Lebenslauf:
1750
Am 31. Mai wird Karl August als Sohn des Hannoveranischen Generals
Christian Ludwig von Hardenberg und Anna Sophia Ehrengart, geb. v. Bülow, in
Essenrode bei Gifhorn geboren. Das niedersächsische Adelsgeschlecht der von
Hardenberg gehört zu den größten und bekanntesten in Norddeutschland.
1766
Hardenberg beginnt das Studium der Rechts- und Staatswissenschaften an
der Universität Göttingen und hört vornehmlich bei Johann Stephan Pütter.
Zwischendurch wechselt er für ein Jahr an die Universität Leipzig.
1770
Eintritt in den hannoverschen Justizdienst.
1771
Tätigkeit zunächst als Auditor bei der Justizkanzlei in Hannover.
Versetzung in die Finazkammer
1772
Hardenberg folgt der Empfehlung Georgs III. und tritt eine längere
Reise an. Er besucht mehrere deutsche Fürstenhöfe und lernt die
Verfahrensweise des Reichskammergerichts zu Wetzlar, des Reichstages in
Regensburg und wahrscheinlich auch des Reichshofrates in Wien kennen.
1773
Hardenberg wird zum Kammerrat ernannt.
1774
Hochzeit mit Christiane von Reventlow.
1778
Aufenthalt in London.
1781
Zweiter Aufenthalt in England. Das Interesse des Prinzen von Wales an
Hardenbergs Frau wird öffentlich, und Hardenberg muß abreisen, bevor sich
seine Hoffnungen auf die Nachfolge des Leiters der Deutschen Kanzlei in
London erfüllen.
1782
Hardenberg wird zum Geheimen Rat ernannt.
1783
Hardenberg wird Minister in Diensten des Herzogs Carl Wilhelm Ferdinand
von Braunschweig-Wolfenbüttel. Er befürwortet den Beitritt Braunschweigs zum
preußischen Fürstenbund (1785).
1786
Hardenberg ist mit der Leitung des neuen weltlichen Schulkollegiums
betraut. Er verfasst Denkschriften, die sich mit Reformen der
Landesverwaltung und der Außenpolitik befassen.
1788 bis 1790
Hardenbergs Scheidung von seiner ersten Frau und die Heirat der
seinetwegen geschiedenen Sophie von Lenthe machen ihn für Braunschweig
untragbar. Er stellt sich daraufhin in Preußens Dienste und geht 1790 auf
Empfehlung Ewald von Hertzbergs als dirigierender Minister nach Ansbach und
Bayreuth.
1790
Notiz in der Haude- und Spenerschen Zeitung, Nr. 141 vom 24. November 1789:
"Auch haben Se. Königl. Majestät der Ober-Bergrath Hrn. Baron von Hardenberg zu Dero Kammerherrn zu ernennen und zu bestellen geruhet."
1792
Nach dem Rücktritt des Markgrafen geht die Provinz in den Besitz der
preußischen Krone über. Als Kabinetts-Minister reformiert Hardenberg in
seinen Ansbach-Bayreuther Jahren die dortige Verwaltung über den in
Altpreußen erreichten Stand hinaus. Mitarbeiter wie die zu dieser Zeit
gewonnenen Karl Siegismund von Altenstein und Karl Ferdinand von Nagler
werden ihm später nach Preußen folgen.
Ab 1793
Schon Ende des Jahres 1792 wird Hardenberg mit außenpolitischen Aufgaben
betraut. Im ersten Koalitionskrieg gegen Frankreich führt er an der Seite
von Minister Christian Heinrich von Haugwitz die Verhandlungen mit
Österreich und England. Neben den Aufgaben in Ansbach-Bayreuth wird die
Außenpolitik der Schwerpunkt von Hardenbergs politischer Tätigkeit.
1795
Hardenberg ist Mitunterzeichner des Basler Sonderfriedens. Während er
lediglich die französische Besatzung der linken Rheinseite zugestehen will,
stimmt die preußische Regierung der Abtretung dieser Gebiete an Frankreich
zu und ist bereit, ihren Einfluß auf Norddeutschland zu beschränken. Mit der
Unterzeichnung des Baseler Friedens beginnt Preußens
Neutralitätspolitik.
1797/98
Nach dem Regierungsantritt Friedrich Wilhelms III. wird Hardenberg unter
dem Vorwurf verschwenderischer Haushaltung nach Berlin berufen, wodurch
seine weitgehende Selbständigkeit eingeschränkt wird. Hardenberg bleibt zwar
dirigierender Minister für Ansbach und Bayreuth, doch er muß einen Teil
seiner Reformen zurücknehmen und die Provinzverwaltung auf den Stand der
altpreußischen bringen.
