Stobwasser, Sohn eines Wanderhändlers, entwickelte nach Anregungen der
Lackwarenherstellung in Ansbach experimentell die Rezeptur eines hochwertigen
Lacks und nahm daraufhin zunächst in seiner Heimat, ab 1763 in Braunschweig die
Lackwarenproduktion auf. Seine Warenpalette umfaßte schnell die gesamte
traditionelle Lackkunst - lackierte Stockknäufe und Trinkbecher sowie das
Lackieren von Kutschen und Sänften, Uniform- und Ausrüstungsteilen der Armee,
Möbel. Auch fertigte er lackierte Galanteriewaren wie sie in England und
Frankreich bekannt waren - Schatullen und Dosen, insbesondere Tabaksdosen,
Tabletts und Teller etc. –, erweiterte dieses Sortiment erheblich um die verschiedensten
Gebrauchsgegenstände und Hausrat – vom Toilettenartikel bis hin zu Leuchtern
und Lampen – und brachte seine Lackwaren in Deutschland in Mode. Ein breites
Spektrum der Gesellschaft, vom unteren Bürgertum über die Aristokratie bis hin zu
den Höfen, stellte Stobwassers Kundschaft dar. Schon früh entstand eine Reihe
von gleichartigen, meist selbst nicht innovativen Manufakturen, zuerst in
Braunschweig, dann in Berlin, wo Stobwasser im Jahr 1797 ein Zweigunternehmen
gründete, schließlich vielerorts. Die erste Generation dieser
Konkurrenzunternehmen wurde ausschließlich von früheren Angestellten
Stobwassers errichtet. Sehr oft sind die Produkte der Konkurrenz so gut wie
nicht von denen Stobwassers zu unterscheiden.
Stobwassers Produkte, üblicherweise
aus Papiermaché, Blech oder Zinn, zeichnen sich durch eine
hochveredelnde Lackierung, eine zeitgemäße Form sowie eine feine Bemalung aus. Erst
in den späteren Jahrzehnten wurde diese meist nur noch fabrikmäßig ausgeführt.
Wo eine als Bildfeld geeignete Fläche war, wie auf Tabaksdosen, Tabletts, bei Möbeln
etc., wurden bildmäßige Malereien angebracht - überwiegend Landschaften,
Porträts von Prominenten wie von Privatpersonen, Erotica, Darstellungen mit
Bezügen zu den Ereignissen der Zeit, (Miniatur-)Kopien von Altmeistergemälden,
später auch von zeitgenössischen Genrebildern. Außer der bildmäßigen Malerei
weisen die Lackwaren Stobwasserscher Prägung eine nicht selten reiche
Ornamentmalerei auf.
Stobwasser selbst hatte
autodidaktisch künstlerische Fertigkeiten erlangt. In den Anfangsjahren
übernahm er die Bemalung eines Teils seiner Produktion selbst. Eigenhändige
Arbeiten sind bislang nicht nachweisbar.
Mit dem Aufschwung des Betriebs
seit den 1770er Jahren wurde die Malerei nach dem Muster der Porzellanmanufakturen
eingerichtet. Wie jene bildete die Lackkunstmanufaktur eigene Kräfte heran;
mehrere Lehrlinge arbeiteten unter der Aufsicht einiger Maler und des
Malereivorstehers; hier wie dort wurden neben den Fabrikmalern gelegentlich
oder regelmäßig freie Künstler beschäftigt (insgesamt waren z. B. um 1790 in
Braunschweig ca. 40 Maler beschäftigt, in Berlin 1797-1806 ca. 10 bis ca. 35
Maler, um 1808 bis zu 50). Auch personell war die Lack- eng mit der
Porzellanmalerei verbunden; zahlreiche Maler wechselten von der einen zur
anderen Gattung über oder waren für beide Betriebe tätig. Das bedeutendste
Beispiel hierfür ist der Braunschweiger Landschaftsmaler Pascha Johann
Friedrich Weitsch (1723-1803), der in den 70er und 80er Jahren prägenden
Einfluß auf die Malerei bei Stobwasser ausübte. In den 90er Jahren machte sich
daneben der Einfluß von Weitschs ältestem Sohn Friedrich Georg (1758-1828)
geltend, der nach seiner Übersiedlung nach Berlin zeitweilig der Malerei des
dortigen Stobwasserwerks vorstand.
