1756
Am 8. Mai wird Ignaz Aurelius als Sohn des aus Weingarten in der
Kurpfalz stammenden Johann Georg Feßler und seiner Frau, Anna Maria, Tochter
des Seidenfabrikanten Kneidinger, in Zurndorf an der Leitha in Niederungarn
(Burgenland) geboren.
Schulbesuch in Preßburg und Raab.
1773
Eintritt in den Kapuzienerorden im Kloster zu Moor unter dem Namen
Innocentius. Anschließend besucht Feßler weiterer Klöster.
1774
Am 9. Juli legt er sein Ordensgelübde im Kloster Besny bei Pesth ab.
1779
Am 25. Mai empfängt Feßler die Priesterweihe im Kloster Schwächat bei
Wien.
Seit 1781
Aufenthalt im Wiener Kapuzienerkloster und Studium der Theologie in
Wien.
1783
Promotion. Feßler ist ein Anhänger des Jansenismus, läßt sich aber auch
durch Literatur, insbesondere von Goethe und Wieland stark beeinflussen.
1784
Im Kloster Mödling bei Wien erarbeitet Feßler Pläne für eine bessere
Ausbildung des Klerus. Mit diesen Plänen, sowie mit einer öffentlichen
Anzeige heimlich betriebener Klostergefängnisse wendet er sich an Kaiser
Joseph II., worauf eine strenge Untersuchung aller Klöster erfolgt. Der
einsetzenden Verfolgung durch seine Gegner entzieht sich Feßler, indem er
als Professor für Orientalistik und alttestamentliche Hermeneutik nach
Lemberg geht. Dort erhält er den Doktorgrad, verläßt den Orden und tritt in
die Loge "Phönix zur runden Tafel" ein. Zu dem deutschsprachigen
Freimaurerbund gehören Offiziere, Professoren und Beamte. Die deutsche
Sprache muß sich Feßler erst aneignen, ein Handicap, das ihn auch noch zu
Beginn seiner Berliner Zeit begleiten wird.
1785
Reise nach Wien. In der "Loge zur wahren Eintracht" trifft Feßler mit
weiteren Freimaurern zusammen. Mit Ernst Traugott von Kortum gründet er die
Loge "Zum Biedermann", einen streng der Aufklärung verpflichteten Bund. Auf
Geheiß Josephs II., das nur eine Loge pro Ort gestattet, schließt sie
wieder.
1787
Beginn der schriftstellerischen Tätigeit. Feßler verfaßt die
Schriftensammlung "Innocenti Fessler...Institutiones Linguarum Orientalium,
Hebraeae, Chaldaicae, Syriacae et Arabicae", die bist 1789 bei dem Verleger
Wilhelm Gottlieb Korn erscheint.
1788
Das Erscheinen seines Trauerspiels "Sidney", das man als Satire auf
Joseph II. auslegt, hat einen Prozeß zur Folge, vor dem Feßler im
Februar nach Schlesien flieht. Zunächst im Hause des Buchhändlers
Wilhelm Gottlieb Korn aufgenommen, findet er noch im selben Jahr im
Haus des Fürsten Schönaich-Carolath als Erzieher des Erbprinzen Erdmann
Schönaich-Carolath eine Anstellung. Der Fürst selbst war 1785 Meister
vom Stuhl einer Glogauer Loge. Im ersten Jahr seines Aufenthaltes
schreibt Feßler seinen vierbändigen Erziehungsroman "Marc Aurel", der
eine große öffentliche Resonanz findet. Insgesamt bleibt Feßler acht
Jahre in Schlesien. Er engagiert sich im "Evergetenbund", einer kleinen
Geheimgesellschaft, die sich kritisch aber sympathisierend mit den
Idealen der französischen Revolution auseinandersetzt. Christian Jacob
Salice-Contessa und Joseph Zerboni gehören ebenfalls dem Bündnis an,
das bis 1795 besteht.
