Maikäferei (Maikäferkränzchen)

Name:
Maikäferei (Maikäferkränzchen)
Sitz:
Lokal an der Schloßfreiheit (Wirt namens "Mai"); später in der Weinstube des Hoftraiteurs Jagor Unter den Linden 23 (nachmalige Passage) und im Cafehaus Bony im Tiergarten
Daten:
gegründet 1815 aufgelöst 1819
Kommentar:
Tischgesellschaft; Politisch-literarische Abendgesellschaft; Anschluß an die katholische Erweckungsbewegung; 1816 völliger Übergang zum Pietismus
Geschichte/Programmatik:
Seit (Ende?) 1815 kommt in Berlin bei dem Wirt Mai (daher der Name "Maikäfer") an der Schloßfreiheit ein Kreis von jungen Leuten, Offizieren, Verwaltungsbeamten zu einem Wochenkränzchen zusammen, der vorerst aus den Freunden des bei Ligny gefallenen jungen Grafen Christian Stolberg, eines der Söhne des Konvertiten Friedrich Leopold Stolberg, besteht; vor allem die drei Brüder Wilhelm, Leopold und Ludwig von Gerlach, der Referendar August Wilhelm Götze, Karl von Rappard, Karl von Voß-Buch, Graf Cajus Stolberg, Clemens Brentano, Friedrich von Bülow, Poyde und Adolf von Thadden. (Hans-Joachim Schoeps nennt als Gründungsdatum des "Sonnabendklubs", später "Maikäferklub" den Dezember 1814 - Schoeps: Clemens Brentano. Nach Ludwig von Gerlachs Tagebüchern und Briefwechsel. In: Jahrbuch des Freien Deutschen Hochstifts 1970, S. 281) Bei wechselnder Zusammensetzung umfaßte das Kränzchen in der Regel nicht mehr als 12 Mitglieder. Man las Shakespeare und Goethe, Tieck und Arnim; man turnte bei Jahn, musizierte und beschäftigte sich mit wissenschaftlichen Problemen. Karl Ludwig v. Hallers "Restauration der Staatswissenschaften" gab den Anlaß zu lebhaften Auseinandersetzungen. Dazu trafen sich die meisten Mitglieder in der Spittelkirche bei Prediger Hermes. Das religiöse Element, das anfangs in der Gesellschaft kaum hervorgetreten war, kam im Jahre 1816 aus dem katholischen Bayern durch Vermittlung von Clemens Brentano, nach Berlin. Martin Boos hatte seit Anfang des Jahrhunderts in der Diözese Augsburg den Anstoß zu einer christlichen Erweckungsbewegung gegeben, die auch die Mitglieder der "Maikäferei" ergriff. Bereits Ende August reisten zwei aus dem Kreis, Thadden und Lancizolle, nach Bayern, um durch die dort Erweckten in ihrem eigenen Glauben gestärkt zu werden. Ab Spätherbst 1816 kann auch in Berlin von einer Erweckungsbewegung gesprochen werden. Aus dem Freundschaftsbund wird eine förmliche Ecclesiola. Seit 1817 gibt es in Berlin einen geschlossenen Kreis bewußter, pietistisch gerichteter Christen, der dicht um Hermes und die kleine Spittelkirche geschart war. Man trifft sich nicht mehr im Lokal, sondern in der Kirche oder zu privaten Versammlungen reihum bei den Mitgliedern, um zu lesen, zu singen und frei zu beten. An den ästhetisch-genialischen Kreis war ein Bund religiöser Interessen getreten. Clemens Brentano legte 1817 seine Generalbeichte ab. Im September 1818 reist er zu der stigmatisierten Nonne Katharina Emmerich nach Dülmen, löst sich von den Berliner Freunden und beschäftigt sich fünf Jahre lang mit dem Niederschreiben von Katharina Emmerichs "Eingebungen". Nach dem Tod des Predigers Hermes Ende 1818 trifft sich ein religiöser Kreis bei dessen Nachfolger Löffler. Dazu gehören die verwitwete pommersche Landrätin v. Örtzen mit ihren drei Töchtern Henriette, Auguste und Ida, weiterhin Bertha von Sydow, deren Mutter und Brüder Albrecht und Rudolf v. Sydow, Luise v. L'Estocq, Leopold v. Lücken, Hugo v. Sollen, Fritz Focke, Carl v. Rappard und Herr v. Hövel. Der Örtzensche Freundeskreis kommt mit Gliedern der alten Maikäferei, mit Senfft und Thadden, in Verbindung. Henriette von Örtzen verlobt sich mit Thadden, Auguste mit Ludwig von Gerlach und Ida mit Ernst v. Senfft. Zwei ursprünglich getrennten Kreise treten miteinander in Verbindung. Man strebt an, ein Leben in Gott zu führen und treibt ein immer eifrigeres Bibelstudium. Man besucht nicht mehr das Theater, geht möglichst auch nicht mehr zum Tanz. Als Löffler der Heuchelei überführt und sein Doppelleben offensichtlich wird und sich dieser nach Pommern zurückzieht, geht der Kreis bald auseinander. Mit dem Jahr 1819 löst sich die Maikäferei endgültig auf. (Quelle: Friedrich Wiegand: Der Verein der Maikäfer in Berlin. In: Deutsche Rundschau 160 (1914), S. 279-291)

Geselligkeit: Maikäferei (Maikäferkränzchen), Berliner Klassik, hrsg. v. der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, 2003-2013. URL: https://berlinerklassik.bbaw.de/geselligkeit/76.

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