1779
Adam Müller wird
als einziges Kind des Hofrentmeisters und Sekretärs am kurmärkischen
Oberkonsistorium Wilhelm Heinrich Müller und Anna Sophia Henriette Müller in
Berlin geboren.
1784
Tod der Mutter.
1785
Heirat des Vaters mit Caroline Cube, der Tochter von Johann David Cube,
Prediger an Jerusalemer Kirche in Berlin. In den Jugendjahren erhält Müller
durch seinen Stiefgroßvater erste Bildungseindrücke. Besuch des Gymnasiums zum
Grauen Kloster. Freundschaft mit Friedrich Gentz.
1798
Studium der Rechts- und Staatswissenschaften in Göttingen. Dort studiert er
u. a. bei dem Historiker Arnold Heeren und dem Juristen Gustav Hugo. Kritische
Auseinandersetzung mit den Ideen der Aufklärung und Ablehnung der Idee des
Naturrechts. Intensive Beschäftigung mit volkswirtschaftlichen Fragen und den
Theorien Adam Smiths. Nach anfänglicher Bewunderung lehnt Müller den
Wirtschaftstheoretiker später ab.
1801
Rückkehr nach Berlin. In literarischen Kreisen macht er u. a. Bekanntschaft
mit August Wilhelm Schlegel und Ludwig Tieck. Sein kritischer Aufsatz
"Über einen philosophischen Entwurf von Herrn Fichte, betitelt: der
geschlossene Handelsstaat", in dem Müller gegen die Staatslehre Fichtes
polemisiert, erscheint in der "Berliner Monatsschrift".
1802
Anstellung als Referendar bei der kurmärkischen Kriegs- und Domänenkammer
1803
Austritt aus dem Amt. Müller besucht einen Studienfreund in Polen auf
dessen Landgut. Hier beginnt er mit der Arbeit an seiner Schrift "Die
Lehre vom Gegensatz". In Bezugnahme auf die Philosophie Schellings
entwirft Müller darin eine Theorie, die auf der Wechselwirkung von Trennung und
Bindung zweier gegensätzlicher Pole (etwa Subjekt und Objekt, Kunst und Natur,
Religion und Wissenschaft, Volk und Souverän) beruht und aus der sich die Idee
des organischen Zusammenhangs und des lebendigen Organismus (z.B. der Staat)
speist. In den späteren Werken nimmt M. diese Ideen immer wieder auf. Während
Müllers Aufenthalt in Polen reift sein Entschluß, zum katholischen Glauben
überzutreten.
1804
Müller wird Hauslehrer der Kinder des Landrates P.B. v. Haza-Radlitz auf
dessen Gut in Polen. Dessen Frau Sophie wird Müller fünf Jahre später heiraten.
Das erste Buch der auf drei Bände angelegten "Lehre von Gegensatz"
erscheint.
1805
Endgültige Entlassung aus dem Staatsdienst. Reise zu Gentz nach Wien, dort
Konvertierung zum Katholizismus. Im Herbst mit der Familie Haza Übersiedlung
nach Dresden, wo für Müller ein neuer Lebensabschnitt beginnt. Er verkehrt in
der höheren Gesellschaft und setzt sich mit Fragen der Ästhetik, der Literatur
und der Staatstheorie auseinander.
1806
Müller hält in den gesellschaftlichen Kreisen Dresdens "Vorlesungen
über die deutsche Wissenschaft und Literatur" und "Vorlesungen über
die dramatische Kunst". Erstere werden gedruckt und machen den 27 Jährigen
populär.
1807
Müller wird zum Erzieher des Prinzen Bernhard v. Weimar ernannt. In Dresden
macht er Bekanntschaft und schließt Freundschaft mit Heinrich v. Kleist.
Vorlesungen "Von der Idee der Schönheit".
1808
Ernennung zum Hofrat in Dresden. Zusammen mit Kleist folgt die Gründung der
Kunstzeitschrift "Phöbus", die sich auch philosophischen, poetischen
und literarischen Themen widmet. Zudem verfaßt Müller Artikel für die
Zeitschrift "Pallas", die sein Freund Rühle v. Lilienstern
herausgibt.
1809
Das mit Frankreich verbündete Dresden wird von den Österreichern während
der ersten Phase der Befreiungskriege eingenommen. Müller bietet sich
österreichischen Diensten an. Nach der Wiedereinnahme Dresdens durch die
Franzosen muß Müller im Juni die Stadt verlassen. Der Gegner Napoleons zieht
nach Berlin, wo er ein Amt im Staatsdienst anstrebt. Die Vorlesung
"Elemente der Staatskunst", die thematisch an die "Lehre vom
Gegensatz anknüpft, wird gedruckt. Der Staat ist die "innigste Verbindung
des gesamten physischen und geistigen Reichtums einer Nation zu einem großen
Ganzen". Das "Ganze" funktioniere nach den Gesetzmäßigkeiten
der "Lehre vom Gegensatz" und laufe auf eine harmonische
"Wechselwirkung" von privatem und öffentlichem Interesse hinaus. Die
ideale Staatsform, die sich daraus ergibt ist die Monarchie mit einer
ständischen Vertretung als Gegengewicht. Diese politische Ordnung orientiert
sich am Modell des mittelalterlichen Ständestaates. Getragen wird diese
gespannte Beziehung von dem christlichen Geist der im Staate wohnenden
Individuen. Er garantiert sowohl eine christliche Weltordnung, als auch die
Weiterentwicklung der Gesellschaft und Nation.
