Johann Heinrich Stobwasser

Lebensdaten

Nachname:
Stobwasser
Vorname:
Johann Heinrich
Geburtsdatum:
16.11.1740
Geburtsort:
Lobenstein
Geschlecht:
männlich
Todesdatum:
31.08.1829
Sterbeort:
Braunschweig
Beruf(e):
  • Lackwarenfabrikant
  • Erfinder
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Biographie

Lebenslauf:
1740
Johann Heinrich Stobwasser wird am 16. November als Sohn des Glasermeisters und Kleinhändlers Georg Sigismund Stobwasser und der Christine Elisabeth in Lobenstein im sächsischen Voigtland geboren. Die Familie ist arm und sehr religiös, dem Pietismus zugetan. Die starke Frömmigkeit bleibt zeitlebens für die Familie prägend. Stobwasser begleitet den arbeitsuchenden Vater auf Wanderungen durch Deutschland. Stationen sind u. a. die Städte Mainz, Frankfurt a. M., München, Augsburg, Ansbach und Nürnberg. Die Reisen über Kunst- und Handwerkermärkte wecken sein Interesse für Lackarbeiten und Lackherstellung. Er entwickelt eigene Techniken und lackiert Dosen, Trinkbecher und Kästchen.

1760
Der Markgraf von Bayreuth wird auf die Kunstfertigkeit des 20jährigen aufmerksam und bietet ihm die Ausbildung in seiner Malerakademie an. Stobwasser schlägt das Angebot jedoch aus und bleibt im Geschäft des Vaters, das trotz der Erfolge des Sohnes keine großen Gewinne macht.

1763
Die achtköpfige Familie folgt dem Aufruf des Herzogs von Braunschweig, der Künstler und Handwerker anwerben möchte und eröffnet eine Lackwarenfabrik. Nach anfänglichen Schwierigkeiten kann sich die Familie in Braunschweig etablieren. Ein von Stobwasser lackiertes Gewehr macht auf den Herzog großen Eindruck. Er läßt sein ganzes Regiment mit kunstvoll lackierten Karabinern ausstatten. Die Familie erhält ihren ersten Großauftrag.

1768
Der Betrieb besteht aus 24 Mitarbeitern.

1774
Der Herzog schenkt der Familie ein herrschaftliches Haus in der Stadt. Die Erzeugnisse, vornehmlich Kaffee- und Präsentierbretter, Tischplatten, Dosen, Pfeifenköpfchen und Büchsen finden großen Absatz. Hochzeit von Stobwasser mit Sophie Elisabeth Gersting, einer Tischlertochter aus Hannover.

1775
Auf Betreiben der Schwester Luise Dorothee und ihres Mannes Johann Guèrin wird eine Fabrik in Berlin in der Wilhelmstraße eröffnet.

1776
Tod des Vaters. Stobwasser übernimmt das Geschäft in Braunschweig.

1778
Geburt der Tochter Henriette.

1782
Die Lackierfabrik in Berlin erwirtschaftet 3111 Rthl. und ist damit das zweitgrößte Unternehmen dieser Art in der Stadt.

1785
Geburt des Sohnes Johann Ludwig.

1797
Der Fabrik in Berlin wird ein königliches Privileg ausgestellt. Der Betrieb ist nach der ebenfalls privilegierten Lackierfabrik Chevalier der zweitgrößte seiner Art in Berlin. Es werden nun auch Kutschen und Droschken lackiert. Stobwasser zieht für vier Jahre in die preußische Hauptstadt.

Ab 1800
fungiert die Fabrik in Berlin als eine Art Ausbildungsstätte und Kunstschule mit eigener Gemäldegalerie und dient einigen Schülern als Sprungbrett zur Kunstakademie.
1802
Die Stobwassersche Lackfabrik zeigt bei der Berliner Akademieausstellung folgende Arbeiten: Vier "ovale Plateuas" in der Größe zwischen 29 und 31 Zoll "mit Figuren gemalt von Herrn Stürmer, nach einem Kupferstich aus dem Sturm von Shakespear, Akt 4, Scene1", "mit Figuren von demselben Maler, vorstellend eine der berühmtesten Schmieden in Irland", "mit Figuren von demselben Maler, Paulus Aemilius, gestochen von Bartolozzi nach Angelika Kauffmann" sowie "mit Figuren von demselben Maler, Friedrich II und General Zieten bei Leuthen den 5. Decbr. 1757 gestochen von Meno Haas, nach der Zeichnung von [Karl Friedrich] Hampe", die ersten zwei scharz, das dritte weiß und das letzte rot lackiert (Börsch-Supan, Kataloge, 1. Bd. 1802:393-396).

1804
Unter den ausgestellten "Fabrik- und Gewerkarbeiten" im Katalog der Berliner Akademie wird "Ein Kaminschirm, bestehend aus drei lakkirten Platten mit Landschaften und mythologischen Figuren bemalt. Der Rahmen ist vom Bildhauer gearbeitet und ächt vergoldet" der Stobwasserschen Lackfabrik gezeigt (Börsch-Supan, Kataloge, 1. Bd. 1804:527).
1809
Tod der Gattin Sophie Elisabeth.

