Lebenslauf:
1736
Michel Victor Acier wird im August 1736 in Versaille als Sohn des Weinhändlers Victor Acier und seiner Frau Marie Claude, geb. Descaves, geboren. Die in der Forschung allgemein angegebene Datierung der Geburt auf den 20. Januar hat sich als unzutreffend erwiesen (vgl. Braun 2009, S.13).
Studium an der Académie Royale. Acier ist dort möglicherweise Schüler von Jean Baptiste Pigalle, Louis Claude Vassé oder Augustin Pajou, genauere Angaben sind jedoch nicht bekannt.
1759
Erfolglose Beteiligung am "Grand Prix de sculpture" der École Académique.
1762
Acier fertigt seine erste größere Skulptur "Annette et Lubin" an. Das Motiv bezieht sich auf die Schlussszene des gleichnamigen Lustspiels von Charles Simon Favart.
1763
Beteiligung an einer Terrakotten-Ausstellung in Paris.
1764
Da die Porzellanmanufaktur in Meißen, den Bildhauer Francois-Nicolas Delaistre nicht für eine Anstellung bei der Manufaktur gewinnen können, wird am 27. August Acier unter Vertrag genommen, der offensichtlich bereits Kontakte zum sächsischen Prinzregenten Xaver besaß. Über Aciers bisherige Arbeiten ist wenig bekannt, die Briefe der Manufakturangestellten sprechen nur von Kleinplastiken, während sich Acier in einem Brief vom 28. August als "Sculpteur du Roi" bezeichnet (Briefe bei Braun 2004, S.57ff). Möglicherweise hat er zu diesem Zeitpunkt bereits eine Kapelle in der Bourgogne mit Statuen ausgestattet (Keller 1788, S. 13). Etwa um den 20. September siedelt Acier nach Dresden über.
1765
Am 17. März wird Acier am Sächsischen Hof vorgestellt. Da Acier bezüglich seiner Besoldung neue Forderungen stellt, muss am 1. April ein neuer Vertrag aufgesetzt werden. Dieser sieht eine monatliche Bezahlung von 800 Talern über einen Zeitraum von 15 Jahren vor, hinzu kommt ein Pensionsanspruch von monatlich 400 Talern (SächsHStaA, Geheimes Kabinett, Loc. 1345/2, f. 334-334v). Offiziell erhält er den Rang eines "Modelleurs" und bleibt damit, auch was sein Gehalt betrifft, Johann Joachim Kaendler, dem "Hof-Kommissar" und "ersten Modellmeister", der bis dahin in alleiniger Regie die künstlerische Leitung der Manufaktur innehatte, untergeordnet (Spee, 2004, 33f.).
Am 29. Oktober heiratet Acier in der Dresdner Hofkirche Maria Christina Eleonora Wittich, Tochter von Georg Wittich, der während des Siebenjährigen Krieges im Kaiserlich-Österreichischen Heer gedient hatte und in Dresden verblieben war.
1771
1771 möglicherweis aber auch erst 1773 muss Acier muss aufgrund zunehmender Arbeitsanforderungen an der Porzellanmanufaktur von Dresden nach Meißen übersiedeln.
1772
Mit der sogenannten "Großen Russischen Bestellung" durch Katharina II. kommt es erstmals zu einer engen Zusammenarbeit mit Kaendler. Die 40teilige Gruppe mit mythologischen und allegorischen Motiven, die für einen Pavillon im Schloßpark von Oranienbaum (heute Lomonossow) bestimmt war, wird 1775 fertiggestellt. Teile der Arbeit befinden sich heute im Staatlichen Museum und Garten Oranienbaum, Lomonossow (Abbildungen bei Pietsch, 2004, S. 102-125). Kattharina II. hatte sich mit ihrem Auftrag bewußt gegen die Hofierung Friedrich II. entschieden, der versucht hatte, sie mit Geschenken an die Berliner Porzellanmanufaktur zu binden (Spee, 2004, S. 50).
1773
Die Einstellung Johann Eleazar Zeissigs, genannte Schenau, am 10. Januar als Leiter der Zeichenschule, die der Manufaktur angeschlossen war, führt zu einer engen Zusammenarbeit des Künstlers mit Acier.
1774
Bei der Ausführung des o.g. Auftrages kommt es immer wieder zu Streitigkeiten mit Kaendler: Am 15. September hält daher eine Verordnung die Aufteilung der Bestellung unter den beiden Künstlern fest.
1775
Nach dem Tod Kaendlers übernimmt Acier dessen Nachfolge, seine ehemalige Stelle als zweiter Modellmeister wird nicht wieder besetzt. In einem auf den 1. März datierten Brief an den Generaldirektor der Manufaktur, Graf Camillo Marcolini-Feretti, beschwert sich Acier, dass er von nun an monatliche Arbeitsberichte abliefern muss.
Bis 1776 entsteht ein großer Tafelaufsatz mit allegorischen Motiven sowie einer Reiterstatuette Kurfürst Friedrich August III. zu dessen 26. Geburtstag am 23. Dezember 1776 die Arbeit angefertigt werden sollte. Ab Juni beginnt Acier mit der Serie der sogenannten "Devisenkinder", die er nach Zeichnungen von Zeissig bis Januar 1780 fertigstellt.
