Lebenslauf:
1768
Friedrich Buchholz wird am 5. Februar als Sohn des Pfarrers Joachim
Daniel Buchholz und dessen Frau Dorothea Luise in Alt-Ruppin geboren. Er
besucht die Schulen in Perleberg, Neuruppin und Berlin, zuletzt ebendort das
Friedrich-Werdersche Gymnasium.
1785-1787
Studium der Theologie und Philologie an der Universität in Halle.
1787-1795
Buchholz übernimmt eine Anstellung als Lehrer an der Ritterakademie in
Brandenburg. Er unterrichtet Literaturgeschichte am Beispiel römischer,
italienischer, französischer und englischer Autoren. An der Ritterakademie
wird Buchholz zum Professor ernannt. Der Wunsch nach einem Amt im
Staatsdienst veranlasst ihn zur Aufgabe der Lehrerstelle. Hochzeit mit Julie
Caroline, der Tochter des Stallmeisters von Prinz Heinrich, Christian
Bettelheuser.
1800
Buchholz zieht als freier Schriftsteller nach Berlin. Die erhoffte
Anstellung im Staatsdienst bleibt vorerst aus.
1801
Mit "Bayard", einer Biographie über den bekannten französischen
Heerführer des frühen 16. Jahrhunderts, die er den preußischen Offizieren
widmet, erscheint Buchholz' erste selbständige Publikation. Zuvor
veröffentlicht er einige Artikel in der Zeitschrift "Minerva" und in den
"Europäischen Annalen". In den Folgejahren widmet sich Buchholz vornehmlich
historischen Studien, deren Ergebnisse er auch publiziert. U.a. stammen die
Bände 14-17 von "Girtanner's historischen Nachrichten" von ihm. Darin
befasst er sich mit der Französischen Revolution. Zudem wird er Redakteur
der "Vossischen Zeitung" in Berlin.
1802
Die "Darstellungen eins neuen Gravitationsgesetzes für die moralische
Welt", eine frühe Form der "Wissenschaft der Sozialverhältnisse"
(Buchholz 1802, S. 138), sprich der Soziologie, erscheinen.
1804
Die "Briefe eines reisenden Spaniers" erscheinen bei dem Verleger Unger
in Berlin. Buchholz gibt sich als Übersetzer des Werkes aus, das er verfasst
hat. Ein fiktiver Reisender stellt das streng katholische Spanien dem
aufgeklärten Preußen gegenüber, von dem ein idealisiertes Gesellschaftsbild
gezeichnet wird. Buchholz spricht sich in dem "Reisebericht" für die
Monarchie aus.
1805
Buchholz' wohl bekanntestes Werk, der "Neue Leviathan", erscheint bei
dem Verleger Cotta in Tübingen. Darin zeichnet der Autor die Entwicklung der
Geschichte Frankreichs während der Revolution nach. Sie läuft auf die
Regierung Napoleons hinaus, dessen Leistungen als Revolutionsbändiger und
Vollender in den höchsten Töne gelobt werden. Der Inhalt des "Leviathan" ist
Buchholz' Werk "Rom und London" von 1807 sehr ähnlich, das den bezeichnenden
Untertitel "Über die Beschaffenheit der nächsten Universalmonarchie" trägt.
Bei beiden Werken handelt es sich um Plädoyers für die absolutistische
Regierungsform unter der Führung Napoleons.
Der Titel "Der Neuen Leviathan" verweist auf Thomas Hobbes. Buchholz meint
in der Vorrede dazu: "Indem sich nun durch die Lektüre des Leviathans
eine Reihe neuer Ideen in mir entwickelte, welche ich niederzuschreiben für
nicht ganz unnütz hielt, gerieht ich um so eher auf den Gedanken, meinem
Werke den Titel des neuen Leviathan zu geben, da dieser Titel mich der
Nothwendigkeit enthob, in demjenigen, der meinem Werke eigentlich zukam, als
anmaßend zu erscheinen. Der eigentliche Titel konnte nämlich kein anderer
sein, als "Grundlinien einer sozialen Technik (oder Mechanik)"; da aber
diese Wissenschaft bei weitem mehr in der Praxis als in der Theorie bekannt
ist, so war vorherzusehen, daß sie, unter irgend einem speciösen Vorwand,
z.B. dem der Vernichtung der moralischen Freiheit, der allgemeinen
Exkommunication nicht entrinnen würde". (Buchholz 1805, S. VI).
Die Umgehung der Zensur und die thematische Nähe, wohl aber auch der
publizistische Trick eines griffigen Titels veranlassen Buchholz zu dieser
Namensgebung.
1806
Niederlage Preußens bei Jena/ Auerstedt gegen Napoleon.
1807
Die "Untersuchung über den Geburtsadel" erscheint. Das revolutionäre
Frankreich, wo alle Adelsrechte aufgehoben sind, dient als
gesellschaftliches Idealbild.
