Lebenslauf:
1770
Altenstein wird als Sohn des markgräflich-ansbachischen Rittmeisters
und Kammerherren Friedrich Ernst von Altenstein und dessen Frau Juliana
Philippine Wilhelmine, geborene von Adelsheim, in Schalkhausen bei Ansbach
geboren. Die Altensteins sind ein fränkisches Adelsgeschlecht, die Stammburg
Altenstein liegt bei Römhild/Franken.
Ab 1779
1779 Tod des Vaters. Besuch des Gymnasiums und Pagenkorps in Ansbach.
In Erlangen, Göttingen und Jena betreibt Altenstein ein Jurastudium.
Zusätzlich studiert er Staatswissenschaften und hört naturwissenschaftliche
Vorlesungen.
Der spätere Bildungsminister Preußens lernte nie an einer preußischen
Landesuniversität.
1793
Altenstein wird Referendar bei der ansbachischen Kriegs- und
Domänenkammer. Er lernt Hardenberg kennen, der sein Förderer wird.
1799
Umzug nach Berlin. Vorläufig arbeitet er als Referent weiter. Zudem
beschäftigt er sich mit national-ökonomischen Fragen, z.B. in Bezug auf die
Getreideversorgung des Staates.
1802
Altenstein heiratet Emilie Freiin von Hermann.
1803
Altenstein wird Geheimer Oberfinanzrat. Zudem ist er Mitglied des
Generaldirektoriums. Geburt eines Sohnes. Hardenberg wird Taufpate.
1804
Dienstreise in die fränkische Provinz. In Berlin beginnt er sich mit
Philosophie und Fragen der Bildung zu beschäftigen. U.a. hört er Fichtes
Vorlesungen über die "Grundzüge des gegenwärtigen Zeitalters".
1806
Nach der preußischen Niederlage gegen Napoleon tritt Altenstein die
gemeinsame Flucht mit der Regierung nach Königsberg und Tilsit an. Er gehört
von Anbeginn zum engeren Kreis der Reformer, wenngleich sein Verhältnis zum
Freiherr vom Stein belastet ist.
1807
Als Grundlage der Preußischen Reformen erarbeitet Altenstein zusammen
mit Hardenberg und Barthold Georg Niebuhr die Rigaer Denkschrift. Das neben
der Nassauer Denkschrift des Freiherren vom Stein wichtigste
Grundlagendokument der Reformen schlägt die "Revolution im guten
Sinn" vor und tritt für "demokratische Grundsätze in einer
monarchischen Regierung" ein. Aus Altensteins Feder stammen die
innenpolitischen Ausführungen der Denkschrift. Neben militärischen
Reformmaßnahmen und der Einführung der Gewerbefreiheit fordert er die
"möglichste Aufhebung des Unterschieds aller Stände". Zur
"Herstellung des Zusammenhanges der Nation mit der Staatsverwaltung"
wird "die Idee einer Nationalrepresetation (...) ohne Abbruch der
monarchischen Verfassung" empfohlen. Weiter heißt es: "Der Begriff
gefährlicher Nationalversammlungen passt nicht auf sie. Durch die
Amalgamisierung der Repräsentanten mit den einzelnen Verwaltungsbehördern
wird sie den Nutzen gewähren, ohne den Nachteil zu haben. Sie soll keinen
besonderen konstitutiven Körper, keine Behörde bilden". (Demel und Puschner
1995, S. 87-97).
Wie die Denkschrift Steins geben auch Hardenberg, Altenstein und der für
die finanziellen Aspekte zuständige Niebuhr einer Reform des
Verwaltungsapparates den Vorrang gegenüber der Einführung einer
Staatsverfassung.
1808
Nach der Entlassung Steins wird Altenstein preußischer Finanzminister.
Wie sein Vorgänger tut er sich schwer mit konkreten Lösungen der prekären
Finanzsituation des preußischen Staates.
1810
Altensteins Vorschlag, zur Aufbringung der Kontributionen die Abtretung
Schlesiens in Erwähnung zu ziehen, stößt auf Widerstand und endet mit seiner
Entlassung. Hardenberg ersetzt ihn als Finanzminister.
1813
Altenstein wird Zivilgouverneur Schlesiens. Während der
Befreiungskriege tritt er nicht in Erscheinung.
1815
Altenstein verfasst eine Denkschrift über Verwaltung und Verfassung.
Ein Schwerpunkt ist die zwei Jahre später umgesetzte Eigenständigkeit des
Kultusministeriums.
1817
Altenstein wird Chef des aus dem Innenministerium herausgelösten
Ministeriums für die geistlichen, Medizinal- und Unterrichtsangelegenheiten.