1790
Feßler besucht vom 12. September bis zum 14. Oktober Berlin. Er ist Gast
im Ephraim-Palais. In seinem autobiographischen Werk "Dr. Fesslers
Rückblicke auf seine siebzigjährige Pilgerschaft" von 1824 beschreibt er
seinen ersten Eindruck der Residenzstadt:
"Am 12. September sah ich
Deutschlands schönste Stadt. Von Ephraims Familie gastfreundlich aufgenommen
und beherberget, kam ich, während der vier Wochen meines Aufenthaltes in
Berlin, nicht mehr aus den Kreisen jüdischer Familien; überall mit innigstem
Wohlgefallen, den hohen Grad feiner, gesellschaftlicher und
wissenschaftlicher Bildung an ihren lieben Töchtern und genialischen Frauen
bemerkend und bewundernd, während ihre Männer im Allgemeinen schöne Früchte
der Virtuosität im Gebrauche des Einmaleins sammelten; doch auch unter
diesen fand ich einen Marcus Herz, einen David Friedländer, einen Lazarus
Bendavid, einen Salomon Ascher etc., welche, so wie die Frauen, mich unter
ihren gelehrten christlichen Hausfreuden, Ramler, Göcking, Tiedge, den
Brüdern Alexander und Wilhelm von Humboldt, Ritter Gentz, Brinckmann, dem
berühmten Plastiker Schadow, und Seelenmann Darbes, meschenfreundlich
mitlaufen ließen. Ephraims Gemahlin führte mich mit ihrer Tochter nach
Potsdam; und während die Mutter daselbst die Geschäfte ihres Mannes
besorgte, zeigte mir die Tochter, weniger an Gestalt als ein Geist eine
liebenswürdige Sulamith, die königlichen Herrlichkeiten der Stadt und des
Ruhesitzes Sans-Souci, wo Friedrich der II. den gemühtlichen Menschen über
den großen König hatte herrschen lassen". (Feßler 1824, S. 245
ff.)
1791
Übertritt zum Protestantismus (10. Juli).
1792
1. Ehe mit Caroline Henrici, Tochter des Stadtrichters und Senators aus
Beuthen an der Oder unweit von Carolath. Die Ehe sollnie vollzogen worden sein. Unter Eindruck der Philosophie
Immanuel Kants schreibt Feßler stark moralphilosophisch ausgerichtete
historische Romane wie "Aristides und Themistokles", sowie die als
Vorarbeiten für eine Gesamtdarstellung der ungarischen Geschichte
gedachten Romane "Matthias Corvinus. König von Ungarn und Großherzog
von Schlesien", "Attila, König der Hunnen", "Gemälde aus der alten Zeit
der Ungarn" und "Alexander der Eroberer".
1796
Feßler wird aus wirtschaftlichen Gründen zusammen mit allen Hofbeamten
vom Fürsten Heinrich Erdmann zu Schönaich-Carolath entlassen und geht nach
Berlin. Vorerst arbeitet er beim Vossischen Verlag. Eintritt in die Loge
Royal York, deren Mitglied er seit dem 2. Juni ist. Die Loge residiert in
der heutigen Dorotheenstraße im ehemaligen Lustschloß des Oberhofmeisters
Ernst Boguslav von Kameke von 1712, dem letzten Bau Andreas Schlüters.
Friedrich Nicolai lobt in seiner "Beschreibung der königlichen
Residentstädte" von 1786 besonders den englischen Garten des Logenhauses:
"Der Garten der Freimaurerloge (...) hat eine sehr angenehme Lage an der
Spree. Es ist darinn ein großer Salon von hohen Kastanien und Ulmen, und ein
artig angelegter buschiger Hügel merkwürdig, und die Aussicht auf die
gegenüber liegende Wiese ist sehr angenehm". (Nicolai 1786/1980, S.
936).
1797
Feßler gründet eine Erziehungsanstalt, die auf den pädaqgogischen
Vorstellungen Kants beruht. Nach einem Jahr muß er die Einrichtung wieder
schließen, da ihm das Geld zur Bewirtschaftung fehlt. Zeitweise erhält er
eine Anstellung durch die preußischen Minister Friedrich Leopold
Reichsfreiherr von Schrötter und Otto Carl Friedrich von Voß. Feßler wird
Oberredner im Innersten Orient von Royal York und Meister vom Stuhl der
Johannesloge "Urania zur Unsterblichkeit". Seine Geschichte des
Freimauertums bleibt ungedruckt, findet in Abschriften aber dennoch
Verbreitung. In den folgenden Jahren erwirbt sich Feßler innerhalb der Loge
durch Reformvorschläge, die Aufnahme neuer Mitglieder und die Verbesserung
der alten und die Einführung neuer, theatralischer Rituale große
Anerkennung. Feßlers Engagement gipfelt in der Formulierung einer
vorläufigen Verfassung der Loge.
