Salomo Joel Sachs
Ein jüdischer Außenseiter im Kreise der Berliner Architekten und
preussischen Baubeamten
Vorbemerkung
Eine Personalakte des Bauinspektors Sachs konnte in den hiesigen Beständen
des Geheimen Preussischen Staatsarchivs nicht ermittelt werden, da die
Überlieferung des Oberhofbauamtes sowie der kgl. Bauämter durch
Kriegseinwirkungen als weitgehend verloren betrachtet werden müssen. Es
liegt aber die autobiografische Schrift „Mein 50jähriges Dienstleben und
literarisches Wirken - Ein Beitrag zur tatsächlichen Beleuchtung der Frage:
Sind Juden zum Staatsdienst geeignet?“ von 1842 vor, in welcher Salomo Sachs
die wesentlichen Stationen und Ereignisse seines
50jährigen Dienstes beschreibt und welche großteilige Grundlage dieses
Kapitels bildet. Die nicht näher gekennzeichenten Zitate im folgenden Text,
sind daraus entnommen.
Teile des schriftlichen Dienstverkehrs des Salomo Sachs sind im Geheimen
Staatsarchiv überliefert und ausgestellte Architekturentwürfe von Salomo
Sachs im Katalog der Berliner Akademieausstellungen beschrieben.
Biografie
Salomo Sachs wurde am 22. Dezember 1772 als Sohn jüdischer und mittelloser
Eltern in Berlin geboren. Im Alter von 18 Jahren sollte er sich auf Wunsch
seines Vaters, trotz lediglich einfacher schulischer Vorbildung, den selbst
als abenteuerlich beschriebenen Versuch unternehmen, sich als Eleve
(Auszubildender) im königlichen Oberhofbauamt in Berlin zu bewerben. Dieses
war seit 1786 als Immediathofbehörde institutionalisiert und in erster Linie
für die Prachtbautätigkeit des königlichen Hofes zuständig.
Auf das Anstellungsgesuch im Jahr 1789 erfolgte schnell die Einladung zu
einer Vorprüfung der Oberhofbauamtsdirektion, welche allerdings als nicht
bestanden gewertet wurde.
1792, nach zweijährigem Studium der Prachtbaukunst und
Hilfswissenschaften bei dem Oberhofbaurat und
Direktor Christoph Friedrich Becherer, der Architektonischen Lehranstalt der
Akademie der Künste in Berlin, und nach Vorlage entsprechender Probearbeiten
wurde die Vorprüfung jedoch als bestanden gewertet und Salomo Sachs somit
bei dem Oberhofbauamt in Eid und Pflicht genommen.
Salomo Sachs wurde am 09.12.1792 zusammen mit dem späteren Mitdirektor der
königl. Militär- und Ministerial-Bau-Commission zu Berlin, der
Nachfolgeeinrichtung des Oberhofbauamtes, dem Regierungs- und Baurat Mandel
zugleich vereidigt.
„Er, der Christ und ich, der Jude, legten gemeinschaftlich unseren Amtseid
in die Hände des Justiziarius des königl. Ober-Hof-Bau-Amts, Herrn Geheimen
Justizrats Troschel, ab.
Zu gleicher Zeit sprachen wir zusammen eine und dieselbe Eidesformel aus,
deren Schluss nur verschieden lautete. Da war hinsichtlich meiner von keinem
jüdischen Gelehrten, von keinem jüdischen Zeugen die Rede. Der einzige
anwesende Schwurzeuge war der königl. Ober-Hof-Bau-Rat und nachmalige
Geheime Kriegs-Rat Becherer, unser gemeinschaftlicher hochverehrter Lehrer
und unmittelbarer Vorgesetzter im Dienst.“
Hiernach erfolgten nun weitere Beförderungen rasch aufeinander. Am 1. Juni
1794 erhielt Salomo Sachs das zweite Patent, als Ober-Hof-Bau-Condukteur und
am 26. September 1799 das dritte Patent, als Ober-Hof-Bau-Inspektor.
Zugleich wurde er in dem selben Jahr als Lehrer des Maschinenzeichnens bei
der neu gegründeten königl. Bau-Akademie gewählt und angestellt.
Diese wurde kurz zuvor vom Senat der Architektonischen Lehranstalt der
Akademie der Künste, als auch vom engeren Collegium des Oberbaudepartments
nach konfliktreichen Auseinandersetzungen, gegründet.
