Lebenslauf:
1771
Am 23. Juni wird Herman L. Gottlieb von Boyen als Sohn des
Oberstleutnants Johann Friedrich von Boyen und Hedwig von Holtzendorff in
Kreutzburg/ Ostpreußen geboren. Früh verwaist wird Boyen von seiner Tante in
Königsberg erzogen.
1787
Eintritt in die Preußische Armee als Fähnrich im Infanterieregiment zu
Bartenstein.
1788
Umzug nach Königsberg. Boyen besucht die dortige Militärschule und
Universität, wo er bei Immanuel Kant Vorlesungen über Anthropologie hört.
1794/95
Teilnahme am Polenfeldzug, Adjutant des Generals Johann Heinrich von
Günther (1763-1803).
1796
Hauptmann in der Garnision von Gumbinnen, Beschäftigung mit der Ethik
Immanuel Kants.
1799
Stabs-Capitän im Regiment Prinz Georg von Hohenlohe.
1803
Gerhard Johann David von Scharnhorst nimmt Boyen als auswärtiges
Mitglied in die von ihm gegründete "Militärische Gesellschaft" auf, wo
dieser sich mit Fragen der Heeresreform beschäftigt.
1806
Officier à la suite Sr. Majestät. Berufung in den Generalstab. In der
Schlacht bei Auerstedt wird Boyen schwer verwundet. Er erlebt das Ende der
Niederlage im Krankenbett im Hause Stein. Den Winter verbringt Boyen in
Weimar. 1834 schreibt er in seinen Erinnerungen über seinen Aufenthalt :
"Von den damals in Weimar noch lebenden Großen Männern hatte die nähere
Bekanntschaft Wielands ein großes Interesse für mich; ich schien ihm auch
nicht ganz zu mißfallen, er sowohl als Bertuch redeten mir mehreremahle zu,
die kriegerische Laufbahn ganz aufzugeben und mich den Wissenschaften zu
widmen, doch der Haß gegen die Feinde meines Vaterlandes lag zu tief in
meiner Brust. (...). Zu Goethe mochte ich nicht hingehen; theils hatte seine
Äußere Stolze Erscheinung für mich zuwenig einladendes, theils lobte er auch
in jener Periode die Franzosen mir etwas zuviel. Wenn im Ganzen auch der
Winter von 1806/07, welchen ich in Weimar verlebte, unter den damaligen
Verhältnissen wenig Größere Geselligkeit darbot, so war für den Einzelnen
doch Gelegenheit genug, einen Kreis gebildeter deutscher Männer kennen zu
lernen, in dem ich bald mehrere mir gleichgesinnte Menschen fand und mit
ihnen manche, mir werthe Stunde verlebte" (Boyen 1889, S. 226).
Die Niederlage retrospektiv verarbeitend, schreibt Boyen zum Niedergang der
preußischen Militärmacht bei Jena Auerstedt in den "Denkwürdigkeiten und
Erinnerungen" :"Es ist keinem Zweifel unterworfen, daß, wenn in dieser
Epoche Friedrich der Unsterbliche in seiner vollen Mannes-Kraft auf dem
Throne gesessen, und wir wirkliche Feldherren und Staatsmänner in seiner
Umgebung gefunden hätten, es vielleicht möglich gewesen wäre, einen Plan zu
entwerfen, der den Egoismus der verschiedenen Kabinette beherrscht und mit
dem kühn und klug geführten Schwerte einen neuen dauerhaften Zustand von
Europa herbeygeführt hätte. Aber derartige Männer waren nun einmal weder in
Preußen noch in den anderen Staaten da, alle ließen sich von der Zeit
fortreißen, keiner verstand sie zu lenken" (Boyen 1889, S. 180).
1807
Heirat mit Amalie Berent, Tochter des Kammerassistenzrates Sigismund
Ludwig Berent. Capitän im Generalstab. Boyen hat wesentlichen Anteil an
Scharnhorst's Denkschrift vom 31. Juli 1807 zur Schaffung einer
"Nationalmiliz".
1808
Am 31. Januar Beförderung zum Major. Zusammen mit Scharnhorst ist Boyen
in der Militär-Reorganisationskommission tätig, die im Zusammenhang mit der
Stein'schen Staatsreform die preußische Heeresreform vorbereitet.
1810
Nachdem sich die Reformpartei gegen konservative Widerstände
durchsetzt, wird Oberlieutenant Boyen am 3. Februar Direktor der 1.