1798
Ein Konflikt zwischen der Großloge und Royal York kann durch Feßlers
diplomatisches Geschick beigelegt werden. Es gelingt ihm in einer zähen
Korrespondenz zwischen ihm, dem Kabinettsministerium und dem König, den
Jakobinismusvorwurf aus der Welt zu schaffen und sogar den Status eines
"Protektoriums", d.h. einer privilegierten Gesellschaft für Royal York zu
erreichen. Schwierigkeiten in den Verhandlungen liegen u.a. in der Tatsache
begründet, daß der neue König Friedrich Wilhelm III. anders als sein
Vorgänger keine Erfahrung mit der Freimauererei und den Logen hat. Im selben
Jahr erscheint Feßlers Schrift "Die gute Sache der Freimaurerey in ihrer
Würde dargestellt. Nebst einem Auszug aus der Fundamental-Constitution der
großen Mutter Loge Royal York", die er dem König als Dank überreicht. Mit
dem vom König erlassenen Edikt vom 20. Oktober erreicht Feßler seinen
größten Erfolg für die Loge: Sie wird den Konkurrenzlogen "Zu den drei
Weltkugeln" und der großen Landesloge gleichgestellt und als Großloge
anerkannt.
Im selben Jahr wird Feßler Rechtskonsulent in geistlichen und
Schulangelegenheiten Neuostpreußens. Das Zuständigkeitsgebiet wird 1800 auf
Südpreußen erweitert.
1799
Feßler gibt zusammen mit dem Rektor des Friedrich Werderschen
Gymnasiums Friedrich Eberhard Rambach die letzten Jahrgänge der Zeitschrift
"Berlinischen Archivs der Zeit und ihres Geschmacks" heraus. Auf einer Reise
durch Deutschland zwischen dem 12. Juli und dem 17. September trifft er den
Philosophen Johann Albert Heinrich Reimarus, Johann Gottfried Herder,
Friedrich Wilhelm Schelling, die Dichter Friedrich Gottlieb Klopstock und
Johann Wilhelm Ludwig Gleim, den Maler Anton Graff und den Numismatiker
Adolf Heinrich Friedrich Schlichtergroll.
1800
Nachdem Feßler den Philosophen Johann Gottlieb Fichte in die Loge
eingeführt hat, kommt es zum Eklat. Fichte, neu in Berlin und als
Freimaurer relativ unerfahren, greift Feßler während der
Feierlichkeiten des Johannis in einer Rede vor den Mitgliedern an.
Schon zuvor war es zwischen den beiden zu Streitigkeiten über die
Verfassung der Loge gekommen. Folgen des Konflikts sind Fichtes
Austritt aus der Loge und ein herber Autoritätsverlust Feßlers.
Ab 1801
Feßler wird Ehrenmitglied der Freiberger Loge "Zu den drei Bergen", wo er
zwischen 1802 und 1822 auch aktives Mitglied ist. Zudem gibt er bis 1805 die
Zeitschrift "Eunomia. Eine Zeitschrift des 19. Jahrhunderts", das
Nachfolgeblatt des "Berlinischen Archivs", heraus.
"Feßlers sämtliche Schriften über Freimaurerei" erscheinen in Berlin. Das
mehrbändige Werk erlebt mehrere Auflagen.
1802
Scheidung der 1. Ehe, die nach Feßlers eigenen Briefaussagen von
Anbeginn unglücklich verläuft. Er heiratet am 22. November Karoline
Marie Wegeli, die Tochter des Berliner Porzellanfabrikanten Wegeli. Feßler
ist 46, sie 28 Jahre alt.
Für seine Pläne und Schriften zur Reform des Freimaurertums erntet er
einerseits hohe Anerkennung. Andererseits tragen sie ihm auch
erbitterte Feindschaften ein, die ihn zum Austritt aus allen
Logenverbindungen am 5. September bewegen. Über die Differenzen zu seinen
Logenbrüdern, die das Ende seiner Freimaurerkarriere bei Royal York
besiegeln, schreibt er rückblickend nicht ohne Selbstkritik:
"Ohne
Rückhalt sträubte ich mich gegen die Ängstlichkeit, Unentschlossenheit und
Schüchternheit derjenigen, deren Blick nie weiter, als auf heute, höchstens
auf morgen, sich erstreckte. Mein Ernst hatte mir alle Leichtigkeit zum
Tändeln benommen; meine Kälte konnte nur der vertragen, welcher durch
vertrauten Umgang meine völlige Absichts-Rücksicht- und Anspruchslosigkeit
kennen gelernt hatte. Natürlich mußte ich hernach dort, wo mein Amt, und der
Ueberblick des Ganzen, entscheidendes Handeln und Durchgreifen forderten, wo
man aber, mich entweder durch leere Bedenklichkeiten aufhalten, oder an
Rücksichten binden wollte, eigensinnig, hart, streng, herrschsüchtig und
unverträglich scheinen. Man mußte meiner satt werden".
