Paul Ferdinand Friedrich Buchholz

Lebensdaten

Nachname:
Buchholz
Vorname:
Paul Ferdinand Friedrich
Geburtsdatum:
05.02.1768
Geburtsort:
Alt-Ruppin
Geschlecht:
männlich
Konfession:
evangelisch-lutherisch
Todesdatum:
24.02.1843
Sterbeort:
Berlin
Beruf(e):
  • Publizist
  • Lehrer

Genealogie

Genealogie:
Vater: Joachim Daniel Buchholz (1722-1807), Pfarrer Mutter: Dorothea Luise (1740-1799), geborene Winkler

Biographie

Lebenslauf:
1768
Friedrich Buchholz wird am 5. Februar als Sohn des Pfarrers Joachim Daniel Buchholz und dessen Frau Dorothea Luise in Alt-Ruppin geboren. Er besucht die Schulen in Perleberg, Neuruppin und Berlin, zuletzt ebendort das Friedrich-Werdersche Gymnasium.

1785-1787
Studium der Theologie und Philologie an der Universität in Halle.

1787-1795

Buchholz übernimmt eine Anstellung als Lehrer an der Ritterakademie in Brandenburg. Er unterrichtet Literaturgeschichte am Beispiel römischer, italienischer, französischer und englischer Autoren. An der Ritterakademie wird Buchholz zum Professor ernannt. Der Wunsch nach einem Amt im Staatsdienst veranlasst ihn zur Aufgabe der Lehrerstelle. Hochzeit mit Julie Caroline, der Tochter des Stallmeisters von Prinz Heinrich, Christian Bettelheuser.

1800
Buchholz zieht als freier Schriftsteller nach Berlin. Die erhoffte Anstellung im Staatsdienst bleibt vorerst aus.

1801
Mit "Bayard", einer Biographie über den bekannten französischen Heerführer des frühen 16. Jahrhunderts, die er den preußischen Offizieren widmet, erscheint Buchholz' erste selbständige Publikation. Zuvor veröffentlicht er einige Artikel in der Zeitschrift "Minerva" und in den "Europäischen Annalen". In den Folgejahren widmet sich Buchholz vornehmlich historischen Studien, deren Ergebnisse er auch publiziert. U.a. stammen die Bände 14-17 von "Girtanner's historischen Nachrichten" von ihm. Darin befasst er sich mit der Französischen Revolution. Zudem wird er Redakteur der "Vossischen Zeitung" in Berlin.

1802
Die "Darstellungen eins neuen Gravitationsgesetzes für die moralische Welt", eine frühe Form der "Wissenschaft der Sozialverhältnisse" (Buchholz 1802, S. 138), sprich der Soziologie, erscheinen.

1804
Die "Briefe eines reisenden Spaniers" erscheinen bei dem Verleger Unger in Berlin. Buchholz gibt sich als Übersetzer des Werkes aus, das er verfasst hat. Ein fiktiver Reisender stellt das streng katholische Spanien dem aufgeklärten Preußen gegenüber, von dem ein idealisiertes Gesellschaftsbild gezeichnet wird. Buchholz spricht sich in dem "Reisebericht" für die Monarchie aus.

