Lebenslauf:
1780
Am 26. Februar wird Christian Samuel Weiß in Leipzig als Sohn eines
evangelischen Pfarrers geboren.
Besuch der Gnadenschule von Hirschberg in Schlesien, die von einem Freund
des Vaters, dem Philologen Karl Ludwig Bauer, geleitet wird.
1794
Weiß unternimmt gemeinsam mit seinem Bruder Christian, dem späteren
Philosophieprofessor und Merseburger Geheimrat, eine Reise durch Sachsen,
Schlesien und Böhmen.
1796 bis 1801
Studium der Medizin und Naturwissenschaften an der Universität Leipzig.
1799 beantwortet Weiß eine Preisfrage der Bayrischen Akademie der
Wissenschaften. Obwohl seine Arbeit über die "Materie des Lichts und des
Feuers" ein Jahr nach Ablauf der Frist eingereicht wird, gesteht die
Akademie Weiß einen halben Preis zu. 1801 erfolgt die Promotion mit einer
Arbeit über die Aggregatzustände der Materie. Titel der Dissertation:
"Dissertatio de notionibus rigidi et fluidi accurate definiendis".
1801 bis 1802
Aufenthalt in Berlin. Kontakt zu Berliner Forscherkreisen, Insbesondere zu
der Berliner "Gesellschaft naturforschender Freunde" (GNF), deren Mitglied
er wird und an deren Versammlungen er vom Oktober 1801 bis zum Mai 1802
regelmäßig teilnimmt. Für seine Theorien ist dieser Kontakt grundlegend.
Weiß wird durch die Berliner u.a. mit Hauys Kristallisationstheorie bekannt
gemacht. Zudem lernt er dort auch bedeutende Naturforscher seiner Zeit (u.
a. Alexander von Humboldt, Klaproth, von Buch, Oersted, Karsten, Chladni,
Weber, Guy-Lussac, Erman, Gehlen, Richter, Bode) kennen, die eine von ihm
erstrebte Synthese von naturphilosophischen Ideen mit
naturwissenschaftlichen Methoden befördern. Besonders mit Martin Heinrich
Klaproth befreundet sich Weiß.
1802
Weiß geht nach Freiberg und wird Schüler und später Freund des berühmten
Mineralogen Abraham Gottlob Werner.
Ab 1803
Habilitation im Fach der Physik. Weiß beginnt seine Vorlesungstätigkeit
an der Universität Leipzig. Gemeinssam mit Karl Karsten und dessen Oheim
Dietrich Karsten übersetzt Weiß den französischen Mineralogen Rene Just Haüy
ins Deutsche. Das "Lehrbuch der Mineralogie" und die "Anfangsgründe der
Physik" erscheinen jeweils in zwei Bänden
1804 und 1805 bei Reclam. das "Lehrbuch" erfährt bis 1810 drei weitere
Bände. Die churpfälzisch-bayrische Akademie der Wissenschaften in München
nimmt den erst 23 jährigen Weiß als Mitglied auf.
1805/06
Weiß verbringt den Winter in Berlin.
1806 bis 1808
Von Friedrich August, dem Churfürsten von Sachsen finanziell unterstützt,
reist Weiß nach Wien, Tirol, Oberitalien, durch die Schweiz bis nach
Frankreich. Zweck der Reise sind geologische Untersuchungen der Alpen und
von Vulkanen. In Paris, dem Endpunkt der Reise, trifft er mit dem berühmten
und von ihm hochverehrten Mineralogen Rene Just Haüy zusammen. Die
Ergebnisse von Weiß' Forschungen gehen über die Resultate von Haüy und
seinem Lehrer Abraham Gottlob Werner hinaus, widerlegen sie zum Teil und
erweitern das Fach der Mineralogie methodisch und praktisch. In dieser Zeit
Hochtzeit von Weiß.
1808
Weiß wird Professor an der Leipziger Universität. 1809 tritt er die
Professur an. Titel der Habilitation: "De indagando formarum crystallinarum
charactere geometrico principali". Schwerpunkt seiner Vorlesungen ist die
theoretische und praktische Erörterung der Beschaffenheit von Kristallen.
1810
Weiß erhält einen Ruf als Professor für Mineralogie und Kristallographie an
die neugegründeten Berliner Universität. Die Systematisierung von
Kristallen, ihrer Beschaffenheit, Zusammensetzung und die Erforschung der
Eigenschaften der Kristallisation bleibt der Hauptgegenstand seiner
Forschungen
Mitglied der "Philomatischen Gesellschaft".
Ab 1815
Weiß wird am 23. März Mitglied der Berliner Akademie der Wissenschaften.