Abschließend zieht Feßler aber ein positives Fazit seiner Logentätigkeit:
"Übrigens möge meine sechsjährige Logenthätigkeit der guten Sache der
Freimaurerey - und das hieß mir immer nichts anderes als der Religion,
Sittlichkeit und Rechtlichkeit viel, wenig oder garnichts gefrommet zu
haben; für mich selbst war sie ungemein lehrreich. Sie trug das meißte dazu
bei, meine Forderungen an die Menschen anfänglich herunter zustimmen, dann
völlig aufzugeben. Sie lehrte mich die Kunst, in meiner idealischen Welt zu
leben, und in der wirklichen zu handeln, wie unter den gegebenen Umständen
gehandelt werden kann. Meine Ansichten von dieser Welt, von Menschen, von
mir selbst, erweiterten sich in diesen sechs Jahren mehr, als in allen
vorhergegangenen Perioden meines Daseyns zusammen genommen". (Feßler 1824,
S. 285 ff.).
Am 28. Oktober gründet er zusammen mit Friedrich Moßdorf, Johann
Friedrich August Darbès, dem Kreisamtmann Meißner und einigen anderen in
Freiberg den Großen Bund Scientifischer Maurer.
1803-1807
Erwerb und Bewirtschaftung seines Gutes Kleinwall bei Fürstenwalde. Daneben
ist Feßler weiter literarisch tätig. "Bonaventuras mystische Nächte"
erscheinen bei dem Verleger Maurer in Berlin. Im August wird seine Tochter
Aurelia Innocentia geboren.
1807
Französiche Truppen plündern und ruinieren sein Gut Kleinwall. Feßler
zieht nach Nieder-Schönhausen. Nach dem Einmarsch der Franzosen wird er
nicht mehr besoldet. Um sich und seine Familie finanziell über Wasser zu
halten, verkauft er Teile seiner ansehnlichen Bibliothek.
1808
Feßlers "Gemälde aus der alten Zeit der Hungarn" erscheint in Breslau
bei dem Verleger Korn.
1809-1810
Durch Vermittlung eines Schülers wird er Lehrer für orientalische Sprachen,
kirchliche Altertümer und Philosophie an die Alexander Newsky-Universität
von St. Petersburg und zum Russischen Hofrat, mit einem Gehalt von 2600
Rubeln, ernannt. Da ihm als Anhänger der Philosophie Fichtes jedoch bald
vorgeworfen wird, den Atheismus zu verbreiten, gibt er wenig später die
Lehrtätigkeit auf. Er wird Mitglied in der Gesetzgebungskommission, erhält
dasselbe Gehalt und das Recht zur freien Wahl des Aufenthaltsortes. Er
verfaßt die Stücke "Der Nachtwächter Benedict", das zweibändige "Abälard
und Heloise" und "Lotario oder der Hofnarr".
1811
März: Umzug nach Wolsk im Gouvernement Saratow. Im Auftrage des
Collegienrates Fürst v. Slobin übernimmt Feßler die Leitung der
philantropischen Erziehunganstalt in Wolsk.
1813
Durch Einsparungen des Fürsten verliert er seine Anstellung. Feßler
geht nach Saratow, wo er die Arbeit an den ersten 5 Bänden seiner
"Geschichte der Ungarn" beginnt.
1815
Kontakte zur Herrenhuter Brüdergemeinde von Sarepta. Tod eines seiner
Kinder.
1815-1817
Vorübergehende Einstellung seiner Gehaltsbezüge als Mitglied der
Gesetzgebungskommission. Der erste Band seiner "Geschichte der Ungarn"
erscheint.
1819
Rückkehr nach St. Petersburg. Im November ernennt ihn der Zar zum
Bischof der Evangelischen Kirche und geistlichen Präses des evangelischen
Reichskonsistoriums.
1820
Feßler wird evangelischer Superintendent und Consitorialpräsident im
Gouvernement Saratow.
1823
Feßler heiratet nach dem Tod seiner zweiten Frau zum dritten Mal, die Witwe Amalia Mauvillon, geb. von Reimers.
1825
Feßler schließt den vierten Band seiner "Geschichte der Ungarn" ab. Ein
Jahr zuvor war seine autobiographische Schrift "Rückblicke auf seine
siebzigjährige Pilgerschaft", wiederum bei Korn in Breslau erschienen.