1805
Buchholz' wohl bekanntestes Werk, der "Neue Leviathan", erscheint bei dem Verleger Cotta in Tübingen. Darin zeichnet der Autor die Entwicklung der Geschichte Frankreichs während der Revolution nach. Sie läuft auf die Regierung Napoleons hinaus, dessen Leistungen als Revolutionsbändiger und Vollender in den höchsten Töne gelobt werden. Der Inhalt des "Leviathan" ist Buchholz' Werk "Rom und London" von 1807 sehr ähnlich, das den bezeichnenden Untertitel "Über die Beschaffenheit der nächsten Universalmonarchie" trägt. Bei beiden Werken handelt es sich um Plädoyers für die absolutistische Regierungsform unter der Führung Napoleons.
Der Titel "Der Neuen Leviathan" verweist auf Thomas Hobbes. Buchholz meint in der Vorrede dazu: "Indem sich nun durch die Lektüre des Leviathans eine Reihe neuer Ideen in mir entwickelte, welche ich niederzuschreiben für nicht ganz unnütz hielt, gerieht ich um so eher auf den Gedanken, meinem Werke den Titel des neuen Leviathan zu geben, da dieser Titel mich der Nothwendigkeit enthob, in demjenigen, der meinem Werke eigentlich zukam, als anmaßend zu erscheinen. Der eigentliche Titel konnte nämlich kein anderer sein, als "Grundlinien einer sozialen Technik (oder Mechanik)"; da aber diese Wissenschaft bei weitem mehr in der Praxis als in der Theorie bekannt ist, so war vorherzusehen, daß sie, unter irgend einem speciösen Vorwand, z.B. dem der Vernichtung der moralischen Freiheit, der allgemeinen Exkommunication nicht entrinnen würde". (Buchholz 1805, S. VI).
Die Umgehung der Zensur und die thematische Nähe, wohl aber auch der publizistische Trick eines griffigen Titels veranlassen Buchholz zu dieser Namensgebung.

1806
Niederlage Preußens bei Jena/ Auerstedt gegen Napoleon.

1807
Die "Untersuchung über den Geburtsadel" erscheint. Das revolutionäre Frankreich, wo alle Adelsrechte aufgehoben sind, dient als gesellschaftliches Idealbild.
Im Verlag von Benjamin Gottlob Hoffmann in Hamburg erscheint von Buchholz "Theorie der politischen Welt". Die Autorschaft Buchholz' ist in der neueren Forschung allerdings umstritten, möglicherweise handelt es sich lediglich um die Übersetzung eines französischen Werks (Schäfer, 1972, 2.Bd, S. 52).

1808
Der Verleger Sander veröffentlicht die anonyme Schrift "Gallerie preußischer Charaktere", deren Autor Buchholz ist. Die "Gallerie" enthält zwölf biographische Skizzen über Militärs, Politiker und Publizisten, darunter ein autobiographisches Essay. Buchholz stellt sich und den Kollegen Christian v. Massenbach, der 1806 am militärischen Debakel beteiligt ist, im hellsten Licht dar. Andere, darunter Prinz Louis Ferdinand, die Minister Stein und Hardenberg, sowie die Kabinettsräte Beyme und Schulenburg attackiert und kritisiert er scharf. Der boulevardeske Angriff auf  Preußens Führung ist ein kommerzieller Erfolg, erlebt zwei Auflagen und eine französische Übersetzung. Gleichzeitig wird Buchholz stark kritisiert. Der politische Gegner aller Napoleonsympathisanten Friedrich Gentz schlüsselt in einem Brief an Rühle v. Lilienstein das Verhältnis von Buchholz und Masenbach auf und kritisiert beide heftig: "Sie schrieben mir in einem ihrer letzten Briefe, die "Gallerie der preußischen Charaktere" sei nicht von Buchholz. Damals hatte ich sie noch nicht gelesen; seitdem ich sie gelesen, fragte ich mich oft selbst mit Erstaunen, wie Sie so etwas behaupten oder gar glauben könnten. Daß Buchholz der Redakteur dieser Schandschrift war, ist nun wohl so gewiß, als daß 2mal 2=4 ist. Der Lieferant dieses Stoffes war freilich ein anderer; und ohne je darüber das geringste positive Datum besessen, oder auch nur das leiseste Gerücht vernommen zu haben, überzeugte ich mich aus innerer Anschauung auf der Stelle, daß nur ein Mensch in der Welt zugleich unterrichtet und gottlos genug sein könnte, um Buchholz zu diesem Buche zu instruieren. Dieser Mensch war natürlich Masssenbach, dem Sie hoffentlich nach diesem letzten Exeß von Schändlichkeit auch noch den Grad von Protektion entzogen haben werden, welchen Sie ihm bis hierher angedeihen ließen. (...) Massenbach und Buchholz umspannen den ganzen Kreis menschlicher Verruchtheit". (Gentz 1838, S. 323)