1792 - 1806
Zum Neubau der Stadtvoigtei in Berlin wurden von mehreren Mitgliedern des
königl. Ober-Hof-Bau-Amts Projekte entworfen, an welchen sich auch Sachs in
Eigeninitiative versuchte:
Es gelang mir, obgleich ich hierzu nicht amtlich aufgefordert worden war,
zwei Fassaden zu komponieren, welche von der Behörde in einem so hohen Grade
beifällig aufgenommen wurden, daß man sie wirklich zur Ausführung brachte.
Sie haben den Fassaden des Portals vom äußeren Hofe aus, und der Fronte nach
der Spreeseite zu, ihr Dasein gegeben. Ich erhielt dafür die Akademische
silberne Preis-Medaille zur Belohnung. Es war das erste öffentliche
Anerkenntnis, welches mir zu Teil geworden.
Es ist zu vermuten, daß diese Planzeichnungen auf der Akademieausstellung
in Berlin gezeigt worden sind. Ein dementsprechender Eintrag findet sich
1794 im Katalog der Berliner Akademieausstellung unter der Rubrik:
„Architektonische Arbeiten“ von u.a. Oberhofbauamtskondukteur Sachs mit drei
Blatt Entwürfen zu einem Gefängnis.
Von größerer Bedeutung und ausgedehnterem Umfang waren die Entwürfe zum Bau
der Schlossbrücke und der Neuen Wache Unter den Linden:
„Nicht lange vor dem Ausbruch des französischen Krieges war es, als das
Collegium höchsten Orts den Auftrag erhielt, zum Umbau der Opernbrücke mit
der daran liegenden Wache, so wie auch zu dem neuen massiven Aufbau der
Hundebrücke, Pläne auszuarbeiten und einzureichen. Die Auflösung dieser
interessanten Aufgabe, fiel natürlich nur den älteren und höher stehenden
Mitgliedern des Collegii anheim, und wurde hierbei auf mich, als einen der
jüngsten Beamten, durchaus nicht reflektiert. Der Gegenstand war aber zu
reizend, zu anlockend für mich, als daß ich es nicht ganz im Stillen hätte
versuchen sollen.[...]
Ich machte mich fröhlich an die Arbeit und brachte zwei Blatt Zeichnungen
in sehr großem Format zu Stande. Sie waren ohne alle Präsentation bloß in
schwarzer Tusche ausgeführt, und daher durchaus nur als Skizzen zu
betrachten. Ich sah es recht wohl ein, welchen ungeheuren Kontrast meine
einfachen, unscheinbaren Zeichnungen, gegen die anderen prachtvoll
ausgeführten Aqarelle bildeten.[...] Ich legte daher getrosten Mutes meine
Entwürfe dem Herrn Geheimrat Becherer zur Beurteilung vor. Und siehe da!
Dieses Urteil fiel nicht nur in einem hohen Grade günstig aus, sondern
derselbe behielt beide Blätter ohne weiteres an sich, um sie, wie er sagte,
mit den übrigen Plänen ebenfalls einzureichen. [...] Sämtliche Entwürfe wurden nämlich teils dem Senate
der Akademie, teils noch besonders dem Hofrat und Professor Dr. H...[[Hirt]
- In der Schrift: „Mein 50jähriges Dienstleben“ sind sämtliche Namen von
Personen und Städten mit dem Anfangabuchstaben
abgekürzt, bei nicht gesicherter Zuschreibung erfolgt die Ausschreibung mit
einem Fragezeichen. Die Personennamen mit entsprechendem Titel und
Zuständigkeit sind dem Handbuch für den preussischen Hof und Staat
entnommen], welcher für alle Teile der theoretischen Kunst bei der Akademie
angestellt war, zur Begutachtung vorgelegt. [...] Der Senat tadelte
durchweg alle Pläne, nur meinen Entwurf von der
Schlossbrücke fand Gnade vor seinen Augen. Der Hofrat H... verwarf in
gleicher Art alle Projekte, nur meine Wache ließ
er passieren. Auf diese Weise waren es meine Zeichnungen, die den Preis
davontrugen.