1802
Hardenberg wird nach dem Tod Friedrich Anton von Heinitz dessen Nachfolger als Kurator der Berliner Akademie der Künste.
1803
Hardenberg gewinnt das Vertrauen des Königs und vertritt zwischen
August und Oktober Haugwitz offiziell als Minister für auswärtige
Angelegenheiten.
1804
Hardenberg wird offiziell Außenminister.
1805-1806
Hardenbergs Einstellung gegenüber Frankreich ist zunächst schwankend, bis
er sich angesichts der verschärften Bedingungen Napoleons gegen die von
Haugwitz und vom König betriebene Neutralitätspolitik stellt und 1806 als
Außenminister zurücktritt. Im Krieg gegen Frankreich ist Hardenberg ohne
staatliches Amt, doch folgt er dem königlichen Hof auf der Flucht nach
Königsberg.
1807
Im April wird Hardenberg leitender Minister und ist mit allen inneren
und äußeren Angelegenheiten betraut. Nach dem Tilsiter Frieden muß er im
Juli auf Druck von Napoleon aus seinem Amt scheiden. Hardenberg erreicht
noch die Ernennung Steins zu seinem Nachfolger und geht nach Riga, um dort
gemeinsam mit Altenstein und Barthold Niebuhr im Auftrag des Monarchen an
einem Plan zur Neuordnung des Staates zu arbeiten. Das Ergebnis ist die
Rigaer Denkschrift vom September 1807. Neben den Forderungen nach
Gewerbefreiheit, der Liberalisierung des Handels, einer Heeresreform,
Aufhebung der Standesunterschiede und religiöser Toleranz enthält sie die
berühmte Formel der "Revolution im guten Sinn", und verlangt nach
"Demokratische(n) Grundsätzen in einer monarchischen Regierung; diese
scheint mir die angemessenste Form für den gegenwärtigen Zeitgeit. Die reine
Demokratie müssen wir noch dem Jahre 2440 überlassen". (Demel und Puschner
1995, S. 88). Während diese innenpolitischen Überlegungen auf
Altenstein zurückgehen, stammen die außenpolitischen Ausführungen von
Hardenberg selbst. Er formuliert als Ziel der innenpolitischen Reform die
Befreiung von der Fremdbesatzung. Auch wenn er vor "dem Wahn, neutral
bleiben zu können" ausdrücklich warnt, wird eine vorsichtige Politik der
Kompromisse und des Lavierens zwischen den Lagern zum Markenzeichen seiner
außenpolitischen Vorgehensweise bis 1815: "Alle Verwicklungen vermeide
man aufs sorgfältigste und geben keinen Anlaß zum Streit, damit man Zeit
gewinne, sich zu verstärken. Insonderheit ist hierin mit Napoleon die größte
Vorsicht nötig, da noch soviele Gegenstände mit ihm auszugleichen sind und
er das Messer noch über uns zückt. Vor allen Dingen wende man alles an, die
französischen Truppen ganz aus dem Lande zu entfernen, und scheue allenfalls
ein neues Opfer nicht, um dahin zu gelangen". (Demel und Puschner 1995, S.
89). Mit diesem Opfer meint Hardenberg auch ein Bündnis mit dem Feind
selbst. Diese Politik bringt ihn in den nächsten Jahren immer wieder in den
Gegensatz zur patriotischen Partei Preußens, der das "Werk der Befreiung"
(Gentz) nicht schnell genug gehen kann.
Ab 1808
Hardenberg geht nach Tilsit und verfaßt seine "Denkwürdigkeiten". Auf
seinen Rat hin wird Stein aus seiner Verantwortung entlassen und im November
das Ministerium Altenstein-Dohna berufen. In den kommenden beiden Jahren
hält sich Hardenberg in Berlin und auf seinen märkischen Gütern, Anfang 1810
im Hannoverschen auf und übt als Berater Einfluß auf das politische
Geschehen aus.
Ab 1810
Hardenberg spricht sich auf Nachfrage des Fürsten Sayn-Wittgenstein
gegen Altensteins Rat aus, zur Aufbringung der Kontributionen Schlesien an
Napoleon abzutreten. Stattdessen erarbeitet er Alternativpläne zur
Konsolidierung der Kriegsschulden, die vor allem auf dem Verkauf von Domänen
und der Aufhebung der Grundsteuerfreiheit für den Adel basieren. Seine
Ratschläge führen zur Entlassung Altensteins und seiner Mitarbeiter. Am 4.
