer durch die antiken Denkmäler diente. G. hinterließ der Akademie eine Stiftung von 71.000 RM, "Eduard Gerhard'sches archaeologisches Stipendium" (1893). Die Zinsen der Stiftung waren für Reisestipendien von Archäologen bestimmt.)

Aus dem "Akademie-Kalender":

Eduard Gerhard 29.11.1795 - 12.5.1867

Eduard Gerhard, am 29.11.1795 in Posen geboren, hat sich als Ahnherr des "Deutschen Archäologischen Instituts", als Archäologe am Berliner Museum, als Professor an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin und als Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften so vielfältige und bleibende Verdienste um die Archäologie (und nicht nur um diese) erworben, daß Ulrich von Wilamowitz-Moellendorf ihn als "den ersten zünftigen Archäologen Deutschlands" bezeichnet hat.

Dabei hatte alles anders begonnen. Nach dem Besuch des Elisabethanums in Breslau studierte Gerhard zunächst in Breslau, dann in Berlin Klassische Philologie. Seine Lehrer waren keine geringeren als Immanuel Bekker, Friedrich August Wolf und vor allem August Böckh, von dem er bereits 1815 mit einer Arbeit über den hellenistischen Epiker Apollonios Rhodios als erster ordentlicher Doktor der noch jungen Berliner Universität promoviert wurde.

Doch die angestrebte Stellung als Professor für Klassische Philologie bleibt ihm verschlossen, und eine Reise nach Italien, die aus gesundheitlichen Gründen notwendig wird, bringt eine völlige Wende des Lebensplans. Die Monate in Neapel und Rom konfrontieren ihn mit neuen wissenschaftlichen Aufgaben und Herausforderungen. In der Begegnung mit den sichtbaren Zeugnissen der griechisch-römischen Antike wird der Philologe Gerhard zum Archäologen.

Von 1820 bis 1837 bleibt Gerhard, von kürzeren und längeren Unterbrechungen abgesehen, in Rom und Italien. Hier legt er nicht nur durch unermüdliches Sammeln, Ordnen und Beschreiben von Denkmälern, die in diesen Jahren überall im Mittelmeerraum in reicher Fülle ans Licht treten, das Fundament aller seiner späteren wissenschaftlichen Arbeiten, sondern schafft sich auch einen ständig wachsenden Kreis von Freunden und Bekannten und entfaltet schon bald eine fruchtbare wissenschaftsorganisatorische Tätigkeit.

Zusammen mit den Freunden der von ihm inspirierten "hyperboräisch-römischen Gesellschaft" gründet er das "Instituto di Corrispondenza Archeologica", das am 21.4.1829 eröffnet wird, und legt damit den Grundstein für das spätere "Deutsche Archäologische Institut". Gewiß waren auch andere an Planung und Realisierung des Vorhabens beteiligt; daß trotz aller Widerstände die Gründung schließlich gelang und das Institut wuchs und gedieh, war jedoch in erster Linie Gerhards Zielstrebigkeit und Hartnäckigkeit, seinem diplomatischen Geschick und den vielfältigen Verbindungen zu danken, die er sich in den römischen Jahren geschaffen hatte. Gerhard blieb auch in seinen Berliner Jahren bis zu seinem Tode spiritus rector des Instituts, das heute, mit Sitz der Zentraldirektion in Berlin, deutsche Grabungen in aller Welt koordiniert und organisiert.

1833 wird Gerhard "Archäologe bei dem Museum" am fünf Jahre zuvor gegründeten Berliner Museum; 1832 macht ihn die Preußische Akademie der Wissenschaften auf Vorschlag seines Lehrers Böckh zum korrespondierenden, 1845 zum ordentlichen Mitglied; und 1843 übernimmt er an der Friedrich-Wilhelms-Universität eine außerordentliche Professor, bevor er ein Jahr später zum Ordinarius für Archäologie ernannt wird. Allen drei Berliner Institutionen hat Gerhard mehr als drei Jahrzehnte mit großer Gewissenhaftigkeit und beachtlichem Erfolg gedient.

So hat er für das Museum nicht nur einen Katalog der vorhandenen antiken Bildwerke und eine ganze Reihe populärer kleiner Führer zu Teilsammlungen geschrieben und nicht nur eine bedeutende Sammlung von Zeichnungen edierter und unedierter Denkmäler aufgebaut, sondern vor allem, gestützt auf seine exzellenten italienischen Verbindungen, immer neue antike Denkmäler angekauft und die Schätze des Museums später durch Verkauf und testamentarische Schenkung seiner eigenen Sammlungen weiter vermehrt. Die Museumsinsel verdankt Gerhard ihre herausragenden Sammlungen von etruskischen Spiegeln und griechischen Vasen.