Die Ausführung dieser beabsichtigten Bauten wurde jedoch noch weiter
hinausgeschoben, bis sie durch die französische Invasion gänzlich ins
Stocken geriet. Erst nach völliger Beendigung des Krieges ward die Idee
wieder aufgenommen, und die Ausführung endlich, nach ganz neuen
schinkelschen Entwürfen, ins Werk gesetzt
Hierbei kann ich nicht zu bemerken unterlassen, wie die Grundzüge von der
Bauanlage zur Neuen Wache, wie sie jetzt da steht, mit den meinigen
übereinstimmen. Zuvorderst nämlich hatte ich dieses Gebäude nicht mit dem
Zeughause, sondern mit der Universität in Flucht gestellt; auch bestand das
Eigentümliche meiner Konstruktion darin, daß die Fassade eigentlich aus der
Hinterfront (hohen Wand) gebildet war, indem das Dach nur nach hinten seinen
Abfall haben sollte. Ferner darin, daß zwei kurze Seitenflügel, welche nach
hinten eine Blendungsmauer miteinander verband, und die einen kleinen Hof
einschlossen, dergestalt angebracht waren, daß das Ganze ein geschlossenes
Viereck vorstellte. Endlich war die Fassade mit sechs dorischen Säulen und
zu beiden Seiten mit zwei Pavillons dekoriert.“
Dem ist allerdings hinzuzufügen, daß der Entwurf Schinkels die Neue Wache
nicht in Flucht mit der Universität vorsah. Die Situationsplanzeichnung von
1816 stellte die Neue Wache um wenige Meter hinter dieser Flucht dar, welche
dann von Friedrich Wilhelm III. mit Bleistift korrigierend, in Flucht zur
Universität und mittig zwischen dieser und dem Zeughaus gesetzt worden ist.
[siehe Planzeichnung: Landesarchiv Berlin, Pr.Br.Rep.042 1817, 1820, 1821 Karten, Bleistiftkorrektur des
Friedrich Wilhelm III.] Es kann somit vermutet werden, daß sich die
Ausführung der Neuen Wache, auf Wunsch des Königs, an dem gekürten
Wettbewerbsentwurf aus der Zeit vor 1806
orientieren sollte.
Ab 1799 begann Salomo Sachs eine schriftstellerische Tätigkeit zu
mathematischen Themen. Sein erstes Buch wurde unter dem Titel: „Der Versuch,
algebraische Aufgaben ohne Algebra zu lösen“ verlegt. 1805 publizierte Sachs
die „Darstellung geometrischer Wahrheiten für Nichtmathematiker“, ein Werk,
das den gewöhnlichen Handwerker ohne höhere Schulbildung mit den wichtigsten
Sätzen aus der Geometrie auf die leichte Weise bekannt machen sollte. Ein
großer literarischer Erfolg stellte sich dann 1810 mit der Veröffentlichung
der bald allgemein bekannten „Auflösungen der algebraischen Aufgaben von
Meier Hirsch“ ein, die in allen höheren Klassen der preußischen Schulen
eingeführt wurden und in den nächsten 30 Jahren alle fünf Jahre eine neue
Auflage erfahren sollten.
Diese anfänglich vielversprechende Laufbahn des Baubeamten Salomo Sachs
fand mit der französischen Invasion 1806 und der damit verbundenen Auflösung
des Oberhofbauamtes und der Bauakademie [siehe Anhang: Oberhofbauämter, Immediat – Hofbehörden] ein vorzeitiges Ende. Salomo
Sachs führte danach ein vorerst zurückgezogenes Leben, seine Arbeit
beschränkte sich auf eine freie schriftstellerische Tätigkeit.
1806 - 1816
Im Jahr 1812 arbeitete Salomo Sachs in Eigeninitiative an einem sehr
umfassenden Werk, dem Straßen- und Wohnungsanzeiger für die Stadt Berlin,
welches nebst einer detaillierten Stadtkarte [Allgemeiner Straßen- und
Wohnungsanzeiger für die Stadt Berlin, mit einem Grundriss von Berlin,
1812], eine statistische Tabelle von Berlin liefern sollte, in welcher die
Einwohner nach Stand, Gewerbe und Beschäftigung klassiert und die
Bediensteten öffentlicher Gebäude benannt sind. Zudem enthielt dieser
speziell nach den Polizeirevieren, illuminierte Karten mit dem Längen – und
Fußmaß der einzelnen Straßen versehen, welche als Wegweiser durch die
weitläufige Stadt dienen sollten. [Karten der 12 Polizeireviere, in
Allgemeiner Straßen- und Wohnungsanzeiger, 1812]
Durch eine zufällige Bekanntschaft mit dem Polizeioberpräsidenten von
Berlin von Schlechtendoil fand dieses Werk Erlaubnis, Unterstützung und
Interesse der polizeilichen Oberbehörde. Die benötigten Akten, die Bücher
aller Polizeirevierkommissarien wurden
fortan zu Sachs nach Hause geliefert, während
von Seiten der Unterbehörde, Verweise wegen unbefugter Schriftstellerei
erteilt worden sind. Das Werk wurde schließlich zu einem lokalen Erfolg und
konnte auch positiven Anklang am höchsten Ort und der Regierung erzielen,
welche mehrere Exemplare „pränumierten“.
