Adam Heinrich Müller

Lebensdaten

Namensformen

Namensänderung:
Nachname: Ritter von Nitterdorf

Genealogie

Genealogie:
Vater: Wilhelm Heinrich Müller (1750-1818), Hofrentmeister und Sekretär beim märkischen Oberkonsistorium Mutter: Anna Sophie Henriette (1752-1784), geborene Pahl

Biographie

Lebenslauf:

1779
Adam Müller wird als einziges Kind des Hofrentmeisters und Sekretärs am kurmärkischen Oberkonsistorium Wilhelm Heinrich Müller und Anna Sophia Henriette Müller in Berlin geboren.

1784
Tod der Mutter.

1785
Heirat des Vaters mit Caroline Cube, der Tochter von Johann David Cube, Prediger an Jerusalemer Kirche in Berlin. In den Jugendjahren erhält Müller durch seinen Stiefgroßvater erste Bildungseindrücke. Besuch des Gymnasiums zum Grauen Kloster. Freundschaft mit Friedrich Gentz.

1798
Studium der Rechts- und Staatswissenschaften in Göttingen. Dort studiert er u. a. bei dem Historiker Arnold Heeren und dem Juristen Gustav Hugo. Kritische Auseinandersetzung mit den Ideen der Aufklärung und Ablehnung der Idee des Naturrechts. Intensive Beschäftigung mit volkswirtschaftlichen Fragen und den Theorien Adam Smiths. Nach anfänglicher Bewunderung lehnt Müller den Wirtschaftstheoretiker später ab.

1801
Rückkehr nach Berlin. In literarischen Kreisen macht er u. a. Bekanntschaft mit August Wilhelm Schlegel und Ludwig Tieck. Sein kritischer Aufsatz "Über einen philosophischen Entwurf von Herrn Fichte, betitelt: der geschlossene Handelsstaat", in dem Müller gegen die Staatslehre Fichtes polemisiert, erscheint in der "Berliner Monatsschrift".

1802
Anstellung als Referendar bei der kurmärkischen Kriegs- und Domänenkammer

1803
Austritt aus dem Amt. Müller besucht einen Studienfreund in Polen auf dessen Landgut. Hier beginnt er mit der Arbeit an seiner Schrift "Die Lehre vom Gegensatz". In Bezugnahme auf die Philosophie Schellings entwirft Müller darin eine Theorie, die auf der Wechselwirkung von Trennung und Bindung zweier gegensätzlicher Pole (etwa Subjekt und Objekt, Kunst und Natur, Religion und Wissenschaft, Volk und Souverän) beruht und aus der sich die Idee des organischen Zusammenhangs und des lebendigen Organismus (z.B. der Staat) speist. In den späteren Werken nimmt M. diese Ideen immer wieder auf. Während Müllers Aufenthalt in Polen reift sein Entschluß, zum katholischen Glauben überzutreten.

1804
Müller wird Hauslehrer der Kinder des Landrates P.B. v. Haza-Radlitz auf dessen Gut in Polen. Dessen Frau Sophie wird Müller fünf Jahre später heiraten. Das erste Buch der auf drei Bände angelegten "Lehre von Gegensatz" erscheint.

1805
Endgültige Entlassung aus dem Staatsdienst. Reise zu Gentz nach Wien, dort Konvertierung zum Katholizismus. Im Herbst mit der Familie Haza Übersiedlung nach Dresden, wo für Müller ein neuer Lebensabschnitt beginnt. Er verkehrt in der höheren Gesellschaft und setzt sich mit Fragen der Ästhetik, der Literatur und der Staatstheorie auseinander.

1806
Müller hält in den gesellschaftlichen Kreisen Dresdens "Vorlesungen über die deutsche Wissenschaft und Literatur" und "Vorlesungen über die dramatische Kunst". Erstere werden gedruckt und machen den 27 Jährigen populär.

1807
Müller wird zum Erzieher des Prinzen Bernhard v. Weimar ernannt. In Dresden macht er Bekanntschaft und schließt Freundschaft mit Heinrich v. Kleist. Vorlesungen "Von der Idee der Schönheit".

1808
Ernennung zum Hofrat in Dresden. Zusammen mit Kleist folgt die Gründung der Kunstzeitschrift "Phöbus", die sich auch philosophischen, poetischen und literarischen Themen widmet. Zudem verfaßt Müller Artikel für die Zeitschrift "Pallas", die sein Freund Rühle v. Lilienstern herausgibt.