Der Preußischen Akademie der Wissenschaften hat Gerhard 35 Jahre lang angehört, und er war ein äußerst gewissenhaftes und engagiertes Mitglied, das sich in allen Bereichen der Akademiearbeit mit produktiver Energie und diplomatischem Geschick betätigt hat, auch wenn sein Name neben Akademiekollegen wie Karl Lachmann oder August Böckh, den Brüdern Grimm oder Theodor Mommsen schon damals etwas zurücktrat. Fast 30 Abhandlungen dokumentieren seine wissenschaftliche Produktivität ebenso wie die mit finanzieller Unterstützung der Akademie edierten umfangreichen und prachtvoll ausgestatteten Sammelwerke "Etruskische Spiegel" und "Auserlesene griechische Vasenbilder".

Wissenschaftlich bedeutsamer als diese Publikationen, die heute nur mehr wissenschaftsgeschichtlichen und dokumentarischen Wert beanspruchen können, war Gerhards unermüdliches Eintreten für das "Corpus Inscriptionum Latinarum" (CIL), die Sammlung sämtlicher erhaltener lateinischer Inschriften, die Adolf Harnack als "das größte, fruchtbarste und glänzendste Unternehmen der Akademie" bezeichnet hat. Gerhard sah schon früh die Erfassung aller lateinischen Inschriften als eine der wichtigsten Aufgaben des römischen Instituts an, und er hat dieses Ziel als Akademiemitglied über alle Umwege und Hindernisse geduldig verfolgt und schließlich gegen alle Widerstände in der Akademie erfolgreich durchgesetzt.

Die dritte der Berliner Institutionen, mit der Gerhards Name verbunden ist, bedeutete ihm weniger als Museum und Akademie. Er hat dem archäologischen Institut der Friedrich Wilhelms-Universität zwar eine bedeutende Unterrichtssammlung aufgebaut; als akademischer Lehrer aber war Gerhard kein großer Erfolg beschieden. Schon 10 Jahre vor seinem Tod gab er die Vorlesungen auf und beschränkte sich auf Übungen zu ausgewählten Denkmälern, die er bei sich zu Hause durchführte. Die Zahl seiner Hörer war gering; eine Schule hat er nicht begründet.

Der Grund für seine relativ geringe Wirkung als akademischer Lehrer lag wohl in jungen Jahren war Gerhard im Kreise der römisch-hyperboräischen Freunde unter den prägenden Einfluß von Creuzers Symbolik geraten, die fortan bis zu seinem Lebensende bestimmend für seine Deutung antiker Kunstwerke blieb. Das führte zwangsläufig nicht nur in seinen zahlreichen Abhandlungen, sondern auch in den erläuternden Teilen seiner großen Sammelwerke zu höchst spekulativen, wenn nicht gar abstrusen Deutung antiker Denkmäler, die er so sorgfältig gesammelt und klassifiziert und so exakt beschrieben hatte.

Bleibende große Verdienste für die Archäologie hat sich Gerhard also nicht in erster des Deutschen Archäologischen Instituts hat die Ziele, die er mit der Gründung des Instituto di Corrispondenza verband, auch in Berlin mit der ihm eigenen Hartnäckigkeit verfolgt. Zeitlebens war er bestrebt, die Kenntnis des in seiner Zeit durch Entdeckungen und Grabungen ständig wachsenden Reichtums antiker Denkmäler über den Kreis der Fachkollegen hinaus bekannt zu machen und die noch junge Disziplin der Archäologie nicht nur gegenüber der dominierenden Philologie, sondern auch im Bewußtsein der Öffentlichkeit zu stärken. So gründete er 1841 die "Archäologische Zeitung" und rief noch im selben Jahr, an Winckelmanns Geburtstag, die bis heute bestehende Berliner "Archäologische Gesellschaft" ins Leben.

Harnack hat Eduard Gerhard nicht ganz zu unrecht in eine Reihe mit Winckelmann gestellt: "Sein Aufenthalt in Italien hat für die Wissenschaft fast eine ähnliche Bedeutung erlangt wie der Winckelmanns, nicht nur insofern er die Monumente und die topographische Forschung so begonnen hat, daß sie seitdem nicht mehr ruht, sondern vielleicht in noch höherem Maße durch die Einsicht, daß man überall selbst zusehen müsse, daß man nicht genug s e h e n könne. Eduard Gerhards Wahlspruch: artis monumentum qui unum vidit, nullum vidit; qui mille vidit, unum vidit ("wer ein Kunstwerk gesehen hat, hat keines gesehen; wer tausend gesehen hat, hat eines gesehen") kann auch heute als Wahlspruch der von ihm erst recht eigentlich begründeten wissenschaftlichen Archäologie gelten.

Bernd Seidensticker

Werke/Literatur

Register

Fachregister:
  • Archäologie
Institutionsregister:
  • Akademie der Wissenschaften
  • Universität
Gruppen/Vereinigungen-Register:
  • Humanitätsgesellschaft

Person: Friedrich Wilhelm Eduard Gerhard, Berliner Klassik, hrsg. v. der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, 2003-2013. URL: https://berlinerklassik.bbaw.de/personen/5231.

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