Durch die so unter Beweis gestellte genaue Bekanntschaft mit Topographie
und Einwohnerschaft der Residenz, bekam Sachs den Auftrag der Finanzbehörde,
eine Vermögenssteuer zu organisieren. Es wurde von Sachs ein sogenanntes
„fliegendes Cataster“ von den Einwohnern Berlins eingerichtet, die die Stadt
analog zur Anzahl der Polizeireviere in 12 Steuerreviere teilte. Er ließ das
Cataster aus ebenso vielen Bögen bestehen, wie steuerpflichtige Personen in
der Stadt vorhanden waren. Auf jeden dieser Bögen war ein Formular gedruckt,
in dessen Rubriken die individuellen Notizen eingeschrieben worden sind.
Jedes Haus bekam sein Fach, jede Straße ihre Abteilung und jedes Revier sein
Repositorium. Im weiteren wurde auf Anregung von Sachs, aufgrund der
damaligen schlechten Kassenlage, die Mietsteuerabgabe eingeführt. Den in den
Händen der Mieter in Bereitschaft liegenden Mieten in der ganzen Monarchie
wurden Prozente entnommen und den Hauswirten auf ihren Service in Abrechnung
gestellt. Diese Steuer sollte sich im Verlauf des 19. Jahrhunderts zu der
Kommunalsteuer weiterentwickeln.
Als im Jahr 1813 Berlin mit durchziehenden Truppen im Verlauf der
Freiheitskriege tagtäglich überfüllt war und der ungewöhnliche Drang der
Umstände es erreichte, nicht nur die Hauseigentümer, sondern auch sämtliche
Mieter ohne alle Ausnahme zu bequartieren, häuften sich die Beschwerden der
Einwohner über Bedrückungen, die in parteiischer und rücksichtsloser
Verteilung bestanden. Vom Militärgouvernement erhielt Sachs den Auftrag,
eine Verwaltungsorganisation zu schaffen, welche in der Lage sein sollte,
die Truppenmassen gleichmäßig und gerecht über die Einwohnerschaft zu
verteilen. Sachs richtete daraufhin ein Einquartierungs - Controllbüro im
damaligen Cöllnischen Rathaus ein.
Die Lasten und Auslagen der Einwohnerschaft sollten nach seinen bewirkten
Bestimmungen später vom Staat wieder ausgeglichen werden. Es wurden Bons an
die Quartiergeber vergeben, welche nach dem angezeigten Abgang der inne
gehabten Mannschaft gegen die Vorlage eines entsprechenden Quartierbiletts
ausgegeben wurden. Es konnte somit auch eine Kontrolle über die
Einquartierung ausgeübt werden. Zudem entwarf Sachs eine Tabelle, durch die
sich jeder aufgrund einfacher Berechungen selbst überzeugen konnten, ob er
nach Gebühr bequartiert wurde. Diese Tabelle war für einige Groschen zu
haben und somit waren die allgemeinen Beschwerden über ungerechte
Verteilungen erledigt. „Auf den öffentlichen Straßen erblickte man überall
Menschengruppen stationiert, welche sich an dieser Lektüre weideten und
ihren Inhalt gleichsam verschlangen. Auch ich hatte die Satisfaktion, daß
lange nach meinem Abgange von der Einquartierungspartie, diese Tabelle immer
noch unter den Service-Verordneten im Gebrauch war.“
Bis zum Jahr 1817 sollte Sachs wieder ohne eine Anstellung, sich der freien
Tätigkeit als Schriftsteller und Architekt widmen. Er gab das Spiel, „Ein
Tag in Berlin“ heraus mit beigegebenen Abbildungen von den vorzüglichsten
architektonischen Monumenten Berlins.