Die Stellung nimmt er bis zu seinem Tode ein. Unter tatkräftiger Mitarbeit
der Bildungsbeamten Johann Wilhelm Süvern, Johannes Schulze, Friedrich
August Diesterweg, Georg Heinrich Ludwig Nicolovius u.a. prägt er die
preußische Bildungspolitik nachhaltig. Durch den Aufstieg des Humanistischen
Gymnasiums und der preußischen Universitäten führt er das Werk Humboldts
weiter. Altensteins Plan, die Berliner Universität als zentrale
Landesuniversität zu etablieren wird allerdings verworfen. Auf der anderen
Seite stehen die Erfolge: Mit der Installation von Lehrerseminaren und
Provinzialschulkollegien, dem Ausbau des Elementarschulwesens und der
Einführung der landesweiten Schulpflicht erwerben sich Altenstein und seine
Mitarbeiter große Verdienste in der preußischen Bildungspolitik.
Ab 1817
Durch die Bildung der zentralistischen Evangelischen Kirche der Union,
von Friedrich Wilhelm III. gefordert und mit Altensteins Hilfe durchgesetzt,
kommt es zum Bruch zwischen dem Minister und einigen Theologen, darunter
Friedrich Daniel Schleiermacher. Auch einige Altlutheraner leisten
Widerstand, sodaß die als protestantische Zusammenführung gedachte Agende
staatlich durchgesetzt werden muß.
1818
Die Universität Bonn wird gegründet. Die ursprünglich für Berlin
angestrebte Berufung August Wilhelm Schlegels an die neue rheinische
Universität stellt eine Niederlage für Altensteins Berufungspolitik dar.
Zudem gelingt es ihm nicht, statt dessen Ludwig Tieck als Professor für
Literatur in Berlin zu gewinnen. Allerdings kann der Minister auch eine
erfolgreiche Berufung vermelden: Am 22. Oktober hält der Philosoph Georg
Wilhelm Friedrich Hegel seine Antrittsvorlesung in Berlin.
1819
Mit der Ermordung des Dichters Kotzebue durch den jenaer Studenten
Ludwig Sand am 23. März geraten die Universitäten - Studenten und
Professoren - unter den Druck der Reaktion. Altensteins Aufgabe, zwischen
den Fronten zu vermitteln wird durch die Entlassung des Berliner Theologen
Wilhelm DeWettes auf eine harte Probe gestellt. DeWette hatte der Familie
des Attentäters in einem Brief sein Beileid bekundet und war so für das
Ministerium nicht mehr tragbar. Die Angehörigen der Universität stehen
dagegen zu weiten Teilen auf der Seite des entlassenen Professors.
1825
Ausdehnung der Schulpflicht auf das gesamte Staatsgebiet.
1834
Einführung des Gymnasiallehrplans.
Ab 1836
Kölner Wirren. Im Mittelpunkt des Konflikt zwischen der preußischen
Regierung und der katholischen Kirche - vordergründig über die
Mischehenfrage, grundsätzlich aber über die Eigenständigkeit der
katholischen Kirche im protestantischen Staat Preußen - stehen einige von
Altenstein an die katholisch-theologische Fakultät berufene Professoren. Die
Maßnahmen Papst Gregors XVI. richten sich vor allem gegen den Hermesianismus
und seinen Begründer Georg Hermes, der von der Bonner Universität aus ein
kritizistisches, der rationalen Philosophie nahestehendes Lehrsystem des
katholischen Glaubens verbreitet. Höhepunkt der Kölner Wirren ist die
Verhaftung des Kölner Erzbischoffs Droste-Vischering, der die von Friedrich
Wilhelm III. 1825 eingeführte Toleranz der konfessionellen Mischehe nicht
anerkennt. Der Streit gipfelt in einer öffentlichen Debatte, die zugunsten
der katholischen Kirche und mit der Entlassung Georg Hermes erst nach 1840
entschieden wird. Allgemein gelten die Kölner Wirren als Vorgeschichte des
Kulturkampfes.
1840
Am 14. Mai stirbt Altenstein im Alter von 69 Jahren in Berlin.
Altenstein steht als preußischer Minister und Reformer bis heute im
Schatten berühmterer Namen, obwohl er am längsten im Amt war. Am stärksten
wirkte er als Chef des Ministeriums für die geistlichen-, medizinal und
Unterrichtsangelegenheiten, eine Stellung, die er 23 Jahre inne hatte. Eine
Einschätzung seiner Person, der Erfolge und der Niederlagen fällt nicht
leicht, was auch in der knappen Forschungslage über sein Wirken begründet
liegt. Als Kultusminister stand er zwischen den Fronten: Auf der einen Seite
wurde seine Arbeit, besonders die Universitätspolitik, von den erstarkten
reaktionären Kräften im Umkreis des Königs, sowie im Innen- und
Justizministerium, kritisch beobachtet. Andererseits geriet er auch von
Seiten einiger Professoren in die Kritik, da sie sie sich nicht genug
geschützt fühlten.