1777
Im Juni schafft Acier eine verkleinerte Fassung des Leipziger Denkmals für den Dichter Christian Fürchtegott Gellert von Adam Friedrich Oeser in Porzellan. Eine weitere Reduktion ebenfalls nach einem Leipziger Gellert-Denkmal von Friedrich Samuel Schlegel wird im Juli des Folgejahres angefertigt (Spee 2004, S. 50).
1778
Acier fertigt eine Reiterstatuette Friedrich II. aus Porzellan an, um sich dem Preußischen König zu empfehlen (Abbildung bei Albiker 1935, Katalog-Nr. 330).
1779
Von Juli bis März 1780 arbeite Acier an einem Tafelaufsatz mit der Darstellung des "Frieden von Teschen" für Fürst Nikolai Grigorjewitsch Repnin-Wolkonski.
In einem Schreiben vom 25. September bittet Acier den Sächsichen Kurfürsten um seine Pensionierung als Modellbauer der Manufaktur und bemüht sich um die Übernahmen des Amtes als Hofbildhauer, das durch den Tod Gottfried Knöfflers am 11. September freigeworden war. Mit Erlaubnis des Kurfürsten siedelt Ancier nach Dresden über. Knöfflers Stelle an der Dresdner Akademie soll jedoch auf Empfehlung Christian Ludwig von Hagedorn durch Carl Friedrich Schäffer besetzt werden (Briefwechsel zwischen dem Kurfürsten und Hagedorn bei Braun 2004, S. 68ff.).
1780
Nach dem Tod Hagedorns 1780 übernimmt Camillo Marcolini dessen Stelle und empfiehlt, die Stelle als Hofbildhauer "unter zwey Bildhauer zu vertheilen": Schäffer und Acier (Brief Marcolinis bei Braun, 2004, S. 70).
1781
Acier beginnt sich erstmals wieder mit Großplastiken zu beschäftigen.
Ende September stirbt Schäffer in Rom. Acier wird jedoch entgegen früherer Annahmen in der Literatur nicht an der Dresdner Akademie aufgenommen (Braun 2009, S. 20).
1783
Acier hat ein Relief mit der Darstellung des am 5. Mai 1757 in der Schlacht bei Prag gefallenen General-Feldmarschalls Schwerin gefertigt. Nachdem es 1788 bei der Berliner Akademie-Ausstellung gezeigt wurde (Börsch-Supan, Kataloge, 1 Bd. 1788: 364) schenkt Friedrich II. das Relief, das inschriftlich als "schickliche Allegorie auf das Königlich Preussische Haus" bezeichnet wird, dem Grafen Friedrich Albrecht von Schwerin. Dieser stellt das Relief in der Schloßkirche zu Borau bei Oels in Schlesien (heute Borowa Olesnicka) auf.
1784
Am 12.10 heiratet Aciers Tochter Maria Theresia den Sächsischen Hofkapellmeister Joseph Schuster. Das Trau-Buch des Katholischen Dorfpfarramtes vermerkt Acier als "Churfürstl. Model Meisters bey der Porcelain fabrique in Meisen".
1786
Acier versucht erfolglos, einen Alabaster-Abguß des o.g. Reliefs über den Leipziger Kunsthändler Carl Christian Heinrich Rost vertreiben zu lassen (Anzeige aller Kunstwerke der Rostischen Kunsthandlung zu Leipzig, 1786, S. 51).
1787
Acier bittet in einen Brief an den Kurator der Berliner Akademie der Künste, Friedrich Anton von Heinitz, um eine angemessene Honorierung für das o.g. Relief und ersucht zudem um die Aufnahme an die Berliner Akademie. Ein auf den 26. Juni datierter Brief bestätigt die Aufnahme als Ehrenmitglied. Acier sendet zusammen mit einem Dankesschreiben Ende Juli an Kopie des o.g. Reliefs an die Akademie (Briefwechsel zwischen Acier und Heinitz bei Braun 2009, S. 23-28).
1788
Die Berliner Akademie-Ausstellung zeigt am 13. Oktober das o.g. Relief (Börsch-Supan 1971, Bd. 1,
1788:364).
1799
Am 16. Februar stirbt Acier. Der Monatsrapport der Manufaktur hält im Februar die Einstellung der Pensionszahlung für den "Exmodellmeister" fest.
Christopher Drum, 2009
Literatur:
Braun, L.: ?ajkovskijs französischer Urgroßvater Michel Victor Acier. Modellmeister in Dresden; in: Mitteilungen der Tschaikowsky-Gesellschaft, 10, 2003. S. 74-82.
Dies.: Die Familie Acier in Dresden. Dokumente aus dem Sächsichen Hauptstaatsarchiv; in: Mitteilungen der Tschaikowsky-Gesellschaft, 11, 2004. S. 55-72.
Dies.: Der Stammbaum der Familie Acier in Frankreich; Mitteilungen der Tschaikowsky-Gesellschaft, 16, 2009. S. 12-15.
Dies.: Michel Victor Acier und die Preussische Akademie der Künste; in: Mitteilungen der Tschaikowsky-Gesellschaft, 16, 2009.
Keller, H. (Hrsg.): Nachrichten von allen in Dresden lebenden Künstlern, Leipzig 1788. 220 S.
Pietsch, U. / Bubtschikowa, M. (Hrsg.): Meißen für die Zaren. Porzellan als Mittel sächsich-russischer Politik im 18. Jarhundert, Ausstellungskatalog, München 2004. 143 S.
Spee, P. von: Die klassizistische Porzellanplastik der Meissener Manufaktur von 1764 bis 1814, Diss., Bonn 2004.