„Ich hatte die Freude, daß dieses Unternehmen den Beifall Sr. Majestät des
Königs erhielt, und musste auf allerhöchstem Befehl sechs Exemplare davon
überreichen.“
Es folgten die Schriften „Der rechnende Haushalter“, ein Werk von größerem
Umfang und die Schrift: “Der wahre Prophet“,
welches im In- und Ausland einen großen Anklang fand, daß in dem selben Jahr
noch eine zweite Auflage erschien.
1816 konnte Sachs vier Blatt Zeichnungen von dem in Gadow in der Prignitz
erbauten Majoratserbbegräbnis des kurz zuvor verstorbenen Feldmarschalls von
Moellendorff auf der Akademieausstellung in Berlin einreichen. Dieses
Mausoleum ist im Stil der Revolutionsarchitektur
entworfen und als Landschaftsarchitektur im Wald errichtet worden. Zur
beigefügten Erklärung des Künstlers Salomo Sachs heißt es hier: „Das
Majorats – Erb – Begräbnis, worin die Hülle des verewigten Veterans der
preußischen Krieger ruhet, ist im einfachen und ernsten Stil erbauet. Vier
dorische Säulen tragen ein flaches Frontespice, in deren Vertiefung eine
Lampe als Symbol des irdischen Lebens aufgestellt ist. Die vier
Umfassungswände, welche mit sieben halbrunden Fenstern versehen, und
unterhalb derselben rustik verziert sind, schließen ein Gewölbe von 34 Fuß
Länge und 18 Fuß Breite ein. In jeder der beiden Längenseiten des Gewölbes
sind vier Vertiefungen eingewölbt, und zur Aufnahme von 8 Särgen bestimmt.
Der Sarg des Feldmarschalls und die Särge der beiden ersten Majoratsherren
haben ihren Platz an der Hinterwand, dem Eingange gegenüber, und befinden
sich frei unter dem großen Gewölbe aufgestellt. Die Beleuchtung des inneren
Raumes geschieht durch das an dieser Hinterwand angebrachte Fenster, und bei
feierlichen Gelegenheiten durch die von dem Gewölbe herabhängenden Lampen.
Die sechs anderen Fenster dienen bloß zur Hervorbringung der Luftzüge,
welche sich nach allen Richtungen unmittelbar über den Särgen durchkreuzen.
Zu beiden Seiten sind 2 mit Gardinen verhängte Räume befindlich, um
unsichtbare Chöre aufzustellen.“ [Katalog der Berliner
Akademieausstellungen, unter 1816: Herr Oberhofbauinspektor Sachs]
III.
1816 - 1819
Nach den Befreiungskriegen bewarb sich Salomo Sachs in den sich neu
formierenden Oberbehörden, der Oberrechenkammer und der königlichen Militär-
und Ministerial – Bau – Comission, der Nachfolgeeinrichtung des ehemaligen Oberhofbauamtes.
Diese Anstellungsgesuche wurden aufgrund des allgemeinen Prinzips, daß
Nichtchristen nicht zum Staatsdienst zugelassen wurden, abgelehnt.
Salomo Sachs beschwerte sich daraufhin in einer verbitterten, heute noch
überlieferten Schrift direkt vor dem König Friedrich Wilhelm III.. Die
Beschwerde fand Gehör und mittels einer allerhöchsten Kabinettsorder vom
24.04.1816, befahl der König die Wiederanstellung im Baufach als eine
Ausnahme von der Regel, nach welcher Juden zu Staatsdiensten nicht
zugelassen waren. [GSTA PK, I.HA Rep.93 B Min. der öffentlichen Arbeiten,
Nr. 320]
Diese Wiederanstellung bedeutete aber auch eine Rückstufung in der Position
innerhalb der Baubehörde. Statt in Berlin als Bauinspektor für die Pracht-
und Stadtbauten zu dienen, bekam Sachs als Kameralbaumeister die
Zuständigkeit für das Land- und Wasserbauwesen für den Kreis Christburg,
Graudenz, Marienwerder, Rosenberg und Schwetz in Westpreussen.
Neben der Aufgabe der Begutachtung von Bauschäden im Landkreis, konnte
Sachs zu dieser Zeit drei Kirchen nach Plänen von Schinkel errichten,
allerdings stellte sich die Zusammenarbeit mit dem vorgesetzten Baurat
Balkow als konfliktreich heraus.
„Als einen glücklichen Zufall musste ich es betrachten, daß gerade während
meiner dortigen Anwesenheit, nicht weniger als drei neue Kirchen, obgleich
nur von geringem Umfang, aber doch nach schinkelschen Entwürfen, erbauet
werden sollten.