1810
Stobwasser setzt seinen Sohn als Geschäftsführer ein. Bei der diesjährigen Berliner Akademieausstellung werden "Zwei antike Schaalenträger" gezeigt. Die beiden Arbeiten werden im Anhang des Kataloges unter den nachgereichten Stücken vermerkt (Börsch-Supan, Kataloge, 1. Bd. 1810:418).

1812
Stobwasser geht eine zweite Ehe ein und heiratet Katharine Röntgen, die Mutter seines Schwiegersohnes.

1818
Endgültige Übersiedlung des Sohnes nach Berlin.

1822
Die Stobwassersche Lackfabrik ist zum letzten Mal bei der Berliner Akademieausstellung vertreten. Dem Publikum wird "Ein Blumengefäß, in antiker Form; Lapis-Lazuli Farbe; Henkel und Füße von vergoldeter Bronze. An den Seiten zwei Medaillons, den Sommer und Herbst vorstellend" gezeigt (Börsch-Supan, Kataloge, 1. Bd. 1822:602).
1825
Tod Katharines.

1829
Am 31 August erliegt Stobwasser den Folgen eines Schlaganfalls und wird in Braunschweig bestattet.

1832
beschäftigt die in England und Frankreich bekannte Fabrik 120 Maler. In eine Aktiengesellschaft umgewandelt, bleibt das Unternehmen bis weit ins 19. Jahrhundert hinein im Familienbesitz. Die Fabrik in Braunschweig wird in diesem Jahr verkauft.

SH


Stobwasser, Sohn eines Wanderhändlers, entwickelte nach Anregungen der Lackwarenherstellung in Ansbach experimentell die Rezeptur eines hochwertigen Lacks und nahm daraufhin zunächst in seiner Heimat, ab 1763 in Braunschweig die Lackwarenproduktion auf. Seine Warenpalette umfaßte schnell die gesamte traditionelle Lackkunst - lackierte Stockknäufe und Trinkbecher sowie das Lackieren von Kutschen und Sänften, Uniform- und Ausrüstungsteilen der Armee, Möbel. Auch fertigte er lackierte Galanteriewaren wie sie in England und Frankreich bekannt waren - Schatullen und Dosen, insbesondere Tabaksdosen, Tabletts und Teller etc. –, erweiterte dieses Sortiment erheblich um die verschiedensten Gebrauchsgegenstände und Hausrat – vom Toilettenartikel bis hin zu Leuchtern und Lampen – und brachte seine Lackwaren in Deutschland in Mode. Ein breites Spektrum der Gesellschaft, vom unteren Bürgertum über die Aristokratie bis hin zu den Höfen, stellte Stobwassers Kundschaft dar. Schon früh entstand eine Reihe von gleichartigen, meist selbst nicht innovativen Manufakturen, zuerst in Braunschweig, dann in Berlin, wo Stobwasser im Jahr 1797 ein Zweigunternehmen gründete, schließlich vielerorts. Die erste Generation dieser Konkurrenzunternehmen wurde ausschließlich von früheren Angestellten Stobwassers errichtet. Sehr oft sind die Produkte der Konkurrenz so gut wie nicht von denen Stobwassers zu unterscheiden.

Stobwassers Produkte, üblicherweise aus Papiermaché, Blech oder Zinn, zeichnen sich durch eine hochveredelnde Lackierung, eine zeitgemäße Form sowie eine feine Bemalung aus. Erst in den späteren Jahrzehnten wurde diese meist nur noch fabrikmäßig ausgeführt. Wo eine als Bildfeld geeignete Fläche war, wie auf Tabaksdosen, Tabletts, bei Möbeln etc., wurden bildmäßige Malereien angebracht - überwiegend Landschaften, Porträts von Prominenten wie von Privatpersonen, Erotica, Darstellungen mit Bezügen zu den Ereignissen der Zeit, (Miniatur-)Kopien von Altmeistergemälden, später auch von zeitgenössischen Genrebildern. Außer der bildmäßigen Malerei weisen die Lackwaren Stobwasserscher Prägung eine nicht selten reiche Ornamentmalerei auf.

Stobwasser selbst hatte autodidaktisch künstlerische Fertigkeiten erlangt. In den Anfangsjahren übernahm er die Bemalung eines Teils seiner Produktion selbst. Eigenhändige Arbeiten sind bislang nicht nachweisbar.