Zu seinen Erfolgen ist die Berufung des Philosophen Hegel an die Berliner
Universität zu zählen. Hegels Aufstieg zum preußischen Staatsphilosophen ist
eng mit dem Namen Altenstein verknüpft. Auch für die vielen anderen
Berufungen an die preußischen Universitäten müssen ihm angesichts leerer
Kassen einige Verdienste zugesprochen werden. Johann Schulze, Altensteins
lanjähriger Mitarbeiter hat dies 1840 in einer äußerst wohlwollenden
Huldigung getan. Unter anderem heißt es dort: "In seiner ganzen
Erscheinung und seiner ruhigen Stellung lag etwas Ernstes, Wohlwollendes,
Vertrauensweckendes bei vornehmen, wahrhaft adligen Formen; seine mündliche
Darstellung etwas schwerfällig, aber für den, der ihn kannte und mit seinem
Ideengange vertraut war, leicht verständlich. Die schriftliche Darstellung
ward ihm leichter bei wachsendem Alter; Tausende von Aktenstücken zeigen,
wie er oft mit wenigen fragmentarischen Worten den rechten Punkt, worauf es
ankam, getroffen. (...). Frei von jeder Eitelkeit, aber durchdrungen von dem
lebendigen Pflichtgefühl, hat er in seiner viel umfassenden Verwaltung stets
dem höchsten nachgestrebt; in makelloser Uneigennützigkeit, in
unverdrossenem Fleiße, in unermüdlicher Geduld und ausharrender
Standhaftigkeit leuchtet er allen vor, denen das Glück vergönnt war, nähere
Zeugen seines hochherzigen Wirkens zu sein. Durch die Weisheit seiner
Verwaltung und durch ihre segensreichen Wirkungen auf die Bildung und
fortschreitenden Entwicklung des preußischen Volkes hat er sich ein
unvergängliches Denkmal gegründet, und sein Name wird in der ruhmvollen
Geschichte der Regierung Friedrich Wilhelm III. neben Hardenberg eine
würdige Stelle behaupten". (Zitiert nach Müsebeck 1918, S. 295 ff. und S.
307).
Nüchterner charakterisiert der Universitätshistoriker Max Lenz 1910 den
Minister und widerspricht dem Zeitzeugen und Kollegen Altensteins in einigen
Punkten: "Zum Staatsmann, um es mit einem Wort zu sagen, fehlte
Altenstein die Großzügigkeit des Charakters, die Selbstständigkeit des
Willens, der Überblick über Verhältnisse und Menschen und die Kraft, die
sich durchsetzt, weil sie mit dem Mut gepaart ist, zu stehen und zu fallen
mit dem, was sie will. Seine Talente waren die der kleinen Mittel, er war
vielmehr Taktiker als Stratege; nicht einmal sein Geschick zu organisieren
war bedeutend. Aber er besaß die Tugenden des Beamten, des Bürokraten; die
Gaben, die sich in der Schreibstube entwickeln: Fleiß, Beharrlichkeit, die
auch da nicht versagt, wo die Überzeugung schweigen muß, und die doch den
Moment zu benutzen weiß, wo das Ziel, das nie aus den Augen verlorene,
erreichbar ist; und dabei vor allem die Freude an dem Gedeihen seiner
Schöpfung und ein innerstes Interesse für die Aufgaben, die ihm gestellt
waren". (Lenz 1910. II.1, S. 9).
An der "Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften" widmet sich
neben der "Berliner Klassik" auch das Projekt "Preußen als Kulturstaat" der
Geschichte des preußischen Bildungsministeriums bis in die 1830er Jahre und
damit der Politik Altensteins.
Verwendete Literatur:
Demel, Walter und Puschner, Uwe (Hrsg.): Deutsche Geschichte in Quellen
und Darstellungen Band 6: Von der Französischen Revolution bis zum Wiener
Kongreß 1789-1815. Stuttgart: Reclam 1995
Müsebeck, Ernst: Das preußische Kultusministerium vor 100 Jahren.
Stuttgart und Berlin: Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger 1918
Lenz, Max: Geschichte der Königlichen Friedrich-Wilhelms-Universität zu
Berlin. Band II.1: Das Ministerium Altenstein. Halle: Buchhandlung des
Waisenhauses 1910
SH