Lebenslauf:
1767
Saul Ascher wird am 6. Februar als Sohn einer wohlhabenden jüdischen
Familie in Berlin geboren.
1788
"Bemerkungen über die Bürgerliche Verfassung der Juden". In seinen
theoretischen Schriften widmet sich Ascher zeitlebens dem Kampf um die
gesellschaftliche Emanzipation und Integration des deutschen Judentums. Im
Geist der Spätaufklärung wirbt er für die Ideale religiöser Toleranz und
bürgerlicher Gleichberechtigung.
1789
Heirat mit Rachel Spanier, einer Tochter des Vorsitzenden der
Ravensberger Landjudenschaft.
Bis 1811 ist der hochgebildete Ascher Buchhändler in Berlin, danach
arbeitet er als freier Schriftsteller. Saul Ascher publiziert insgesamt 25
Werke: Neben Belletristik vor allem Schriften mit religionskritischen,
politischen, staatstheoretischen Fragestellungen.
1792
"Leviathan oder Religion in Rücksicht des Judentums".
1797
Gründung des Zeitschriftenprojektes "Ephemeren". In den darauf
folgenden Jahren gründet Ascher immer wieder Zeitschriften, die meist nach
kurzer Zeit wieder eingestellt werden. Revolutionsbegeisterung und
kosmopolitische Gesinnung machen ihn zum Parteigänger Napoleons.
1808
Die Schrift "Napoleon oder über die Fortschritte der Regierung in Berlin"
erscheint.
1810
Ascher wird aufgrund seiner Parteinahme für Napoleon vorübergehend
inhaftiert. Seiner Überzeugung wegen steht er in entschiedenem Gegensatz zu
romantisch-restaurativen Kreisen wie der "Christlich-Deutschen
Tischgesellschaft" (Mitglieder waren u.a. Arnim, Brentano und Kleist).
1817
Aschers Tendenzschrift gegen antisemitische Auffassungen "Die
Germanomanie. Skizze zu einem Zeitgemälde" von 1815 wird auf dem
Wartburgfest der Burschenschaften verbrannt.
1818
Aschers Pamphletschrift "Die Wartburgfeier", die sich abermals gegen
die Deutschtümelei der Burschenschaften richtet, erscheint.
1819
"Ansicht von dem künftigen Schicksal des Christentums".
1820
"Europas politischer und ethischer Zustand nach dem Kongreß zu Aachen".
Inhalt der beiden letzten Flugschriften Aschers sind u.a. seine
Vorstellungen über eine, die partikularen Religionsformen auflösende
Universalreligion und seine Fürsprache für einen politischen Völkerbund.
1822
Ascher stirbt am 8. Dezember 55 jährig in Berlin.
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Saul Ascher gilt als Vorläufer des heutigen Reformjudentums. Mit seinen
frühen Schriften bereitet er die Emanzipation der Juden vor, indem er das
Thema öffentlich macht. Als streitbarer Charakter polemisiert er in seinen
Schriften gegen die Frühromantik und gegen Fichte. Später stellt er sich als
Parteigänger Napoleons gegen die patriotische Bewegung und sieht im
aufkeimenden Nationalismus und Antisemitismus der Burschenschaften und der
"Christlich Deutschen Tischgesellschaft" eine grundsätzliche Gefahr für ein
liberales Deutschland. Ascher gibt verschiedene literarische Zeitungen
heraus und schreibt neben seinen philosophischen Werken auch Gedichte und
Romane, die Heinrich Heine als "Materialismus (...) ohne jeden Witz und
ohne Pointe" verspottet. Aschers Werk bleibt lange unbeachtet oder
verkannt. Erst in den 1960er und 1970er Jahren gewinnen seine konsequenten
Warnungen vor den Folgen des Nationalismus wieder zunehmendes Interesse,
vornehmlich in der jüdischen Forschung.
SH