Franz Alexander Kleist

Lebensdaten

Nachname:
Kleist
Vorname:
Franz Alexander
Adelsprädikat:
von
Geburtsdatum:
24.12.1769
Geburtsort:
Potsdam
Geschlecht:
männlich
Konfession:
evangelisch-lutherisch
Todesdatum:
08.08.1797
Sterbeort:
Gut Ringenwalde/ Neumark
Beruf(e):
  • Schriftsteller
  • Landrat

Genealogie

Genealogie:
Vater: Franz Casimir v. Kleist Mutter: Caroline Luise v. Kleist, geb. ebenfalls v. Kleist (?-1780) Ehefrau: Albertine, geb. von Young

Biographie

Lebenslauf:
1769
Am 24. Dezember wird Franz Alexander von Kleist in Potsdam als Sohn des preußischen Generalleutnants Franz Kasimir v. Kleist geboren.


1778 bis 1779
Erziehung durch die Großmutter auf dem Gut Zützen in der Uckermark.

1779-1784
Kleist zieht zu seinem Vater nach Potsdam und nach dessen Versetzung als Kompanie-Chef und Kommandeur eines Infanterie-Regiments nach Magdeburg. 1780 stirbt Kleists Mutter, die er wohl kaum gekannt hat.

1784
Im März tritt Kleist als Fähnrich ins preußische Infanterieregiment des Herzogs Karl Wilhelm Ferdinand v. Braunschweig ein, das in Halberstadt stationiert ist. Kleists "Fähnrich-Patent", das seinen Eintritt in die Armee dokumentiert, stammt vom 17. März 1785. Nach neueren Forschungen wurde die offizielle Bestätigung rückwirkend erstellt.
In Halberstadt tritt er mit dem Dichter Johann Wilhelm Gleim in Kontakt. Die Verbindung ist vermutlich auf Gleims Freundschaft mit dem 1758 gefallenen anakreontischen Dichter Christian Ewald v. Kleist, einem Verwandten von Franz Alexander v. Kleist, zurückzuführen. In einem Brief nennt Gleim den jungen Dichter "Mein theurer zweiter Kleist". (Tanzer 1998, S. 17).
Während seiner Zeit in Halberstadt macht Kleist die Bekanntschaft der Dichter Christoph Martin Wieland und Gottfried August Bürger. Seine ersten dichterischen Versuche entstehen ebenfalls in Halberstadt.

1787
Das Gedicht "Der Tod" erscheint in den "Halberstädtischen Gemeinnützigen Blättern". Es ist die erste Veröffentlichung Kleists. Zudem ist er Mitglied der literarischen Gesellschaft in Halberstadt. Die seit zwei Jahren existente Gesellschaft "besteht jetzt beinahe aus 50 ordentlichen einheimischen und verschiedenen ausserordentlichen auswärtigen Mitgliedern, welche Theologen, Schulmänner, Juristen, Mediziner, Offiziere und andere Kenner und Liebhaber der Litteratur sind". Man trifft sich Mittwochnachmittags, um Vorlesungen über "philosophische, mediezinische, moralische, politische und andere wissenschaftliche Materien" zu besprechen, während "die theologischen gänzlich davon ausgeschlossen (sind)". (Historisch-politisches Magazin 1787, S. 49). U. a. organisiert die Gesellschaft Gedenkfeiern für Friedrich II.

1789
Beförderung zum 2. Leutnant. Teilnahme am Feldzug gegen Frankreich. Kleists Ode "Hohe Aussichten der Liebe" erscheint bei Vieweg in Berlin. Ein Kritiker der "Allgemeinen deutschen Bibliothek" bemerkt in einer Rezension zur zweiten Auflage eine "auffallende Aehnlichkeit" zur Dichtung Gottfried August Bürgers. Gleichzeitig wird Kleist einiges Talent zugesprochen. Die Rezension endet mit den Worten: "Wir versprechen uns viel von diesem jungen Dichter, wenn er den schlüpfrigen Pfad der Nachahmung verläßt, und nach dem Muster des unsterblichen Kleist (Chr. Ewald v. Kleist, Anm. d. Verf.) den Stoff zu seinen Gesängen aus der Natur selbst nimmt, in keines anderen Dichters Manier arbeitet, und den Rath freymüthiger und einsichtsvoller kritischer Freunde befolgt". (Allgemeine deutsche Bibliothek 1792, S. 93).