Im selben Jahr erscheint die Schrift "Gemählde des gesellschaftlichen Zustandes im Königreich Preussen". Buchholz reiht sich mit dem Werk in die Gruppe der "Reformpublizisten" ein. Wie Friedrich v. Cölln, Julius Voß oder der Militär Massenbach, die aus unterschiedlichen Motiven die verheerende Niederlage Preußens vom Herbst 1806 analysieren, erörtert Buchholz die Schuldfrage und bespricht das Für und Wider der Reformen. Dabei kritisiert er weniger Personen als Strukturen. Ein Hauptproblem sieht er in der Macht des preußischen Adels auf dem Land.
Andrea Hofmeister-Hunger bewertet die Erscheinung dieser "Reformpublizistik": Was die Reformer in Nassau und Riga, in Tilsit, Memel und Königsaberg einstweilen noch im tiefsten Amtsgeheimnis entwarfen und diskutierten, wurde in Berlin als publizistische Abrechnung mit dem maroden System in Verwaltung, Militär, Wirtschafts- und Gesellschaftsverfassung öffentlich zur Sprache gebracht" .
Natürlich macht sich Buchholz mit den pronapoleonischen Schriften in Berlin nicht nur Freunde. Der Erfolg der Werke verdeutlicht aber auch die keineswegs einheitliche politische Stimmungslage in Berlin, sowie eine neue Form intellektueller Öffentlichkeit, der die preußische Regierung noch nicht gewachsen ist. Nach Hofmeister Hunger offenbart sich darin "neben der faktischen Machtlosigkeit, etwas gegen diese französischerseits tolerierte Publizistik zu tun, auch noch die Ratlosigkeit der Regierung gegenüber dem Phänomen einer von innen kommenden öffentlichen Meinung" (Hofmeister-Hunger 1994, S. 189 und 194).

1809
Mit der Schrift "Idee einer arithmetischen Staatskunst" schlägt Buchholz deutlich leisere Töne an, wenngleich er weiterhin Kritik an Preußen mit Reformenvorschlägen verbindet. Vorbild ist nach wie vor das napoleonische Frankreich.

1811-1814

Buchholz wechselt die Seiten und stellt seine journalistischen Fähigkeiten in den Dienst des preußischen Staates. Seine Aufgabe besteht darin, die Reformen der Rheinbundstaaten mit den preußischen zu vergleichen und den Kanzler Hardenberg von der Enwicklung der Reformen zu unterrichten. Buchholz selbst verschweigt in den autobiographischen Texten späterer Zeit seine staatliche Anstellung. Sie ist jedoch nicht außergewöhnlich: Hardenberg weiß um die Fähigkeiten und die Professionalität des neuen Typs des freien Schriftstellers. Er spannt sie für die eigene Sache ein, anstatt sie mühsam zu bekämpfen. Auch Friedrich von Cölln, der andere öffentlichkeitswirksame Preußenkritiker unter den "Reformpublizisten", steht ab 1815 im Dienst des Staatskanzlers.

Ab 1815

Die wechselvolle Karriere von Buchholz geht weiter. Nach dem Austritt aus dem Staatsdienst ist er wieder verstärkt publizistisch tätig. Allerdings wird aus dem frankophilen nun ein nationaler Autor.  Bis 1819 gibt er das "Journal von und für Deutschland" heraus. Die meisten Artikel steuert er selbst bei, die Themen liefert die Zeitgeschichte. Methodisch orientiert er sich an seinen früheren Werken. Für seine Abhandlungen über gesellschaftliche Strukturen, Geldwirtschaft und verschiedene Herrschaftsmodelle  ehrt ihn die heutige Forschung mit der Bezeichnung "Frühsoziologe" (Hofmeister-Hunger).