Mit dem Aufschwung des Betriebs seit den 1770er Jahren wurde die Malerei nach dem Muster der Porzellanmanufakturen eingerichtet. Wie jene bildete die Lackkunstmanufaktur eigene Kräfte heran; mehrere Lehrlinge arbeiteten unter der Aufsicht einiger Maler und des Malereivorstehers; hier wie dort wurden neben den Fabrikmalern gelegentlich oder regelmäßig freie Künstler beschäftigt (insgesamt waren z. B. um 1790 in Braunschweig ca. 40 Maler beschäftigt, in Berlin 1797-1806 ca. 10 bis ca. 35 Maler, um 1808 bis zu 50). Auch personell war die Lack- eng mit der Porzellanmalerei verbunden; zahlreiche Maler wechselten von der einen zur anderen Gattung über oder waren für beide Betriebe tätig. Das bedeutendste Beispiel hierfür ist der Braunschweiger Landschaftsmaler Pascha Johann Friedrich Weitsch (1723-1803), der in den 70er und 80er Jahren prägenden Einfluß auf die Malerei bei Stobwasser ausübte. In den 90er Jahren machte sich daneben der Einfluß von Weitschs ältestem Sohn Friedrich Georg (1758-1828) geltend, der nach seiner Übersiedlung nach Berlin zeitweilig der Malerei des dortigen Stobwasserwerks vorstand.

Auf die Braunschweiger Malerei war die Ansiedlung Stobwassers von nachhaltiger Wirkung. Nicht nur bot er ortsansässigen und wandernden Malern Aufträge, er rekrutierte auch Nachwuchskräfte aus der Einwohnerschaft sowie aus Kreisen der Herrnhuter Brüdergemeinden, denen er selbst angehörte. Eine große Zahl von Malern hat in den Manufakturen Stobwassers diese Bahn eingeschlagen. Viele davon haben sich anschließend an Kunstakademien weitergebildet, einige sich mit ihrer Kunst einen Namen gemacht. So gut wie alle Maler in Braunschweig standen in mehr oder weniger enger Verbindung mit der Lackkunst Stobwassers bzw. seiner Epigonen. Weniger einschneidend war die Wirkung in Berlin, wo das Kunstleben zu reichhaltig war, als daß eine Lackkunstmanufaktur dieses hätte dominieren können, und wo zudem mit der Kunstakademie eine Behörde als Zentrum bestand. Dennoch hat Stobwasser auch hier als Auftraggeber eine Rolle gespielt, dies insbesondere, als in napoleonischer Zeit die übrige Kunstproduktion beinahe zum Erliegen kam, Stobwasser aber Konjunktur hatte. Auch Schinkel hat in diesen Jahren für Stobwasser gearbeitet. An beiden Standorten war die Firma Stobwasser ein wichtiger künstlerischer und wirtschaftlicher Faktor.

Stobwasser wurde beim Aufbau seiner Werke durch merkantilistische Fördermaßnahmen von den Regierungen Braunschweigs und Preußens unterstützt. Die Ursache der Filialgründung Ende 1797 in Berlin dürfte die Erhöhung der preußischen Einfuhrzölle gewesen sein, durch welche Stobwasser in einen Wettbewerbsnachteil gegenüber der zunehmenden inländischen Konkurrenz geraten war. Mit mehrfach wechselnden Teilhabern und mit seinem Sohn Christian Heinrich, der 1797 in das Unternehmen eingetreten war, leitete Stobwasser den Aufbau des Betriebs. 1801 oder 1802 kehrte er nach Braunschweig zurück.

1808 machte er seinen Sohn zum Teilhaber, zwei Jahre später gab er beide Werke vollständig an ihn weiter. Weiterhin übte er jedoch in Braunschweig eine Aufsichtsfunktion aus, dies noch einmal verstärkt nach der Übersiedlung seines Sohnes nach Berlin im Jahr 1818. Abgesehen hiervon lebte Stobwasser im Alter immer ausschließlicher seiner herrnhuterischen Frömmigkeit.

Er unternahm Handlungsreisen in ganz Deutschland und angrenzenden Gebieten (Baltikum, Russland) sowie Besuchsreisen bei Niederlassungen von Herrnhuter in Sachsen, der Lausitz, Schlesien, Preußen, Bremen.

Reimar Lacher



Quellen: Stadtarchiv Braunschweig, CVII:313, Personalienslg. u. a.;
Niedersächsisches Staatsarchiv Wolfenbüttel, 4 Alt 5, Nr. 385 u. a.;
Geheimes Staatsarchiv zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, HA II, Abt. 25, Tit. CDXVIII, Nr. 77 und Abt. 26, Tit. CCCXX, Nr. 91;
Landesarchiv Berlin, A Rep. 010-02, Nr. 6282;
Christian Heinrich Stobwasser: Die merkwürdigsten Begebenheiten aus der Lebensgeschichte von Johann Heinrich Stobwasser. Braunschweig 1830;
Christian Scherer: Joh. Heinr. Stobwasser und seine Lackwaarenfabrik in Braunschweig. In: Braunschweigisches Magazin, 1900, S. 49-55;
Franz Fuhse: Vom Braunschweiger Tischlerhandwerk - Stobwasserarbeiten. Braunschweig 1925 (Braunschweiger Werkstücke 1);
Detlev Richter: Lackdosen. München 1988

Werke/Literatur

Register

Fachregister:
  • Wirtschaft
Gruppen/Vereinigungen-Register:
  • Sing-Academie

Person: Johann Heinrich Stobwasser, Berliner Klassik, hrsg. v. der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, 2003-2013. URL: https://berlinerklassik.bbaw.de/personen/723.

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