Juni wird Hardenberg - diesmal mit Billigung Napoleons - preußischer
Staatskanzler. Damit ist das bislang geltende Prinzip der ministeriellen
Kollegialität beseitigt. Bis 1822 arbeitet er an umfangreichen Reformen, die
sich aufgrund des wachsenden Widerstandes restaurativer Kräfte nur teilweise
realisieren lassen. Das weiteste Ziel, die Einführung einer Verfassung und
die politische Mitbestimmung des Bürgertums, erreichen Hardenberg und seine
Unterstützer nicht. 1810 Erlaß des Finanzedikts (27. Oktober) als Auftakt zu
den hardenbergschen Reformmaßnahmen. Es folgen das "Regulierungsedikt"
(September 1811), das Gewerbesteuergesetzt (Oktober 1811) und 1812 die
gesetzliche Festschreibung der Judenemanzipation.
1812
Im Mai trifft Hardenberg den französischen Kaiser Napoleon in
Dresden.
1814
Gemeinsam mit Wilhelm von Humboldt und dem Freiherren vom Stein verfaßt
Hardenberg den "Entwurf der Grundlage der deutschen Bundesverfassung". Die
Bemühungen um eine Konstitution führen dahin, daß der König am 22. Mai 1815
ein Verfassungsversprechen abgibt. Die Einberufung einer
Verfassungskommission findet allerdings erst 1817 statt.
Erhebung in den Fürstenstand (3. Juni).
1815
Zwischen dem 18. September 1814 und dem 19. Juni 1815 findet der Wiener
Kongreß statt, auf dem Hardenberg die Interessen Preußens vertritt. Er
erreicht sein Ziel, Preußen im Kreis der Großmächte zu etablieren. Dem Staat
werden Teile von Sachsen, Schwedisch-Pommern, sowie die Rheinprovinzen
zugeschlagen, allerdings muß Preußen Ansbach-Bayreuth an Bayern und einige
weitere Ländereien an Hannover abtreten. Insgesamt kann Preußen seine
Staatsfläche jedoch vergrößern.
In den Verhandlungen über die Errichtung des Deutschen Bundes kann sich
Metternich mit seiner Idee eines lockeren Staatenbundes gegen Hardenbergs
Konzept der Bundesverfassung durchsetzen. Das Verfassungsversprechen, das
Hardenberg dem König abringen kann, erweist sich damit als brüchig. Mit dem
Eintritt Preußens in die "Heilige Allianz", einem Verbund der Siegermächte
wird das monarchische Staatsprinzip vielmehr gestärkt.
In Berlin macht Hardenberg durch Caroline von Humboldt die Bekanntschaft
mit David Ferdinand Koreff. Seine naturphilosophische Medizin macht Eindruck
und er wird Leibarzt des Staatskanzlers. Der tatsächliche Einfluß Koreffs
auf Hardenberg und auf die Politik des Kanzlers läßt sich nicht bewerten.
Koreff begleitet ihn bis 1818 beratend auf allen Kongressen. Die Verbindung
wird in den politische Kreisen Berlins mit Argwohn betrachtet. Koreffs
Berufung an die Bonner Universität geht wohl auf den Einfluß Hardenbergs
zurück.
1818
Hardenberg nimmt als Vertreter Preußens auf dem Kongreß der Großmächte
in Aachen teil. Es kommt zum Abschluß eines Geheimabkommens zwischen den
Großmächten, gegen revolutionäre Unruhen gemeinsam vorgehen zu wollen. In
Aachen konkretisiert sich das Vorgehen reaktionärer Kräfte gegen
Universitäten, Presse und Vereine.
1819
Hardenberg verfaßt den Entwurf "Ideen zu einer landständischen
Verfassung in Preußen". Der Versuch, mit der Schrift die Debatte um eine
Verfassung für Preußen zu beschleunigen, mißlingt.
1820
Teilnahme am Kongreß zu Troppau. Im "Troppauer Protokoll" beschließen
Österreich, Rußland und Preußen ein Interventionsrecht gegen Staaten, die
eine "durch Aufruhr bewirkte Regierungsveränderung erlitten" (Hardtwig
und Hinze 1997, S. 61)
1821
Kongreß in Laibach. Das im "Troppauer Protokoll" festgesetzte
Interventionsrecht wird konkretisiert.