1790 bis 1791
Am 9. November 1790 erfolgt Kleists Austritt aus der Armee. Neuere Forschungen widerlegen die Annahme, er habe zwischen 1790 und 1791 ein Studium in Göttingen aufgenommen. Stattdessen zieht Kleist im April 1791 nach Berlin. Eintritt als Legationsrat in den Staatsdienst unter Minister v. Herzberg. 
Vom 16. August bis zum 15. September 1791 unternimmt Kleist im Auftrag von Herzberg eine Reise nach Prag, um dort an den Feierlichkeiten der Königskrönung Leopolds II. teilzunehmen.

1792
Im Januar heiratet Kleist die 18 jährige  Albertine v. Young. Der Verleger Vieweg hatte ihn mit der jungen Frau bekannt gemacht.
Anonym erscheinen bei dem Dresdener Verleger Richter Kleists "Fantasien auf einer Reise nach Prag", eine Mischung aus Fiktion und tatsächlichen Erlebnissen von der Reise, aus Liebesgeschichte, Reisebericht und politischer Abhandlung. Die zeitgenössische Kritik stößt sich vor allem an Kleists Emotionalität. So schreibt ein Rezensent in der "Neuen allgemeinen deutschen Bibliothek": "...an den vielen der übrigen Herzergießungen kann unmöglich Jemand Theil nehmen, als etwa diejenige Dame, der zu Liebe unser Verfasser nach dem Karlsbade gieng". (Neue allgemeine deutsche Bibliothek 1793, S. 229).
Gegenstände der politischen Abhandlung sind Kleists Kritik am habsburgischen Königshaus und dessen Nähe zur katholischen Kirche. Friedrich II. erscheint dagegen als Verkörperung idealer Herrschaft.
In Kleists Briefen mit Gleim wird seine Anteilnahme am politischen und kulturellen Zeitgeschehen deutlich, eine Facette des Dichters, die die ältere literaturwissenschaftliche Bewertung Kleists unterschlägt. In den Briefen diskutiert er Berlins soziale Verhältnisse, berichtet von der Verhaftung des Geheimen Rats Leuchsenring und der Unfähigkeit der preußischen Behörden beim Feuer von Prenzlau. Zudem erscheint Kleist als kritisch reflektierter Anhänger der Ideen der Französischen Revolution, ein Gegenstand, über den er mit Gleim fast in Streit gerät. Kleist ist allerdings kein Jakobiner. Seine "Ode an die Deutschen", abgedruckt in Archenholtz' "Neue Literatur und Völckerkunde" von 1790, handelt von der Angst vor der Revolution und ihrem Ausbruch in Deutschland. Die Ode und die Briefe an Gleim aus dieser Zeit verdeutlichen die ambivalente Haltung, die Kleist zu den Ereignissen in Frankreich einnimmt.
Im April scheidet Kleist auf eigenen Wunsch aus dem Staatsdienst aus. An Gleim schreibt er: "...ich habe mich allen Geschäften entzogen, und lebe ganz meiner Bestimmung, die Natur einer schönen Seele zu studiren, und so die Gotheit in meinem Studio zu lieben. Können Sie sich ein schöneres Schicksal dencken?". (Tanzer 1998, S. 30).

