1722
Anna Luisa Dürbach
wird am 1. Dezember als Tochter eines Wirts und
Brauers auf einer Meierei bei Züllichau in Niederschlesien geboren.
1728
Nach dem Tod des Vaters wächst sie bei einem Großonkel in Tirschtiegel/
Posen auf, wo sie lesen und schreiben lernt und großen Gefallen an der
Literatur findet. In ihren Briefen, die eine der wichtigsten Quellen ihrer
Biographie darstellen, erwähnt sie oft einen Hirtenjungen, der ihr
Bücher borgt.
1732
Rückkehr zur Mutter. Schwierigkeiten mit dem Stiefvater. An Johann
Georg Sulzer schreibt sie 1762 rückblickend: "Mein Stiefvater donnerte
wegen meiner Lesesucht auf mich los! Ich versteckte meine Bücher unter
verschwiegene Schatten eines Hollunderstrauchs und suchte von Zeit zu Zeit
mich in den Garten zu schleichen, um meiner Seele Nahrung zu geben. Die
verstohlenen Vergnügungen dauerten ein Jahr". (Karsch-Gleim I 1996, S.
345).
1738
Heirat mit dem Tuchhändler Hirsekorn aus Schwiebus. Die Ehe
gestaltet sich schwierig. Anna Louisa schreibt an Sulzer:
"Niehmals kontte man mich untter die Schönheitten zählen, und dennoch
fand sich unter den Jünglingen des Vatterlandes Einer, der mich suchte.
(...). Unßre Gemüther harmonirten schlecht; mein weiches schmellzendes Herz,
meine Zärtligkeit und Seine Begierde nach Reichthümern waren viel zu sehr
untterschieden, alß daß eine Glückseeligkeit in unßer Vereiniung möglich
war. Meine einzige Erquickung fand ich in Büchern, mit wellchen der
Hirttenknabe mich noch immer versorgte". (Karsch-Gleim I 1996, S. 348
ff.)
1749
Scheidung der Ehe gegen den Willen Anna Louisas. Heirat mit dem
Schneider Karsch aus Fraustadt. Während dieser Ehe Nebenverdienst durch
Gelegenheitsgedichte.
1750
Geburt der Tochter Caroline, die später ebenfalls Dichterin wird. Sie
ist eines von vier Kindern aus der zweiten Ehe, insgesamt das siebte Kind von
Anna Luisa Karsch. Die Ehe steht allerdings ebenso wenig unter einem guten
Stern wie die erste. Anna Louisas Briefe berichten verklausuliert von
Gewalttätigkeit und Trunksucht des Gatten. Den Eindruck einer unglücklichen
Verbindung bestätigen die Lebenserinnerungen der Tochter Caroline v. Klenke
von 1805, allerdings sucht sie die Schuld auch bei der Mutter.
1755
Umzug nach Groß-Glogau, dort lokaler Ruhm durch ihre Verse auf
Friedrich II., den sie verehrt.
1760
Der Ehemann wird, eventuell aufgrund einer fingierten Anklage durch
Freunde Anna Louisas, zum Kriegsdienst eingezogen. Um vom Militär wieder
loszukommen wendet er sich an seine Frau. Ihre briefliche Antwort fällt
ernüchternd für den Gatten aus: "Deine Eidschwüre und Deine Vorsätze
sind
mir bekannt: Du bist weder dem einen noch dem anderen getreu. Der Himmel und
die Luft hörten Dich ehedem schwören; ich glaubte Deinen Schwüren und betrog
mich. Sechs Wochen dauerte meine Glückseligkeit. Du nahmst sie mir. (...).
Ich wünsche Dir mit der stärkesten Stimme meines Herzens Besserung, aber ich
mag nichts davon profitieren, ich mag keine Zeugin davon sein. Einsam und
ruhig will ich meine Tage zubringen und Du sollst von mir nichts erfahren,
als daß ich eine Feindin des Lasters und immer Deine Freundin gewesen
bin". Über die Trennung schreibt sie zwei Jahre später retrospektiv an
Sulzer: "Ich befand mich gleich Einem, der von einem schweren Traume
erwacht". (Karsch 1933, S. 59 und 55).
Über den Verbleib des Gatten ist nur bekannt, daß er vom Militär
desertierte.
1761
Umzug nach Berlin, vermittelt durch ihren Gönner Baron von Kottwitz. In
Berlin Bekanntschaft mit den Dichtern Karl Wilhelm Ramler, Ludwig Gleim und
Johann Georg Sulzer, mit denen sie in engem Briefkontakt steht.