1822
Teilnahme am Kongreß in Verona, einem der letzten großen Zusammenkünfte
der "Kongreßära". Kurz nach dem Kongreß erkrankt Hardenberg und stirbt am
22. November in Genua.
Hardenbergs schillernde Persönlichkeit und sein politisches Werk stehen oft
im Schatten der Tätigkeiten des Freiherren vom Stein, um den sich die
Forschung sehr viel intensiver und wohlwollender gekümmert hat. Hardenbergs
Anteil an der preußischen Reformära ist jedoch - ebenso wie das Wirken
Steins - immens. Seine zwölfjährige Kanzlerschaft und seine Reformvorschläge
unterscheiden sich von den Vorstellungen des berümten Vorgängers durch mehr
Kompromißbereitschaft mit der innenpolitischen Opposition und diplomatisches
Taktieren mit dem außenpolitischen Gegner Napoleon. Beides bringt Hardenberg
viel Kritik ein. Von den Reformern, die ihm vorwerfen, zu vorsichtig zu
handeln, von der Hofpartei, der Hardenbergs Verfassungsentwürfe und
Beschränkung der Adelsprivillegien zu weit gehen, besonders von der
Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts, die Wankelmut und Inkonsequenz in
seinem Handeln beanstanden. In der Tat scheitert Hardenbergs politischer
Anspruch, Preußen zu einem Verfassungsstaat zu machen an dem Widerspruch,
eine kompromißbereite Reformpolitik gegen die reaktionären Widerstände
durchzusetzen.
Dennoch ist Hardenberg zeitlebens mit teilweise ungerechter Kritik
konfrontiert. 1808 urteilt ein Kritiker: Es gibt viele Personen, welche
diesem Minister mit Leib und Seele anhängen. Unstreitig trennen sie nicht
den Minister von dem Menschen in Hardenberg. Als letzterer, mag er Achtung
und Liebe verdienen; als ersterer hat er seine Bestimmung durchaus verfehlt.
Ob er gleich arbeitssamer ist, als Haugwitz, so hat er doch eben so wenig
wie dieser den Zeitgeit erkannt, noch demselben gemäß gehandelt. Er war voll
von jener Politik, welche das System des Gleichgewichts mit sich brachte,
und konnte sich daher nicht zu einer Idee erheben, welche über dieses System
hinaus ging. Aus diesem Unvermögen sind alle die Fehler entstanden, welche
er als Cabinetts-Minister begangen hat, wenn man anders diesen Ausdruck
gebrauchen kann, wo nur von Negation und Unterlassung die Rede seyn sollte.
Auch er befand sich gewiß immer sehr wohl, wenn er einen Courier expediert
hatte, der erst nach mehreren Wochen zurück kommen konnte, um die glückliche
Muße zu unterbrechen, die bis dahin allerlei angenehmen Partien gewidmet
wurde". (Anonym 1808, S.363-364). Der Kritiker spielt auf Hardenbergs
Frauengeschichten an, die wie seine zum Teil dubiosen Ratgeber Gegenstand
öffentlicher Polemik sind. Der Vorwurf, zu langsam zu Handeln und den
Zeitgeist zu verkennen, trifft jedoch, sieht man die Karriere Hardenbergs im Ganzen, sicher nicht zu. Bei dem anonymen Kritiker handelt es sich übrigens
um Friedrich Buchholz, der 1808 mit der Schrift "Gallerie Preußischer
Charaktere" einige Staatsdiener und Mitglieder der Berliner Gesellschaft
diffamiert. Ab 1811 findet Buchholz allerdings eine Anstellung beim Staat
als Reformpublizist - sein Vorgesetzter ist Hardenberg.
Das ungerechte Bild, das die historische Biographik von Hardenberg zeichnet
- Friedrich Meinecke etwa bescheinigt ihm ein "charakterloses
Regiment", während sein Charakter von "Flachheit und
Wurzellosigkeit" gekennzeichnet sei - versucht Ingo Hermann in seiner
lesenswerten Hardenbergbiographie von 2003 zu korrigieren. Sie
schließt mit den Worten: "Hardenberg war weit davon entfernt, ein
Verwaltungsfetischist oder Bürovorsteher des Königreichs Preußen zu sein. Er
war vielmehr der erste moderne Politiker im Deutschland seiner Zeit und ein
Visionär der Demokratie, der aber realistisch genug war, die 'reine
Demokratie dem Jahr 2440 zu überlassen'". (Hermann 2003, S. 413).
Verwendete Literatur:
Anonym (=Friedrich Buchholz): Gallerie Preußischer Charaktere. Aus der
französischen Handschrift übersetzt. Germanien (= Berlin): Sander
1808.
Demel, Walter und Puschner, Uwe: Deutsche Geschichte in Quellen und
Darstellungen Band 6: Von der Französischen Revolution bis zum Wiener
Kongreß 1798-1815. Stuttgart: Reclam 1995.
Hardtwig, Wolfgang und Hinze, Helmut: Deutsche Geschichte in Quellen und
Darstellungen Band 7: Vom Deutschen Bund zum Kaiserreich 1815-1871.
Stuttgart: Reclam 1997.
Hermann, Ingo: Hardenberg. Der Reformkanzler. Berlin: Siedler
2003.
Sven Haase