1793
Kleist erwirbt das Gut Falkenhagen bei Frankfurt/ O. für 102.000 Rthl. Es ist das Gut seines verstorbenen Schwiegervaters. Woher das Geld stammt läßt sich nicht genau aufschlüsseln, allerdings ist in einigen Briefen an seinen Verleger Vieweg von Schulden die Rede.
Mit dem Rückzug auf das Land ändert sich auch die Thematik seiner Schriften. An Gleim schreibt er weniger über Politik, stattdessen viel über seine Arbeit auf dem Gut und das Landleben. Seine literarischen Arbeiten behandeln ausführlich die Liebe. Bei Vieweg in Berlin erscheinen die anakreontischen Schriften "Sappho. Ein dramatisches Gedicht" und "Zamori oder eine Philosophie der Liebe in 10 Gesängen". Diese Gedichte Kleists sind von der Kritik nicht wohlgelitten. Über den "Sappho" heißt es in der "Allgemeinen Literatur Zeitung": "Man darf nur einige Seiten dieses dramatischen Gedichtes gelesen haben, um zu sehen, an welchem Feuer sich die Einbildungskraft des Verfassers erwärmt habe. Nicht nur die ganze Bildung des Ausdrucks und Dialogs, sondern auch die Wahl der handelnden Personen erinnert sogleich an Göthes Tasso und bisweilen an die Iphigenia. (...). Nimmt man bloß auf Sprache und Ausdruck Rücksicht, so muß man mit Vergnügen den geistigen Einfluß wahrnehmen, welchen das Studium seines vortrefflichen Musters auf den Verfasser gehabt hat, wiewohl auch in diesem Theile der Arbeit schwerlich vielmehr geleistet worden ist, als was, bey einer angeborenen Empfänglichkeit für die Schönheiten der Dichtkunst, von einem jeden Manne von Talent durch Fleiß und Übung hervorgebracht werden kann. Nichts hervorstechendes, nichts was auf wahres Genie- schließen dürfte". (Allgemeine Literatur-Zeitung 1795 151, Sp. 445-448).
Auch der "Zamori", ein Gedicht über die Abenteuer eines jungen Schwärmers aus Madrid, der auszieht und sein Glück in der Liebe findet, die ihn zu einem vollkommenen Menschen macht, wird in einer Rezension derselben Zeitung nicht gut besprochen: "Um ein großer, ein göttlicher, ja auch nur um ein guter Dichter zu seyn, muß man mehr verstehen, als reimen, man muß denken können. Einige alltägliche Gemeinplätze, einige Declamationen gegen das Christenthum und den Despotismus geben noch keinen Anspruch auf den Namen eines aufgeklärten Philosophen; so wenig als ein Mischmasch abgenutzter oder barocker und unzusammenhängender Bilder für einen dichterischen Plan Phantasie beweisen. Wie sehr es diesem reimfertigen Schriftsteller selbst an den alltäglichen Kenntnissen eines Poeten fehle, zeigen seine zahlreichen mythologischen Sünden, seine fehlerhaften Verse (...), seine Plattheiten. Die Anzahl der wohlgerathenen, wenigstens tadelfreien Verse ist dagegen, in Betrachtung der Länge des Gedichts, äußerst gering". (Allgemeine Literatur Zeitung 1795 273, Sp. 65-72).

1794
Auch wenn die Kritik mit dem literarischen Schaffen Kleists nichts anzufangen weiß, weiß der Dichter selbst genau, wovon die eigenen Gedichte handeln. In den Briefen an Gleim ist immer wieder von dem eigenen ehelichen Glück die Rede. Die Geburt einer Tochter unterbricht den Briefwechsel für ein dreiviertel Jahr. Im ersten Brief danach heißt es: "Ein großes, ein göttliches Vergnügen. Ich möchte nicht diese Erfahrung verlieren, um Vieles". (Tanzer 1998, S. 33).

1796
Kleist verkauft das Gut Falkenhagen für 130.000 Rthl. Im Gegenzug erwirbt er von der Familie Humboldt das Gut Ringenwalde bei Neudamm in der Neumark für 91.000 Rthl. Die
preisliche Differenz der beiden Güter läßt vermuten, daß bei Verkauf und Neuerwerb finanzielle Gesichtspunkte eine Rolle spielen. Im selben Jahr erscheinen bei Vieweg die kleineren Schriften "Das Glück der Liebe" und "Das Glück der Ehe". Eine angenommene Ernennung zum Landrat in Ringenwalde kann die neuere Forschung über Franz Alexander von Kleist nicht nachweisen.

1797
Gesundheitlich ist es um Kleist nicht gut bestellt. In seinem letzten Brief an Gleim aus dem März heißt es: "Ich lebe jetzt in der Neumarck überaus glücklich und zufrieden, besitze ein höchst vortreffliches Weib, eine liebenswürdige Tochter, und erwarte täglich den Sohn; wäre meine Gesundheit wohler, so bliebe mir nichts zu wünschen". (Tanzer 1998, S. 36).
Am 8. August stirbt Franz Alexander v. Kleist 28-jährig auf seinem Gut in der Neumark an den Folgen der Ruhr, wie es in der Todesanzeige heißt. 1811 vermutet der Dichter Friedrich de la Motte Fouqué eine andere Todesursache. Anläßlich des Todestages Heinrichs von Kleist schreibt er in einem Brief an Hitzig, der Namensvetter Franz sei "in wüster Ausschweifung untergegangen noch vor dem Sterben". (Sembdner 1997, S. 79).
Nach Kleists Tod hilft sein Vater Franz Casimir v. Kleist der verschuldeten Familie. Posthum erscheinen bei dem Verleger Maurer in Berlin "Franz von Kleists Vermischte Schriften".