Auf die Braunschweiger Malerei war
die Ansiedlung Stobwassers von nachhaltiger Wirkung. Nicht nur bot er
ortsansässigen und wandernden Malern Aufträge, er rekrutierte auch
Nachwuchskräfte aus der Einwohnerschaft sowie aus Kreisen der Herrnhuter Brüdergemeinden,
denen er selbst angehörte. Eine große Zahl von Malern hat in den Manufakturen
Stobwassers diese Bahn eingeschlagen. Viele davon haben sich anschließend an
Kunstakademien weitergebildet, einige sich mit ihrer Kunst einen Namen gemacht.
So gut wie alle Maler in Braunschweig standen in mehr oder weniger enger
Verbindung mit der Lackkunst Stobwassers bzw. seiner Epigonen. Weniger
einschneidend war die Wirkung in Berlin, wo das Kunstleben zu reichhaltig war,
als daß eine Lackkunstmanufaktur dieses hätte dominieren können, und wo zudem
mit der Kunstakademie eine Behörde als Zentrum bestand. Dennoch hat Stobwasser
auch hier als Auftraggeber eine Rolle gespielt, dies insbesondere, als in
napoleonischer Zeit die übrige Kunstproduktion beinahe zum Erliegen kam,
Stobwasser aber Konjunktur hatte. Auch Schinkel hat in diesen Jahren für
Stobwasser gearbeitet. An beiden Standorten war die Firma Stobwasser ein wichtiger
künstlerischer und wirtschaftlicher Faktor.
Stobwasser wurde beim Aufbau seiner
Werke durch merkantilistische Fördermaßnahmen von den Regierungen Braunschweigs
und Preußens unterstützt. Die Ursache der Filialgründung Ende 1797 in Berlin
dürfte die Erhöhung der preußischen Einfuhrzölle gewesen sein, durch welche
Stobwasser in einen Wettbewerbsnachteil gegenüber der zunehmenden inländischen
Konkurrenz geraten war. Mit mehrfach wechselnden Teilhabern und mit seinem Sohn
Christian Heinrich, der 1797 in das Unternehmen eingetreten war, leitete
Stobwasser den Aufbau des Betriebs. 1801 oder 1802 kehrte er nach Braunschweig
zurück.
1808 machte er seinen Sohn zum
Teilhaber, zwei Jahre später gab er beide Werke vollständig an ihn weiter.
Weiterhin übte er jedoch in Braunschweig eine Aufsichtsfunktion aus, dies noch
einmal verstärkt nach der Übersiedlung seines Sohnes nach Berlin im Jahr 1818.
Abgesehen hiervon lebte Stobwasser im Alter immer ausschließlicher seiner
herrnhuterischen Frömmigkeit.
Er unternahm Handlungsreisen in
ganz Deutschland und angrenzenden Gebieten (Baltikum, Russland) sowie Besuchsreisen
bei Niederlassungen von Herrnhuter in Sachsen, der Lausitz, Schlesien, Preußen,
Bremen.
Reimar Lacher
Quellen: Stadtarchiv Braunschweig, CVII:313, Personalienslg. u. a.;
Niedersächsisches Staatsarchiv Wolfenbüttel, 4 Alt 5, Nr. 385 u. a.;
Geheimes
Staatsarchiv zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, HA II, Abt. 25, Tit. CDXVIII,
Nr. 77 und Abt. 26, Tit. CCCXX, Nr. 91;
Landesarchiv Berlin, A Rep. 010-02, Nr.
6282;
Christian Heinrich Stobwasser: Die merkwürdigsten Begebenheiten aus der
Lebensgeschichte von Johann Heinrich Stobwasser. Braunschweig 1830;
Christian
Scherer: Joh. Heinr. Stobwasser und seine Lackwaarenfabrik in Braunschweig. In:
Braunschweigisches Magazin, 1900, S. 49-55;
Franz Fuhse: Vom Braunschweiger
Tischlerhandwerk - Stobwasserarbeiten. Braunschweig 1925 (Braunschweiger
Werkstücke 1);
Detlev Richter: Lackdosen. München 1988
Person: Johann Heinrich Stobwasser, Berliner Klassik, hrsg. v. der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, 2003-2013. URL: https://berlinerklassik.bbaw.de/personen/723.
Link zu den API-Daten: https://berlinerklassik.bbaw.de/api/personen/723