Im Verlag von Benjamin Gottlob Hoffmann in Hamburg erscheint von Buchholz "Theorie der politischen Welt". Die Autorschaft Buchholz' ist in der neueren Forschung allerdings umstritten, möglicherweise handelt es sich lediglich um die Übersetzung eines französischen Werks (Schäfer, 1972, 2.Bd, S. 52).
1808
Der Verleger Sander veröffentlicht die anonyme Schrift "Gallerie
preußischer Charaktere", deren Autor Buchholz ist. Die "Gallerie" enthält
zwölf biographische Skizzen über Militärs, Politiker und Publizisten,
darunter ein autobiographisches Essay. Buchholz stellt sich und den Kollegen
Christian v. Massenbach, der 1806 am militärischen Debakel beteiligt ist, im
hellsten Licht dar. Andere, darunter Prinz Louis Ferdinand, die Minister
Stein und Hardenberg, sowie die Kabinettsräte Beyme und Schulenburg
attackiert und kritisiert er scharf. Der boulevardeske Angriff auf
Preußens Führung ist ein kommerzieller Erfolg, erlebt zwei Auflagen und eine
französische Übersetzung. Gleichzeitig wird Buchholz stark kritisiert. Der
politische Gegner aller Napoleonsympathisanten Friedrich Gentz schlüsselt in
einem Brief an Rühle v. Lilienstein das Verhältnis von Buchholz und
Masenbach auf und kritisiert beide heftig: "Sie schrieben mir in einem
ihrer letzten Briefe, die "Gallerie der preußischen Charaktere" sei nicht
von Buchholz. Damals hatte ich sie noch nicht gelesen; seitdem ich sie
gelesen, fragte ich mich oft selbst mit Erstaunen, wie Sie so etwas
behaupten oder gar glauben könnten. Daß Buchholz der Redakteur dieser
Schandschrift war, ist nun wohl so gewiß, als daß 2mal 2=4 ist. Der
Lieferant dieses Stoffes war freilich ein anderer; und ohne je darüber das
geringste positive Datum besessen, oder auch nur das leiseste Gerücht
vernommen zu haben, überzeugte ich mich aus innerer Anschauung auf der
Stelle, daß nur ein Mensch in der Welt zugleich unterrichtet und gottlos
genug sein könnte, um Buchholz zu diesem Buche zu instruieren. Dieser Mensch
war natürlich Masssenbach, dem Sie hoffentlich nach diesem letzten Exeß von
Schändlichkeit auch noch den Grad von Protektion entzogen haben werden,
welchen Sie ihm bis hierher angedeihen ließen. (...) Massenbach und Buchholz
umspannen den ganzen Kreis menschlicher Verruchtheit". (Gentz 1838, S.
323)
Im selben Jahr erscheint die Schrift "Gemählde des gesellschaftlichen
Zustandes im Königreich Preussen". Buchholz reiht sich mit dem Werk in die
Gruppe der "Reformpublizisten" ein. Wie Friedrich v. Cölln, Julius Voß oder
der Militär Massenbach, die aus unterschiedlichen Motiven die verheerende
Niederlage Preußens vom Herbst 1806 analysieren, erörtert Buchholz die
Schuldfrage und bespricht das Für und Wider der Reformen. Dabei kritisiert
er weniger Personen als Strukturen. Ein Hauptproblem sieht er in der Macht
des preußischen Adels auf dem Land.
Andrea Hofmeister-Hunger bewertet die Erscheinung dieser
"Reformpublizistik": Was die Reformer in Nassau und Riga, in Tilsit,
Memel und Königsaberg einstweilen noch im tiefsten Amtsgeheimnis entwarfen
und diskutierten, wurde in Berlin als publizistische Abrechnung mit dem
maroden System in Verwaltung, Militär, Wirtschafts- und
Gesellschaftsverfassung öffentlich zur Sprache gebracht" .
Natürlich macht sich Buchholz mit den pronapoleonischen Schriften in Berlin
nicht nur Freunde. Der Erfolg der Werke verdeutlicht aber auch die
keineswegs einheitliche politische Stimmungslage in Berlin, sowie eine neue
Form intellektueller Öffentlichkeit, der die preußische Regierung noch nicht
gewachsen ist. Nach Hofmeister Hunger offenbart sich darin "neben der
faktischen Machtlosigkeit, etwas gegen diese französischerseits tolerierte
Publizistik zu tun, auch noch die Ratlosigkeit der Regierung gegenüber dem
Phänomen einer von innen kommenden öffentlichen Meinung" (Hofmeister-Hunger
1994, S. 189 und 194).
1809
Mit der Schrift "Idee einer arithmetischen Staatskunst" schlägt
Buchholz deutlich leisere Töne an, wenngleich er weiterhin Kritik an Preußen
mit Reformenvorschlägen verbindet. Vorbild ist nach wie vor das
napoleonische Frankreich.