1833
Ernennung zum Generalsuperintendenten und Kirchenrat der lutherischen
Gemeinde in Petersburg.
1839
Am 5. Dezember Feßler stirbt im Alter von 83 Jahren in St. Petersburg.
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Neben seinen Tätigkeiten als Freimaurer, Theologe, und Publizist schrieb
Ignaz Aurelius Feßler didaktisch-philosophisch konzipierte historische
Romane. Diese literarischen Arbeiten sind heute ebenso wie seine
historischen Werke in Vergessenheit geraten. Von besonderer Bedeutung war
sein Wirken für die Ausbreitung der deutschen Kultur in Rußland in den
Jahren zwischen 1809 und 1830.
Die nachhaltigste Wirkung aber erzielten Feßlers Reformen der
Freimaurerloge "Royal York" in Berlin. Florian Maurice faßt Feßlers
Verdienste im Resümee seiner Dissertation über die Großloge wie folgt
zusammen:
"Feßlers Erfolg war es zunächst, die Stellung der Loge Royal
York nach außen zu befestigen. Mit einer geschickten Diplomatie gelang es
ihm, in einer für die Freimaurerei und besonders die Loge Royal York
kritischen Zeit das Vertrauen von König und Minister zu gewinnen. So wurde
der Anspruch der Royal York, den anderen beiden Großlogen gleichgestellt zu
sein, den sie 1798 durch die Gründung der Großloge untermauerte, durch den
Staat sanktioniert; und das legte die Grundlage für ihr späteres Wachstum
und ihre, allerdings durch die Verfolgung im Dritten Reich unterbrochene und
durch die deutsche Teilung am Wiederaufbau behinderte, Fortdauer. (...). Die
zentrale Stellung Feßlers Logenreform nahm die Verfassung ein, die nach dem
Vorbild des naturrechtlichen Gesellschaftsvertrags entstand. Im Jahre 1800
war die Verfassung schließlich so organisiert, daß neue Gesetze durch die
Gremien gegeben werden konnten, die aus dem Willen aller einzelnen
hervorgegangen waren - wie es die traditionell für Korporationen vorgesehene
Form der Statuten war. Die von Feßler begründete Trennung zwischen
Ritualistik und Verwaltung bildet auch heute noch die Grundlage der
Verfassung der Royal York". (Maurice 1997, S. 396-397).
Der Publizist Saul Ascher, der Feßler persönlich kannte, charakterisiert
ihn und sein persönliches Scheitern in der Loge in seiner Schrift "Kabinett
Berlinischer Karaktere" von 1808:
"Bald wollte er den Freimaurerbund
selbst zu einer höheren allgemeinen Tendenz reformieren, bald aus dem Schoß
der Freimaurer die Erleuchteten, besseren und lebhaft in seine Ideen
eingreifenden Gemühter um sich her vereinigen, und ihnen einen Status in
Statu bilden, bald sollte wieder eine Anzahl Profanen in einem Bund um ihn
her treten, den er ihnen in seiner faßlichen Gestalt als eine art Klubb,
Zirkel ausstellte, um allmählig die Weltmenschen für seine Ideen der
Menschheit empfänglich zu machen. Bei jedem dieser Schritte mißlang es ihm,
das Vertrauen der Menschen sich zu erwerben. In unserer konventionellen
auseinandergeschachtelten Welt gelingt es selten, die Gemühter der Menschen
durch eine Idee zu fixiren, und erreicht man seinen Zweck auf einige Zeit,
so verlieren die Menschen oft die Gedult: es necken sie die Schauspiele und
Panoramas der äußeren Welt und sie halten den genialischen Kopf in dem
Verdacht, sie täuschen zu wollen. So erging es Feßler. Die Freimaurer wiesen
ihn von sich". (Ascher 1806, S. 158 ff.).
Verwendete Literatur:
Ascher, Saul (anonym):
Kabinett Berlinischer Karaktere. o.O.: s.n.
1808, S. 156-161.
Feßler, Ignaz Aurelius:
Dr. Fesslers Rückblicke auf seine siebzigjährige
Pilgerschaft. Ein Nachlass an seine Freunde und an seine Feinde.
Breslau: Korn 1824.
Maurice, Florian:
Freimaurerei um 1800. Ignaz Aurelius Feßler und die
Reform der Großloge Royal York in Berlin. Tübingen: Niemeyer 1997.
Nicolai, Friedrich:
Beschreibung der königlichen Residenzstädte Berlin
und Potsdam. Berlin: Nicolai 1786 (Reprint Berlin: Haude und Spener
1980).
BS und SH