1809
Das mit Frankreich verbündete Dresden wird von den Österreichern während der ersten Phase der Befreiungskriege eingenommen. Müller bietet sich österreichischen Diensten an. Nach der Wiedereinnahme Dresdens durch die Franzosen muß Müller im Juni die Stadt verlassen. Der Gegner Napoleons zieht nach Berlin, wo er ein Amt im Staatsdienst anstrebt. Die Vorlesung "Elemente der Staatskunst", die thematisch an die "Lehre vom Gegensatz anknüpft, wird gedruckt. Der Staat ist die "innigste Verbindung des gesamten physischen und geistigen Reichtums einer Nation zu einem großen Ganzen". Das "Ganze" funktioniere nach den Gesetzmäßigkeiten der "Lehre vom Gegensatz" und laufe auf eine harmonische "Wechselwirkung" von privatem und öffentlichem Interesse hinaus. Die ideale Staatsform, die sich daraus ergibt ist die Monarchie mit einer ständischen Vertretung als Gegengewicht. Diese politische Ordnung orientiert sich am Modell des mittelalterlichen Ständestaates. Getragen wird diese gespannte Beziehung von dem christlichen Geist der im Staate wohnenden Individuen. Er garantiert sowohl eine christliche Weltordnung, als auch die Weiterentwicklung der Gesellschaft und Nation.

1810
Wiederaufnahme der Vorlesungstätigkeit. In den "Vorlesungen über Friedrich II. und die Natur, Würde und Bestimmung der preuß. Monarchie" kritisiert er den Aufklärer Friedrich und plädiert für eine altständische Verfassung. Politisch steht Müller auf der Seite der adligen Oppositionspartei um Ludwig v. der Marwitz und schreibt u. a. in den, zusammen mit Kleist gegründeten "Berliner Abendblättern" gegen die Reform orientierte Politik Hardenbergs.

1811
Müller und Achim v. Arnim gründen die "Christlich-deutsche Tischgesellschaft". Hardenberg schickt Müller in diplomatischer Mission nach Wien. Hier kümmert sich Müller neben seiner Aufgabe als Gesandter weiter um staats- und wirtschaftstheoretische Fragen. In Friedrich Schlegels Zeitschrift "Deutsches Museum" veröffentlicht er u. a. die "Agronomischen Briefe". Hardenbergs Rückruf nach Berlin bleibt aus. Die Entsendung nach Wien kommt einer Abschiebung gleich.

1812
Müller hält nun auch in Wien Vorträge, darunter auch sein ästhetiktheoretisches Werk "Vorlesungen über die Beredsamkeit und ihr Verhältnis zur Poesie". Die "Vermischten Schriften über Staat, Philosophie und Kunst" erscheinen in Wien.

1813
Der Plan, in Wien eine Erziehungsanstalt zu gründen, scheitert. Beteiligung am Kampf gegen Napoleon. Auf der Seite Österreichs wirkt er als Landeskommissar an der Rückgewinnung Tirols mit. Herausgabe der patriotischen Zeitschrift "Bote von Tirol".

1815
Kriegsberichtserstatter im kaiserlichen Hauptquartier. Herausgabe der von Metternich kontrollierten Zeitschrift "Österreichischer Beobachter". Mit diesem Schritt ist der Bund mit der reaktionären Politik der Ära nach dem Wiener Kongreß endgültig vollzogen. Nach dem Sieg über Napoleon Anstellung im österreichischen Staatsdienst. Versetzung nach Sachsen als Generalkonsul.

1816
Herausgabe der Zeitschrift "Deutscher Staatsanzeiger", an dem auch der Leipziger Philosophieprofessor Krug, Müllers alter Bekannter Rühle v. Lilienstern und der Verleger Friedrich Perthes mitarbeiten.
Müllers Ansichten werden radikaler. Der Briefwechsel mit Friedrich Gentz dokumentiert eine lebenslange Diskussion der Freunde über die von Müller aufgeworfenen staatstheoretischen Fragen:
"Hier erlaube ich mir aber, ihnen freimüthig und unverholen zu sagen, daß, wenn ich auch Ihre religiösen Gesinnungen und Ansichten völlig unangetastet lasse, und sogar in höchsten Tönen respektiere, dennoch die Grundsätze, nach welchen Sie in der letzten Zeit Politik, Gesetzgebung, Finanzwissenschaft u.s.f. behandelt haben, mir selbst durch Ihr religiöses System (...) nicht gerechtfertigt erschien. (...).
Wenn ich in dieser Stimmung lese was Sie schreiben, liebster Freund, wie wäre es, bei aller meiner Liebe zu Ihnen und bei aller meiner Freude an Ihrem Geiste, möglich, daß ich mit Ihren Lehren harmonierte? Ich habe in dem revolutionären Gange der Zeit nie den natürlichen und verzeihlichen Wunsch, aus einem schlechten Zustande zu einem bessern zu gelangen, wohl aber das einseitige und anmaßende Prinzip, die Welt vom frischen wieder anzufangen, gehaßt. Wenn Sie nun, ebenso einseitig, anmaßend und schneidend, die Antirevolution predigen, alle Bestrebungen und alle Produkte dieser Zeit, die ich gewiß nicht ungebührlich bewundere, mit betterem Hohn verwerfen und ganz unumwunden die Kirchenverfassung, und Lehnsverfassung, und Dienstverfassung, und Geldverfassung, und Handelsverfassung u.s.w. vergangener Jahrhunderte zurückfordern- wie sollte ich meinen eigenen Ideen solche Gewalt anthun, die Ihrigen zu billigen? Ich lese jeden Aufsatz in den Staatsanzeigern, bis auf den kleinsten, mit der größten Aufmerksamkeit; (...). Aber das Resultat ist immer dasselbe; jedes Heft bestärkt mich in meiner Opposition". (Gentz und Müller 1857, S. 244 ff.)