1811-1814
Buchholz wechselt die Seiten und stellt seine journalistischen Fähigkeiten
in den Dienst des preußischen Staates. Seine Aufgabe besteht darin, die
Reformen der Rheinbundstaaten mit den preußischen zu vergleichen und den
Kanzler Hardenberg von der Enwicklung der Reformen zu unterrichten. Buchholz
selbst verschweigt in den autobiographischen Texten späterer Zeit seine
staatliche Anstellung. Sie ist jedoch nicht außergewöhnlich: Hardenberg weiß
um die Fähigkeiten und die Professionalität des neuen Typs des freien
Schriftstellers. Er spannt sie für die eigene Sache ein, anstatt sie mühsam
zu bekämpfen. Auch Friedrich von Cölln, der andere öffentlichkeitswirksame
Preußenkritiker unter den "Reformpublizisten", steht ab 1815 im Dienst des
Staatskanzlers.
Ab 1815
Die wechselvolle Karriere von Buchholz geht weiter. Nach dem Austritt aus
dem Staatsdienst ist er wieder verstärkt publizistisch tätig. Allerdings
wird aus dem frankophilen nun ein nationaler Autor. Bis 1819 gibt er
das "Journal von und für Deutschland" heraus. Die meisten Artikel steuert er
selbst bei, die Themen liefert die Zeitgeschichte. Methodisch orientiert er
sich an seinen früheren Werken. Für seine Abhandlungen über
gesellschaftliche Strukturen, Geldwirtschaft und verschiedene
Herrschaftsmodelle ehrt ihn die heutige Forschung mit der Bezeichnung
"Frühsoziologe" (Hofmeister-Hunger).
Ab 1820
Buchholz nennt seine Zeitschrift in "Neue Monatsschrift für Deutschland"
um. Bis 1835 erscheinen 40 Bände.
1843
Am 24. Februar stirbt Buchholz 75jährig in Berlin.
Buchholz studierte in Halle Theologie und Sprachen. Er versuchte sich früh
als Publizist in den führenden politischen Zeitschriften der Epoche, wie in
J.W. v. Archenholz' "Minerva" , in E. L. Posselts "Europäischen Annalen"
oder in C. v. Massenbachs "Lichtstrahlen". Buchholz war lange Anhänger der
französischen Revolution und Napoleons und definierte sich als Gegner von
Friedrich Gentz und dessen "Historischem Journal", sowie der deutschen
Aristokratie. Nach Napoleons Niederlage 1815 änderte sich seine
pro-französische Einstellung und seine publizistische Tätigkeit richtete
sich auf Deutschland. Buchholz vertrat in seinem 1815 gegründeten "Journal
von und für Deutschland" (seit 1820 "Neue Monatsschrift für Deutschland")
liberale und demokratische Ansichten. Er wurde von den Zeitgenossen
verschieden beurteilt: Man warf ihm Eitelkeit und sogar Bestechlichkeit vor
und bezeichnete sein Verhalten in den Befreiungskriegen als "charakterlos".
Auf der anderen Seite wurden seine publizistischen Fähigkeiten positiv
hervorgehoben.
Ludger Herrmann chrakterisiert Buchholz in seiner Dissertation über die
preußische Reformpublizistik wie folgt: "In mehrfacher Hinsicht ragt
Friedrich Buchholz aus dem Kreis der politischen Schriftsteller während der
Reformzeit heraus. Zunächst brachte er substantielle und selbstständige
Ideen in den sich in der Öffentlichkeit entfaltenden Reformdiskurs ein.
Ferner machten den Alt-Ruppiner Pfarrerssohn nicht nur die Vielzahl und die
theoretischen Fundierungen seiner Veröffentlichungen, sondern seine Wirkung
auf das Denken anderer Autoren zu einem Meinungsführer par exellence.
Zahlreichen Publizisten kam geradezu eine Multiplikatorfunktion für
Buchholzsche Gedanken zu. Wie kaum ein anderer repräsentierte er den Typ des
freien Schriftstellers, der ohne staatliche Anstellung dazu beitrug, ein
neues Berufsbild zu etablieren". (Herrmann 1998, S. 85)
Verwendete Literatur:
Buchholz, Friedrich: Der neue Leviathan. Tübingen: Cotta 1805
Buchholz, Friedrich: Darstellung eines neuen Graviazionsgesetzes für die
moralische Welt.
Berlin: Unger 1802
Gentz, Friedrich von: Briefe und vertraute Blätter. Bd. 1. Hrsg. von
Gustav Schlesier.
Mannheim 1838
Herrmann, Lutger: Die Herausforderung Preußens. Reformpublizistik
und politische
Öffentlichkeit in napoleonischer Zeit (1789-1815). Frankfurt a.M.,
Berlin: Lang 1998
(=Europäische Hochschulschriften reihe 3 Band 781)
Hofmeister-Hunger, Andrea: Pressepolitik und Staatsreform. Die
Institutionalisierung
staatlicher Öffentlichkeitsarbeit bei Karl August von Hardenberg
(1792-1822). Göttingen:
Vandenhoeck & Ruprecht 1994
Schäfer, Rütger: Friedrich Buchholz - Ein vergessener Vorläufer der Soziologie. Göppingen: Kümmerle 1972
SH