Abteilung in dem von Scharnhorst geleiteten Kriegs-Departement und erhält
den Militärvortrag im Cabinett.
1811
Scharnhorst, Gneisenau und Boyen versuchen König Friedrich Wilhelm III.
zum Bündnis mit Rußland im Krieg gegen Napoleon zu bewegen.
1812
Boyen legt seine Tätigkeit im Ministerium nieder, um in Österreich und
Rußland gegen Napoleon zu kämpfen.
1813
Ankunft beim König in Breslau, wo er im Auftrag des Zaren das russische
Bündnisangebot überbringt und damit Preußens Eintritt in den Krieg gegen
Napoleon mitbestimmt. Am 9. März wird Boyen zum Oberst und am 22. Dezember
zum Chef des Generalstabes des 3. Armeecorps ernannt. In dieser Stellung
nimmt er an den Kämpfen von Luckau, Großbeeren, Dennewitz und Leipzig sowie
schließlich am Feldzug in Holland und Frankreich teil.
1814
Am 3. Juni Beförderung zum Generalmajor und Ernennung zum Geheimen
Staats- und Kriegsminister. Boyen veranlaßt in seiner Amtszeit eine große
Anzahl bedeutender Gesetze. Dazu gehört an erster Stelle das am 3. September
1814 verabschiedete Wehrgesetz, mit dem die allgemeine Wehrpflicht
eingeführt, sowie eine Landwehr und ein Landsturm aufgebaut werden.
1818
Am 2. April Beförderung zum General-Lieutenant.
Ende 1819
Als der König die Einbeziehung der Landwehr in den Divisionsverband
anordnet, was einer Rücknahme der Reformen von 1814 gleichkommt, ersucht
Boyen um Rücktritt von seinen Ämtern. Er zieht sich ins Privatleben zurück
und widmet sich zunehmend seiner publizistischen Tätigkeit.
1840
Am 22. November Reaktivierung. Boyen wird von Friedrich Wilhelm IV. zum
Mitglied des Staatsrates berufen und zum General der Infanterie befördert.
1841
Am 1. März Ernennung zum Kriegsminister und zum Chef des
Staatsministeriums.
1842
Beförderung zum Chef des 1. Infanterieregiments.
1847
Rücktritt aus Altersgründen im Rang eines General-Feldmarschalls und
Gouverneur der Invaliden.
1848
Am 15. Februar stirbt Boyen 76 jährig in Berlin. Auf eigenen Wunsch
wird er neben Scharnhorst auf dem Invalidenfriedhof bestattet.
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Neben Scharnhorst, Gneisenau und Clausewitz ist Boyen der bedeutenste
preußische Herresreformer. Friedrich Meinecke urteilt in seiner zweibändigen
Biographie Hermann von Boyens von 1899 über den preußischen General: "Er
war kein origineller, schöpferischer Denker, er entnahm alle seine Ideen aus
dem Schatze seiner Zeit und seines Volkes und Staates. Energisches
Preußentum, patriarchalische Staatsfürsorge und kantische Aufklärung fügte
er zusammen zu einer Einheit, die allerdings, so milde und fest zugleich, so
reflektiert aus- und ineinander gesponnen und so lebendig-aktiv zugleich,
wohl einzig dasteht, aber ihre Originalität auch nur aus dem inneren reinen
verborgen glühenden Feuer der Seele erhält. Auf dieser innigen Verbindung
geistiger und politischer Kräfte beruht das Größte, was er geleistet hat:
Das Wehrgesetz und die Durchdringung der preußischen Nation mit dem Geiste
der allgemeinen Wehrpflicht".
Boyen selbst urteilt über sein Leben: "Der Erfolg meiner Leistungen
ist größtentheils hinter meinen Wünschen geblieben- denn die Resultate des
Lebens sind nicht die Produkte des Einzelwillens, sondern einer menge von
Verwicklungen, die der Mensch nicht als sein Eigenthum anzusehen berechtigt
ist" (Meinecke 593ff.).
Verwendete Literatur:
Boyen, Hermann von: Denkwürdigkeiten und Erinnerungen. Band I
1771-1813, Leipzig 1889
Meinecke, Friedrich: Das Leben des Generalfeldmarschalls Hermann von
Boyen. Band II 1814-1848, Stuttgart: Cotta 1899
SH