1818
Nach Streitigkeiten mit Krug und Angriffen Müllers gegen den Protestantismus wird der "Deutsche Staatsanzeiger" eingestellt.

1819
Müller wird österreichischer Geschäftsträger an den anhaltinischen und schwarzburgischen Fürstenhöfen.

1820
Müller veröffentlicht in Friedrich Schlegels Zeitschrift "Concordia" seine Abhandlung "Die innere Staatshaushaltung, systematisch dargestellt auf theologischer Grundlage". In dieser und in der Schrift "Von der Notwendigkeit einer theologischen Grundlage der gesamten Staatswissenschaften und der Staatswirtschaft insbesondere" entwickelt Müller sein staatstheoretisches Konzept weiter. Theologie und Religion werden zur Grundlage des funktionierenden Staatswesens. Immer wieder ergreift er Partei gegen Preußen und den Protestantismus. Müllers Äußerungen sorgen auch auf österreichischer Seite für Verärgerung. Friedrich Gentz schreibt warnend an den Freund, seine Aussagen abzumildern, da er sonst den Zorn seiner Vorgesetzten, der Regierung, auf sich zöge. Metternich habe sich persönlich bei ihm über Müller beklagt: "Der scharfe und schneidende Ton, womit Sie alle bisherigen Regierungs- und Veraltungssysteme zu verdammen gewohnt sind, wurde nun zum erstenmale, und selbst von nicht unwohlwollenden Richtern als etwas höchst beklagenswerthes gerügt, und mehr als einmal wurde die unter praktischen Menschen immer natürliche Frage aufgeworfen: Was gewinnen wir denn mit Bundesgenossen, die in der Meinung, uns aufzuklären, unsern Feinden die glänzensten Waffen gegen uns liefern?
Sie kennen den gerechten, milden, durchaus großartigen Charakter des Fürsten. Allerdings führte er bittere Beschwerde über Sie. (...).
Die Frage ist heute nicht, wie die Gesellschaft nach einem besseren, gottgefälligerem Plane für die Zukunft zu bilden seyn wird; unser einziges Geschäft ist und muß seyn, sie vor der von bekannten und bestimmten feinden ihr drohenden nahen Auflösung zu bewahren. In einem ihrer Briefe habe ich zwar, nicht ohne geheimes Grauen, eine Aeußerung gefunden, woraus ich schließe, daß Sie selbst aus dem Abgrunde der Zerstörung gewisse (höchst chimärische) neue Formen erwecken, die Ihnen lieber seyn würden, als er ganze alte Wust, von welchem - wie ich beständig bemerken muß - kein Jakobiner verächtlicher sprechen kann als Sie".
(Gentz und Müller 1857, S 326 ff.)

1825
Übertritt des Herzogs von Anhalt-Köthen und seiner Frau, der Halbschwester des preußischen Königs zum katholischen Glauben. Die Forschung schätzt Müllers Einfluß auf diese Entscheidung als sehr groß ein.

1826
Müllers Preußenfeindlichkeit gerät außer Kontrolle. Die Herausgabe des "Leipziger unparteiischen Literatur- und Kirchen Correspondenten", in dem er wiederum gegen den Protestantismus zu Felde zieht, ist mit dem Posten als österreichischer Generalkonsul in Leipzig nicht vereinbar. In Österreich wird er in den Adelstand erhoben.

1827
Abberufung aus Leipzig und Anstellung in der Staatskanzlei in Wien

1829
Am 17. Januar stirbt Müller 50 jährig in Wien.


wohnhaft in Berlin: Friedrichstadt, Charlottenstr. 31, im Haus des Architekten Langhans, das direkt neben der Buchhandlung von Julius Eduard Hitzig stand

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Der stark von der idealistischen Philosophie Schellings beeinflußte Adam Müller war einer der ersten "Berliner Romantiker", die zum Katholizismus konvertierten. Sein wechselvoller Lebensweg führte ihn von der preußischen Hauptstadt nach Wien, ins Herz der österreichischen Monarchie, für die er später auch arbeitete. Damit verband ihn viel mit seinem Freund und Mentor Friedrich Gentz. Müllers an der mittelalterlichen Ständeordnungen orientierten christlich-sozialen Staatstheorien unterstützten das politisch konservative System Metternichs und wirkten als "politische Romantik" weit ins 20. Jahrhundert hinein.

Verwendete Literatur:
Gentz, Friedrich und Müller, Adam: Briefwechsel zwischen Friedrich Gentz und Adam Müller 1800-1829. Stuttgart: Cotta 1857

SH

Werke/Literatur

Register

Fachregister:
  • Staatswissenschaft
  • Diplomatischer Dienst
Gruppen/Vereinigungen-Register:
  • Christlich-deutsche Tischgesellschaft

Person: Adam Heinrich Müller, Berliner Klassik, hrsg. v. der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, 2003-2013. URL: https://berlinerklassik.bbaw.de/personen/767.

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