Ungleich schroffer stellte sich dagegen das Missverhältnis für mich heraus,
meinem vorgesetzten Baurat B[alkow] gegenüber. Dieser war ein viel zu
tüchtiger und tätiger Kameral-Baumeister, als daß ihm die erforderliche Zeit
geblieben wäre, sich auch für den Prachtbau gehörig auszubilden, und so kam
es denn, daß er sich in den schinkelschen Bauskizzen, die nur äußerst leicht
hingeworfen waren, nicht zu recht finden konnte. [...]
Bei dem Kirchenbau zu St...[Stuhmsdorf o. Stargard ?] war man zur Zeit, als
ich eben meinen Dienst angetreten hatte, schon so weit vorgerückt, daß
sämtliche Fundamente aus der Erde ausgeführt waren. Bei meinem ersten Besuch
dieses Baues fand ich zu meinen größten Schecken, daß ein großes bedauerliches Missverhältnis in der Anlage
der Fundamente obgewaltet habe. Schinkel hatte nämlich, nur die
Umfassungsmauer massiv, den inneren Ausbau aber von Holz projektiert.
Bei dem zweiten projektierten Bau einer Kirche von Marienwerder ereigneten
sich ähnliche Konflikte zwischen uns beiden.[...] Auch zu diesem Bau hatte Schinkel flüchtige Skizzen
entworfen, und darin für den Kenner seine Ideen auf das Vollständigeste
niedergelegt. Zur Vermeidung jedes möglichen Missverständnisses, da der Plan
etwas verwickelterer Natur war, hatte der Meister in seinem Entwurfe
verschiedene Ansichten von der Kirche und deren Türmen mitgeteilt. Auf den
Grund dieser Skizzen ließ der Baurat Balkow, nach seinen Angaben durch einen
anderen Architekten, ausgeführte Zeichnungen anfertigen. Zu meiner näheren
Belehrung schien es mir jedoch nötig, bevor ich die Veranschlagung begänne,
die schinkelschen Skizzen selbst einzusehen und sie mit den ausgeführten
Zeichnungen zu vergleichen. Meine Vermutung, daß dieser geniale Künstler
hier abermals missverstanden worden sei, bestätigte sich nur zu sehr.
Überall walteten die größten Missgriffe ob, so daß, wenn man die Kirche nach
der vollständig ausgeführten detailierten Zeichnung hätte erbauen wollen, ein wahres monströses Bauwerk
entstanden sein würde.[...] Schinkel hatte zwei Türme projektiert, und hatte
selbige in verschiedenen Ansichten dargestellt. Jeder derselben kam daher
natürlicher Weise in der Skizze mehr als einmal vor, und so hatte man sich
dann verleiten lassen anzunehmen, die Kirche solle statt zwei, vier Türme
erhalten, und die Zeichnung danach eingerichtet. Diese willkürliche
Hinzufügung von noch zwei Türmen, die dem skizzierten Bau nicht entsprachen,
musste natürlich in demselben eine totale Verwirrung bringen und eine
richtige, durchgreifende Veranschlagung der Kosten ganz unmöglich
machen.“
Es folgte von Seiten Sachs eine offizielle Beschwerde über den
Regierungsbaurat Balkow an den höchsten Ort in Berlin, welche jedoch ohne
Antwort blieb.[ Beschwerden von Sachs über Balkow, GstA PK, I. Ha Rep. 93 B
] Proteste von Seiten Geistlicher über die Aufführung von Kirchenbauten
durch einen jüdischen Baumeister wurden durch eine Weisung höheren Orts als
unstatthaft zurückgewiesen und streng gerügt. [Antrag des Ob.Präs. v. Schön
um seine Versetzung u.a. aufgrund von Protesten Geistlicher über die
Ausführung von Kirchenbauten durch den jüdischen Baumeister S.Sachs, GstA
PK, I. HA Rep. 93 B]
Zu den besonderen Verdiensten von Salomo Sachs aus dieser Periode kann die
Errichtung einer Baugewerksschule 1819 in Marienwerder hervorgehoben werden,
welche in Eigeninitiative und mit geringsten Mitteln gegründet worden
ist.