1810
Wiederaufnahme der Vorlesungstätigkeit. In den "Vorlesungen über Friedrich
II. und die Natur, Würde und Bestimmung der preuß. Monarchie" kritisiert
er den Aufklärer Friedrich und plädiert für eine altständische Verfassung.
Politisch steht Müller auf der Seite der adligen Oppositionspartei um Ludwig v.
der Marwitz und schreibt u. a. in den, zusammen mit Kleist gegründeten
"Berliner Abendblättern" gegen die Reform orientierte Politik
Hardenbergs.
1811
Müller und Achim v. Arnim gründen die "Christlich-deutsche
Tischgesellschaft". Hardenberg schickt Müller in diplomatischer Mission
nach Wien. Hier kümmert sich Müller neben seiner Aufgabe als Gesandter weiter
um staats- und wirtschaftstheoretische Fragen. In Friedrich Schlegels
Zeitschrift "Deutsches Museum" veröffentlicht er u. a. die
"Agronomischen Briefe". Hardenbergs Rückruf nach Berlin bleibt aus.
Die Entsendung nach Wien kommt einer Abschiebung gleich.
1812
Müller hält nun auch in Wien Vorträge, darunter auch sein
ästhetiktheoretisches Werk "Vorlesungen über die Beredsamkeit und ihr
Verhältnis zur Poesie". Die "Vermischten Schriften über Staat,
Philosophie und Kunst" erscheinen in Wien.
1813
Der Plan, in Wien eine Erziehungsanstalt zu gründen, scheitert. Beteiligung
am Kampf gegen Napoleon. Auf der Seite Österreichs wirkt er als Landeskommissar
an der Rückgewinnung Tirols mit. Herausgabe der patriotischen Zeitschrift
"Bote von Tirol".
1815
Kriegsberichtserstatter im kaiserlichen Hauptquartier. Herausgabe der von
Metternich kontrollierten Zeitschrift "Österreichischer Beobachter".
Mit diesem Schritt ist der Bund mit der reaktionären Politik der Ära nach dem
Wiener Kongreß endgültig vollzogen. Nach dem Sieg über Napoleon Anstellung im
österreichischen Staatsdienst. Versetzung nach Sachsen als Generalkonsul.
1816
Herausgabe der Zeitschrift "Deutscher Staatsanzeiger", an dem
auch der Leipziger Philosophieprofessor Krug, Müllers alter Bekannter Rühle v.
Lilienstern und der Verleger Friedrich Perthes mitarbeiten.
Müllers Ansichten werden radikaler. Der Briefwechsel mit Friedrich Gentz
dokumentiert eine lebenslange Diskussion der Freunde über die von Müller
aufgeworfenen staatstheoretischen Fragen:
"Hier erlaube ich mir aber, ihnen freimüthig und unverholen zu sagen,
daß, wenn ich auch Ihre religiösen Gesinnungen und Ansichten völlig
unangetastet lasse, und sogar in höchsten Tönen respektiere, dennoch die
Grundsätze, nach welchen Sie in der letzten Zeit Politik, Gesetzgebung,
Finanzwissenschaft u.s.f. behandelt haben, mir selbst durch Ihr religiöses
System (...) nicht gerechtfertigt erschien. (...).
Wenn ich in dieser Stimmung lese was Sie schreiben, liebster Freund, wie wäre
es, bei aller meiner Liebe zu Ihnen und bei aller meiner Freude an Ihrem
Geiste, möglich, daß ich mit Ihren Lehren harmonierte? Ich habe in dem
revolutionären Gange der Zeit nie den natürlichen und verzeihlichen Wunsch, aus
einem schlechten Zustande zu einem bessern zu gelangen, wohl aber das
einseitige und anmaßende Prinzip, die Welt vom frischen wieder anzufangen,
gehaßt. Wenn Sie nun, ebenso einseitig, anmaßend und schneidend, die
Antirevolution predigen, alle Bestrebungen und alle Produkte dieser Zeit, die
ich gewiß nicht ungebührlich bewundere, mit betterem Hohn verwerfen und ganz
unumwunden die Kirchenverfassung, und Lehnsverfassung, und Dienstverfassung,
und Geldverfassung, und Handelsverfassung u.s.w. vergangener Jahrhunderte
zurückfordern- wie sollte ich meinen eigenen Ideen solche Gewalt anthun, die
Ihrigen zu billigen? Ich lese jeden Aufsatz in den Staatsanzeigern, bis auf den
kleinsten, mit der größten Aufmerksamkeit; (...). Aber das Resultat ist immer
dasselbe; jedes Heft bestärkt mich in meiner Opposition". (Gentz und
Müller 1857, S. 244 ff.)