1761 bis 1762
Aufenthalte in Magdeburg und Halberstadt, hier Verbindungen zum preußischen
Königshaus. Ehrenmitglied der Wissenschaftlichen Gesellschaft der
Helmstedter Universität. Rückkehr nach Berlin. Zu Beginn des folgenden
Jahres wird Friedrich II. in Berlin erwartet. Ein Brief an Gleim aus dem
Januar 1763 verdeutlicht Anna Louisas hohe Wertschätzung:
"Die ResidenzStadt mein allerschäzbahrster freund, die Palläste zu
Berlin
thönen von den Gesprächen des Vollks, man redet die Zurükkunft des Königs,
man zählet die friedenspuncte her, man Ernenet den Tag der Ausposaunung und
beschreibt die münzortte die umher geworfen werden sollen, aber man spricht
dem König die Vestung Glaz ab, und Ich widerspreche harrtnäkicht allen
beschreibungen, allen Nachrichten widerspreche ich, mir würden gewiß Kräffte
fehlen mich recht zu freuen wenn der friedensplan dem Ruffe gemäß sein
solltte, Ich dächt mir nur einen Sechsjährigen Zwischenraum bis zum Anfang
eines noch grausameren Krieges, nein erst muß die schwer versöhnliche
Theresia den vierdtten theil ihrer Länder verliehren, Ihrem Stollzen
zweyköpfichten Adler müßen die flügel verschnitten werden/ Eh der so
genannte Ewige Vergleich untterzeichnet wird, Ich scheine ziemlich grausam
zu sein indem ich diese forderrung hinschreibe, aber sie ist für die Ehre
und sicherheit des preußischen Throns höchst nothwendig, bey diesem frieden
den man iezt annimt kan sich freidrichs Sängerrin kein Sabinisches
Landgütchen von ihm außbitten und das will sie doch in Wahrheit mein
Liebster daß will ich, alß denn sollttte Wellt noch Eine Samlung von mir
sehen alß die sein wird mit welcher Sie soviel mühe haben". (Karsch-Gleim
I
1996, S. 175).
1763
Im August erhält sie eine Audienz bei Friedrich II.
Am 15. August gibt sie in einem Brief an Gleim den Dialog mit dem König
wieder:
"Nun aber trat er herein!
Ist Sie die Poetin?
Ja! Ihro Majestädt. Man nennt mich so!
(...)
Durch wen aber ward sie eine Poetin?
Durch die Natur, und durch die Siege Ew. Majestät!
Wer aber lehrte sie die Regeln?
Ich weiß von keinen Regeln!
Von keinen Regeln? Das ist nicht möglich! Sie muß doch das Metrum
wißen?
Ja! Ihro Majestät! aber ich beobachte das Metrum nach dem Gehör, und weiß
ihm keinen Nahmen zu geben!
Wie kommt sie mit der Sprache zurecht? Wenn sie sie nicht lernte?
Meine Muttersprache hab ich so ziemlich in meiner gewalt!
Das glaub ich, was die Feinheiten betrifft, wie aber stets mit der
Grammatik?
Von der hab ich die Gnade Ew. Majestät zu versichern, daß ich nur kleine
Fehler mache!
Man muß aber gar kein machen (er lächelte)".
Friedrich fragt im Folgenden nach ihren Lieblingsdichtern, ihrem
Ehemann und ihrer finanziellen Situation. Am Ende der Unterredung
verspricht er, für Karschs Lebensunterhalt zu sorgen. Ein Versprechen, daß
nicht gehalten wird. Anna Louisa schließt ihren Bericht mit den
Worten:
"Ich taumelte den Saal hinaus! General Lentulus begegnete mir. Ich weiß
nicht, was ich ihm sagte". (Karsch-Gleim I 1996, S. 183
ff.).
1764
Veröffentlichung der "Auserlesenen Gedichte" bei Georg Ludwig
Winter in
Berlin. Die Vorrede stammt von Sulzer. Bis zu ihrem Tod erscheinen mehrere
Gedichtbände.
1789
Friedrich Wilhelm II. lässt ein bereits von Friedrich dem Großen
versprochenes Wohnhaus in der Alten Kommandantenstraße 1 für die Dichterin
errichten: "Die vaterländische Sängerin
sollte nicht blos für Ihre Person der königlichen Huld genießen, Ihre späteste
Nachkommenschaft sollte zugleich ein schätzbares Denkmal besitzen, welcher
Gnade Friedrich Wilhelm der großen Dichterin in seinen Staaten würdigte",
so die "Rede beim Grundsteinlegen
zum Hause der Frau Anna Luise Karschin" (Erinnerungen aus meinem Leben. Von der
Herausgeberin. Berlin 1817 niedergeschrieben, in: Aurikeln. Eine Blumengabe von
deutschen Händen, hg. von Helmina von Chezy [sic!] geb. Freyin von Klencke,
Berlin. Bei Duncker und Humblot [1818], S. 17).
1791
Anna Luisa Karsch stirbt am 12. Oktober 69 jährig in Berlin.
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Anna Louisa Karsch entstammte ärmlichen Verhältnissen und begann ihre
dichterische Tätigkeit mit Gelegenheitsgedichten, um sich einen
Nebenverdienst zu schaffen. Durch ihre Verse in den 50er Jahren des
Person: Anna Louisa Karsch, Berliner Klassik, hrsg. v. der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, 2003-2013. URL: https://berlinerklassik.bbaw.de/personen/738.
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