„Es war schon immer höheren Orts die Errichtung einer Baugewerksschule für
das westpreussische Department, woselbst es durchaus an den ersten
Bildungsmitteln für Architekten und Techniker fehlte, als Bedürfnis
anerkannt. Die ungünstigen Umstände bestanden darin, daß es an den nötigen
Fonds zur Gründung eines solchen Instituts fehlte. Da waren keine Vorbilder, keine Modelle, keine
Lehrer, ja nicht einmal die Schüler waren vorhanden. Denn für die Wenigen,
die in Marienwerder selbst die Baukunst studieren wollten, konnte unmöglich
eine so kostbare Anstalt errichtet werden. Ich stellte mir daher aus eigenem
Antriebe, ohne von Seiten der königlichen Regierung, oder vom hohen
Ministerio im Geringsten dazu aufgefordert, oder auch nur angeregt worden zu
sein, die Aufgabe alle die obwaltenden Schwierigkeiten zu überwinden. Der
Mangel an Fonds sollte dadurch beseitigt werden, daß ich die erforderlichen
Zeichnungen und Vorbilder aus meiner eigenen Sammlung hergeben wollte. Die
Modelle sollten nach und nach von den Schülern selbst für die Schule
angefertigt werden. Was die anzustellenden Lehrer und ihre Besoldung betraf,
so wollte ich sie als in meiner Person vereinigt betrachten und den
Unterricht unentgeldlich leisten. In Hinsicht der Schüler endlich, glaubte
ich mir schmeicheln zu dürfen, daß der Ruf, den ich mir damals schon
einigermaßen im Fache der theoretischen Architektur erworben und der
Umstand, daß ich schon ehemals als Lehrer bei der Bauakademie gestanden,
hinreichend sein würde, Lernbegierige von nah und fern nach der Hauptstadt
Westpreussens zu ziehen.
Alle diese Vorsätze wurden auch in kurzer Zeit glücklich realisiert. Ich
reichte bei der königl. Regierung eine ausführliche Abhandlung über die
Organisation der neuen Kunstschule ein, und bat, daß sie selbige unter ihren
Schutz nehmen möge. Mein Plan wurde durchweg
genehmigt und gut geheißen. Auch wurde sogleich bewilligt, daß die Miete für
das Lokal und die Kosten für die Anschaffung der Tische und Stühle aus der
Regierungshauptkasse hergegeben werden sollten. [...]
Mit der Eröffnung der Baugewerksschule hatte ich nun die unaussprechliche
Freude, zu sehen, wie die Schüler meilenweit angereist kamen und wie sich
späterhin die Räume des Instituts nach und nach füllten. Mehrere Male
sendete die königliche Regierung einen ihrer Mitglieder ab, um den
Unterricht und meinem Vortrage beizuwohnen. Nach meinem Abgange von
Marienwerder ward die Schule in ein anderes Lokal verlegt, mehrere Lehrer
mit angemessenem Gehalt wurden angestellt und die Vorbilder vermehrt.“
IV.
1820 – 1830
Im Oktober 1819 ließ sich Salomo Sachs, seinem Wunsch gemäß, der Stellung
eines Kameralbaubeamten in Westpreussen entheben und sollte die Nachfolge
des Bauinspektors Hecker für die Stadt Potsdam antreten, um die
Immediatbauten zu inspizieren, welche für die Potsdamer Einwohner ausgeführt
werden sollten und deren Baugelder aus königl. Fonds flossen.
Von der Regierung in Potsdam wurde Sachs jedoch zurückgewiesen und ihm
eröffnet, „daß diese niemals darauf eingehen werde, sich in seiner Person
einen Beamten zu einem Posten aufdringen zu lassen, welcher durch den
gegenwärtigen Bauinspektor Hecker zur völligen Zufriedenheit der
vorgesetzten Behörde aufs Beste verwaltet werde.“ Auf Weisung der Ministerial-Bau -Commission wurde
Sachs dann auf den Posten für die Landbauten des vierten Baukreises im
Regierungsbezirk Potsdam verwiesen, mit den Zuständigkeiten für die Umgebung
Berlins in Nieder-Barnim, Ost–Havelland, Teltow, Charlottenburg, Cöpenick,
Oranienburg und Spandau u.a. [...]
Seine erste Amtshandlung war die Befestigung der Schönhauser Allee, welche
unmittelbar von der Residenz zu den Dörfern Pankow und Schönhausen führte
und in einem schlechten Zustand war. Diese wurde mit der Gründung eines
Vereins von Etablissementbesitzern aus Französisch – Buchholz, welches zu
den besuchtesten Vergnügungsorten der damaligen Berliner Einwohnerschaft
zählte, realisiert, welche die Kosten für die Anlegung einer Kunststraße
trugen.