1818
Nach Streitigkeiten mit Krug und Angriffen Müllers gegen den
Protestantismus wird der "Deutsche Staatsanzeiger" eingestellt.
1819
Müller wird österreichischer Geschäftsträger an den anhaltinischen und schwarzburgischen
Fürstenhöfen.
1820
Müller veröffentlicht in Friedrich Schlegels Zeitschrift
"Concordia" seine Abhandlung "Die innere Staatshaushaltung,
systematisch dargestellt auf theologischer Grundlage". In dieser und in
der Schrift "Von der Notwendigkeit einer theologischen Grundlage der
gesamten Staatswissenschaften und der Staatswirtschaft insbesondere"
entwickelt Müller sein staatstheoretisches Konzept weiter. Theologie und Religion
werden zur Grundlage des funktionierenden Staatswesens. Immer wieder ergreift
er Partei gegen Preußen und den Protestantismus. Müllers Äußerungen sorgen auch
auf österreichischer Seite für Verärgerung. Friedrich Gentz schreibt warnend an
den Freund, seine Aussagen abzumildern, da er sonst den Zorn seiner
Vorgesetzten, der Regierung, auf sich zöge. Metternich habe sich persönlich bei
ihm über Müller beklagt: "Der scharfe und schneidende Ton, womit Sie
alle bisherigen Regierungs- und Veraltungssysteme zu verdammen gewohnt sind,
wurde nun zum erstenmale, und selbst von nicht unwohlwollenden Richtern als
etwas höchst beklagenswerthes gerügt, und mehr als einmal wurde die unter
praktischen Menschen immer natürliche Frage aufgeworfen: Was gewinnen wir denn
mit Bundesgenossen, die in der Meinung, uns aufzuklären, unsern Feinden die
glänzensten Waffen gegen uns liefern?
Sie kennen den gerechten, milden, durchaus großartigen Charakter des Fürsten.
Allerdings führte er bittere Beschwerde über Sie. (...).
Die Frage ist heute nicht, wie die Gesellschaft nach einem besseren,
gottgefälligerem Plane für die Zukunft zu bilden seyn wird; unser einziges
Geschäft ist und muß seyn, sie vor der von bekannten und bestimmten feinden ihr
drohenden nahen Auflösung zu bewahren. In einem ihrer Briefe habe ich zwar,
nicht ohne geheimes Grauen, eine Aeußerung gefunden, woraus ich schließe, daß
Sie selbst aus dem Abgrunde der Zerstörung gewisse (höchst chimärische) neue
Formen erwecken, die Ihnen lieber seyn würden, als er ganze alte Wust, von welchem
- wie ich beständig bemerken muß - kein Jakobiner verächtlicher sprechen kann
als Sie". (Gentz und Müller 1857, S 326 ff.)
1825
Übertritt des Herzogs von Anhalt-Köthen und seiner Frau, der Halbschwester
des preußischen Königs zum katholischen Glauben. Die Forschung schätzt Müllers
Einfluß auf diese Entscheidung als sehr groß ein.
1826
Müllers Preußenfeindlichkeit gerät außer Kontrolle. Die Herausgabe des
"Leipziger unparteiischen Literatur- und Kirchen Correspondenten", in
dem er wiederum gegen den Protestantismus zu Felde zieht, ist mit dem Posten
als österreichischer Generalkonsul in Leipzig nicht vereinbar. In Österreich
wird er in den Adelstand erhoben.
1827
Abberufung aus Leipzig und Anstellung in der Staatskanzlei in Wien
1829
Am 17. Januar stirbt Müller 50 jährig in Wien.
wohnhaft in Berlin: Friedrichstadt, Charlottenstr. 31, im Haus des Architekten
Langhans, das direkt neben der Buchhandlung von Julius Eduard Hitzig stand
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Der stark von der idealistischen Philosophie Schellings beeinflußte Adam Müller
war einer der ersten "Berliner Romantiker", die zum Katholizismus
konvertierten. Sein wechselvoller Lebensweg führte ihn von der preußischen
Hauptstadt nach Wien, ins Herz der österreichischen Monarchie, für die er
später auch arbeitete. Damit verband ihn viel mit seinem Freund und Mentor
Friedrich Gentz. Müllers an der mittelalterlichen Ständeordnungen orientierten
christlich-sozialen Staatstheorien unterstützten das politisch konservative System
Metternichs und wirkten als "politische Romantik" weit ins 20.
Jahrhundert hinein.
Verwendete Literatur:
Gentz, Friedrich und Müller, Adam: Briefwechsel zwischen Friedrich Gentz und
Adam Müller 1800-1829. Stuttgart: Cotta 1857
SH
Person: Adam Heinrich Müller, Berliner Klassik, hrsg. v. der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, 2003-2013. URL: https://berlinerklassik.bbaw.de/personen/767.
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