Bis 1845 erscheinen immer wieder wissenschaftliche Abhandlungen über die
Beschaffenheit verschiedener Stoffe und Materien, Arbeiten über
Kristallisation, sowie begriffliche und methodische Erörterungen in den
Publikationen der Akademie der Wissenschaften.
Vor allem aber lehrt Weiß bis 1845 als Professor an der Universität. Seine
Vorlesungen und praktische Demontstrationen sind an der Universität beliebt.
Aus dem Kreis seiner Schüler entstammen einige erfolgreiche Mineralogen und
Geologen, darunter Gustav Rose, Friedrich Hoffmann, Friedrich August
Quenstedt, Franz Ernst Neumann, Carl Friedrich von Martius u.a.
1845
Weiß tritt vom Lehrbetrieb zurück. Während seiner Laufbahn werden ihm von
Friedrich Wilhelm III. und seinem Nachfolger verschiedene Orden
verliehen.
1856
Gemeinsam mit seiner Frau unternimmt Weiß eine Kurreise nach Böhmen. In
Eger erliegt Weiß am 1. Oktober 76jährig den Folgen einer Blasenkrankheit.
In einer Denkrede, am 28. November 1856 an der Bayrischen Akademie der
Wissenschaften gehalten, würdigt Carl Friedrich v. Martius Samuel Weiß als
"den Urheber einer mathematischen Ktystallographie" und als
"Begründer einer analytisch-geometrischen Behandlung dieser
Wissenschaft". Der ehemalige Schüler betont seine Fähigkeiten als
akademischer Lehrer: "Weiß besaß die Gabe der freiesten, lebendigsten
Rede. Wir haben ihn in kräftigsten Mannesjahren, von Vortrag oder
Widerspruch erhitzt, gleichsam geistige Blumen von sich werfen hören, die
er, aus dem reichen und mannigfaltigen Wissen, wie unbewußt hervorlangte;
und bis in das Greisenalter brachte er diese frische, discursive
Beweglichkeit herüber, zugleich mit dem lautersten Gefühl für das Schöne,
das Rechte, mit der liebenswürdigen Hingabe an Freundschaft. Im stillen
harmlosen Kreise wie in der ernsten Versammlung der Amtsgenossen zierte ihn
die edelste Bescheidenheit, jener tugendhafte Cultus der Wahrheit, der sich
stets die Grenzen des eigenen Wissens vergegenwärtigt, keckes
zuversichtliches Behaupten ohne Wissen eines Biedermannes unwürdig
achtet".
Für Martius war Weiß aber nicht nur der theorieorientierte Lehrer einer
wissenschaftlichen Elite. Für den Staat Preußen habe er sich auf besondere
Weise eingesetzt: "Außerdem aber waren alle, die an Berlins Hochschule
sich für den Dienst im Berg- und Hüttenfache ausbilden wollten, seine
Schüler, und so hat Weiß wesentlichen Antheil an der Blüthe eines
hochwichtigen Verwaltungszweiges, in einem großen Staate, dessen Personale
sich sich durch Wissenschaftlichkeit und Intelligenz auszeichnet" (von
Martins 1856, S. 5 und 18 ff.).
Das Bild von Weiß als ausgezeichnetem Redner und Universitätsredner
bestätigt Karl Friedrich Klöden, Gründer der ersten Gewerbeschule im
preußischen Staat, in seiner Autobiographie. Nicht als Student der
Universität, sondern als mineralogisch interessierter Laie ging er auf Weiß
zu und fragte ihn, ob er an seinen Vorlesungen teilnehmen dürfe: "Der
treffliche Mann gab mir sofort die Erlaubnis, alle seine Vorlesungen zu
besuchen, und ich habe davon fleissig und dankbarlichst Gebrauch gemacht.
Vier Jahre lang habe ich unausgesetzt alle seine Vorträge gehört über
Mineralien, Kristallographie, Geognosie, Petrefaktologie, philosophische
Naturlehre etc. und bei keinem meiner Lehrer habe ich soviel gelernt, denn
er führte tief in die Natur und tief in das Denken ein; keine andere
Vorlesung ist mir so nützlich gewesen. Die Stunden, welche ich bei Weiß
verlebte, gehören zu den bestangewandten meines Lebens". (Klöden 1978, S.
378-379).
Verwendete Literatur:
Klöden, Karl Friedrich: Von Berlin nach Berlin. Erinnerungen
1786-1824. Hrsg. von Rolf Weber. Berlin: Verlag der Nation 1978.
von Martius, Carl Friedrich: Denkrede auf Christian Samuel Weiß.
Gehalten in der öffentlichen Sitzung der Königl. Bay. Akademie der
Wissenschaften am 28. November 1856. München: Seperatdruck aus den
Bulletins der Gelehrten Anzeigen 1857.
SH