Weitere Projekte waren die Erbauung des Schulhauses in Weißensee und die
Errichtung eines 400 Fuß langen Militärökonomiegebäudes auf dem Hof der
Kaserne des Alexander-Grenadier-Regiments in Berlin, welche aus
Kostenersparnis in einer Pisebauweise ausgeführt werden sollte. Mit dieser
Lehmbauweise hat Sachs sich überdies auch wissenschaftlich befasst, und gab
im Jahr 1822 das Buch „Über den verbesserten Pisebau“ heraus. 1825 erschien
ein noch größeres Werk über den Pisebau unter dem Titel „Anleitung zum
Erdbaue“. Der Pisebau war zur damaligen Zeit sehr umstritten, auch von
Seiten der königl. Oberbaudeputation, wie sich bei der Ausführung eines
Wohnhauses der königl. Fasanerie im Tiergarten zeigte. Es erging der Auftrag
für einen Entwurf in möglichst billiger und dennoch solider Bauweise an
Sachs, welcher die Zeichnung und den Bauanschlag in seiner verbesserten
Pisebauart einreichte. Die königl. Oberbaudeputation wurde daraufhin durch
eine königl. Kabinettsorder aufgefordert, ein Gutachten abzugeben und
entsendete Mitglieder zum ausgeführten Militärökonomiegebäude. Diese fällten
ein negatives Urteil über den Zustand des Gebäudes und rieten von einer
Ausführung des Wohngebäudes des königl. Fasanenmeisters in Pise ab.
Daraufhin wurde das Gebäude nach schinkelschen Plänen in Backstein
ausgeführt.
Die Errichtung einer Grenzmauer um Teile der königl. Pulverfabrik von 700
Fuß Länge durch Salomo Sachs vermehrte die Ungeschicke, nachdem ein Orkan
Teile dieser Mauer umstürzen ließ. „Auf diese Weise hatte sich Stoff genug
angehäuft, um der königl. Regierung meine Pensionierung wünschenswert zu
machen, welche dann auch im Sommer 1830 erfolgte.“
V.
Ab 1830
Ab 1830 widmete sich Salomo Sachs nur noch der Tätigkeit als freier
Schriftsteller. 1831 erschien sein umfangreiches Werk mit dem Titel „Über
das Baurecht in seinem ganzen Umfange oder Grundlage einer
vollständigen und zeitgemäß verbesserten
Bau-Ordnung.“ für welches er von der k. u. k.
Regierung in Wien die goldene Denkmünze erhielt.
Ein Jahr später veröffentlichte er den Druck, den „Wohlerfahrenen
Bauherrn“, ein Werk, das dazu dienen sollte, das bauende Publikum mit den
Wissenswürdigkeiten bei der Unternehmung von Bauten bekannt zu machen.
Dieses Werk enthielt auch einen vollständigen Bautarif.
Es folgten dann, „Die Schieferdeckkunst, ein Beitrag zur bürgerlichen
Baukunst“, ferner das „Spezial-Bau-Reglement für die Stadt Berlin“ und bis
1842 ein größeres Werk über die „Anfertigung von Bauanschlägen“. Es folgten
noch die „Anweisungen zur Anfertigung einer absolut wasserdichten
Dachdeckung“ und „Der Lehmbau und die flache Dachdeckung“. Diese entwickelte
Methode der flachen Dacheindeckung reichte Sachs als Immediatgesuch zur
Begutachtung und Ausführung auf dem Dach des Universitätsgebäudes in Berlin
bei der königl. Ministerial-Bau-Commision ein, welche in der Person des
Ministers Eichhorn in einem Ministerial-Rescript ein positives
Prüfungsergebnis attestierte, es „bei einem anderen vorkommenden Bau, wenn
es angeht, zu gebrauchen.“ [Ministerial-Rescript vom 04.12.1841, der
Schrift: „Mein 50jähriges Dienstleben“beigefügt]
Salomo Sachs starb 82jährig 1855 in Berlin.
Borris Dobbianer, 2005
Person: Salomo Joel Sachs, Berliner Klassik, hrsg. v. der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, 2003-2013. URL: https://berlinerklassik.bbaw.de/personen/2977.
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