Ab 1820
Buchholz nennt seine Zeitschrift in "Neue Monatsschrift für Deutschland" um. Bis 1835 erscheinen 40 Bände.

1843
Am 24. Februar stirbt Buchholz 75jährig in Berlin.


Buchholz studierte in Halle Theologie und Sprachen. Er versuchte sich früh als Publizist in den führenden politischen Zeitschriften der Epoche, wie in J.W. v. Archenholz' "Minerva" , in E. L. Posselts "Europäischen Annalen" oder in C. v. Massenbachs "Lichtstrahlen". Buchholz war lange Anhänger der französischen Revolution und Napoleons und definierte sich als Gegner von Friedrich Gentz und dessen "Historischem Journal", sowie der deutschen Aristokratie. Nach Napoleons Niederlage 1815 änderte sich seine pro-französische Einstellung und seine publizistische Tätigkeit richtete sich auf Deutschland. Buchholz vertrat in seinem 1815 gegründeten "Journal von und für Deutschland" (seit 1820 "Neue Monatsschrift für Deutschland") liberale und demokratische Ansichten. Er wurde von den Zeitgenossen verschieden beurteilt: Man warf ihm Eitelkeit und sogar Bestechlichkeit vor und bezeichnete sein Verhalten in den Befreiungskriegen als "charakterlos". Auf der anderen Seite wurden seine publizistischen Fähigkeiten positiv hervorgehoben.
Ludger Herrmann chrakterisiert Buchholz in seiner Dissertation über die preußische Reformpublizistik wie folgt: "In mehrfacher Hinsicht ragt Friedrich Buchholz aus dem Kreis der politischen Schriftsteller während der Reformzeit heraus. Zunächst brachte er substantielle und selbstständige Ideen in den sich in der Öffentlichkeit entfaltenden Reformdiskurs ein. Ferner machten den Alt-Ruppiner Pfarrerssohn nicht nur die Vielzahl und die theoretischen Fundierungen seiner Veröffentlichungen, sondern seine Wirkung auf das Denken anderer Autoren zu einem Meinungsführer par exellence. Zahlreichen Publizisten kam geradezu eine Multiplikatorfunktion für Buchholzsche Gedanken zu. Wie kaum ein anderer repräsentierte er den Typ des freien Schriftstellers, der ohne staatliche Anstellung dazu beitrug, ein neues Berufsbild zu etablieren". (Herrmann 1998, S. 85)

Verwendete Literatur:
Buchholz, Friedrich: Der neue Leviathan. Tübingen: Cotta 1805

Buchholz, Friedrich: Darstellung eines neuen Graviazionsgesetzes für die moralische Welt.
 Berlin: Unger 1802

Gentz, Friedrich von: Briefe und vertraute Blätter. Bd. 1. Hrsg. von Gustav Schlesier.
 Mannheim 1838

Herrmann, Lutger: Die Herausforderung Preußens. Reformpublizistik und politische
 Öffentlichkeit in napoleonischer Zeit (1789-1815). Frankfurt a.M., Berlin: Lang 1998
 (=Europäische Hochschulschriften reihe 3 Band 781)

Hofmeister-Hunger, Andrea: Pressepolitik und Staatsreform. Die Institutionalisierung
 staatlicher Öffentlichkeitsarbeit bei Karl August von Hardenberg (1792-1822)
. Göttingen:
 Vandenhoeck & Ruprecht 1994

Schäfer, Rütger: Friedrich Buchholz - Ein vergessener Vorläufer der Soziologie.                        Göppingen: Kümmerle 1972



SH

Werke/Literatur

Berlinaufenthalte

  • von 1790 bis 1792 Gemmelsches Haus Unter den Linden

Register

Fachregister:
  • Pädagogik

Person: Paul Ferdinand Friedrich Buchholz, Berliner Klassik, hrsg. v. der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, 2003-2013. URL: https://berlinerklassik.bbaw.de/personen/728.

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