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Franz Alexander v. Kleist war ein viel gelesener Autor von Gedichten, kleinen Stücken und theoretischen Texten. Häufig wurde auf die bemerkenswerte Ähnlichkeit der Biographie des heute fast vergessenen Dichters zum Lebenslauf des entfernten Verwandten Heinrich v. Kleist hingewiesen. Auch der acht Jahre ältere Franz Alexander trat gemäß der Familientradition ins preußische Heer ein, quittierte jedoch bald darauf den Dienst, bemühte sich mehrfach um eine Anstellung beim Staat und hatte zeitlebens mit Geldnöten zu kämpfen. Allerdings gibt es auch deutliche Unterscheide: Literarische Texte und private Korrespondenz Franz Alexanders lassen auf ein zufriedenes Leben mit Frau und Kind schließen, ein Glück, das Heinrich v. Kleist nicht beschieden war. Freundschaftskult, Liebe und Ehe sind wichtige Topoi in Franz Alexanders Werk. Seine Briefe an Gleim bestätigen das Bild eines glücklichen Familienmenschen.
Die anakreontischen Spielereien und literarischen Gegenstände idealischer, aber ebenso körperlicher Liebe stießen bei der Literaturkritik nicht nur auf Begeisterung. Schon zu Lebzeiten schrieb ihm die "Allgemeine Literatur Zeitung" "glückliche Anlagen, eine lebhafte Phantasie und ein warmes Gefühl" zu, bezeichnete aber das Gedicht "Glück der Ehe"  als "ein Meisterstück wohllautender Leerheit".  Wolfgang Menzel urteilte in seiner "Geschichte der Deutschen Dichtkunst" aus den 1850er Jahren ähnlich, allerdings auch äußerst einseitig und kulturnational: "Die Schwärmerey für Liebe und Ehe, welche die Deutschen verweichlichte, ganz ins Privatleben sich vertiefen und von den großen Interessen des Vaterlandes absehen ließ, culminierte in dem Berliner Legationsrath Franz von Kleist. Es ist kein Zufall, daß in demselben Jahr, in welchem Ludwig XVI. auf dem Schaffot blutete und der Convent seine Schrecken ausgehen ließ, dieser stille Berliner seinen Zamori dichtete, in welchem alles, was deutsches Gemüht damals an Süßlichkeit und Schwächlichkeit leistete, concentriert erscheint". (Menzel 1859, S. 118).
1997 schrieb Anke Tanzer mit ihrer Dissertation die erste Biographie und Werkanalyse der neueren Literaturwissenschaft und den Dichter wieder ins Gedächtnis rief. Dieser Beitrag basiert im wesentlichen auf ihrer Arbeit.

Verwendete Literatur

Allgemeine Literatur-Zeitung vom 30. Mai 1795, Nr. 151, Sp. 445-448
Allgemeine Literatur Zeitung vom 10. Oktober 1795,  Nr. 273, Sp. 65-72
Allgemeine deutsche Bibliothek 1792, Bd. 112, 1. St., S. 91-93
Historisch-politisches Magazin, nebst literarischen Nachrichten vom 1. Januar 1787,
 Bd. 1, Literarischer Anhang, S. 49-50
Neue allgemeine deutsche Bibliothek 1793, Bd. 6, 1. St., S. 229-231

Menzel, Wolfgang: Deutsche Dichtung von der ältesten bis auf die neueste Zeit. Bd. 3.  
 Stuttgart: Krabbe 1859
Sembdner, Helmut (Hrsg.): Heinrich v. Kleists Lebensspuren. Dokumente und Berichte der
 Zeitgenossen.
Stuttgart: DTV 1997
Tanzer, Anke: "Mein theurer zweiter Kleist". Franz Alexander von Kleist 1769-1797-
 Leben und Werk
. Oldenburg: Igel Verlag 1998 (Kasseler Studien zur deutschsprachigen
 Literaturgeschichte 10)

SH

Werke/Literatur

Register

Fachregister:
  • Literatur

Person: Franz Alexander Kleist, Berliner Klassik, hrsg. v. der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, 2003-2013. URL: https://berlinerklassik.bbaw.de/personen/751.

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