1781
Wilhelm Henschel wird am 15. März als zweitältester von vier Brüdern in
Trachtenberg/Schlesien geboren. Zusammen mit seinen Brüdern Friedrich (1781-1837), August (1782-1828)
und Moritz Henschel (1785-1862) wächst er in Breslau auf und besucht zusammen mit seinen
Geschwistern die 1790 gegründete jüdische "Unterrichtsanstalt", in
der sein Onkel Dr. Elias Henschel Mitglied des Schulkollegiums war.
1804
Da in diesem Jahr eine erste Teilnahme an der Berliner Akademie-Ausstellung
mit graphischen Werken der Gebrüder Henschel belegt ist, wird Wilhelm Henschel vermutlich
in dieser Zeit nach Berlin übersiedelt sein.
Im Katalog der Akademie-Ausstellung 1804 ist unter der Nummer 84 folgendes
gelistet:
"Vom Herrn Henschel. Poträtmaler aus Breslau. Sokrates im Gefängnis unter
seinen Schülern. Eine Handzeichnung." (Börsch-Supan 1971, 1804:84)
An den Akademieausstellungen ist die die Teilnahme der Gebrüder Henschel bis
1818 nachweisbar.
1806
Die ersten erhaltenen Zeichnungen Wilhelm Henschels, die im
Berliner Nationaltheater entstanden sind, stammen aus dem Jahre 1806. Etwa 370
dieser Skizzen sind bis heute erhalten geblieben. Die meisten sind der Hand
Wilhelm Henschels, wenige auch seinem Bruder Moritz zuzuschreiben. Die
beiden anderen Brüder waren wohl unter der Leitung Wilhelms als Kupferstecher
und Lithographen tätig.
Wilhelm Härle, der 1925 ein großes Konvolut mit Zeichnungen Wilhelm Henschels
wissenschaftlich bearbeitete, fasste seinen Charakter wie folgt:
"Dieser Wilhelm Henschel war ohne Zweifel ein hochbegabter und
geistvoller Mensch, jedoch von etwas zerflatternder und allzu enthusiastischer
Vielseitigkeit, - eine typische Theaternatur also; das erklärt auch seinen
Werdegang [... ]. Als ganz junger Mensch nach Berlin gekommen, fand er sich
sofort von den Leistungen des Theaters gepackt und hineingerissen in den
allgemeinen Theaterenthusiasmus, der die preußische Hauptstadt trotz der furchtbaren
politischen Lage - es war 1806! - im Banne hielt" (Härle 1925, S. 3).
Die Gebrüder Henschel beteiligen sich erneut an der Berliner
Akademie-Ausstellung. Alle vier Brüder reichen Werke ein: Wilhelm Henschel ist
mit dem "Bildnis des Herrn Präsidenten Büsching, in Pastell"
vertreten (Börsch-Supan 1971, 1806:176). Moritz Henschel zeigt ein "Bildniß
des Herrn und der Madame Freyhan; beide in Pastell" und eine Gipsbüste
in Lebensgröße (Börsch-Supan 1971, 1806:178 und 1806:281). Friedrich Henschel
stellt einen Kupferstich "Der Tod des Kardinals Nelson, nach W.
Henschel, in schwarzer Kunst" aus (Börsch-Supan 1971, 1806:177) und
August "Die Ansicht der eisernen Brücke auf dem Gute des Herrn Reichsgrafen
von Burghauß in Schlesien; in Kupfer gestochen" (Börsch-Supan 1971,
1806:179).
1807
Neben seiner Tätigkeit als Zeicher, Kupferstecher, Pastell- und
Miniaturmaler beginnt er unter Mitarbeit seiner Brüder mit der Herausgabe von
illustrierten Serien. Im Jahr 1807 erscheint „Die Kaiserlich
französische Garde“ in fünf Blättern im Verlag der Gebrüder Henschel.
1808
Innerhalb der Sammlung "Ifflands mimische Darstellungen für
Schauspieler und Zeichner" erscheinen zwischen 1808 und 1819 zwanzig
Rollenserien mit jeweils sechs Blättern und insgesamt 120 Kupferstichen, die
Iffland in 19 Rollen poträtieren. Diese Hefte waren als Auftakt einer großen
Folge gedacht, die jedoch nie zur Ausführung kam. (Härle 1925, S. 2) Als Vorlage
dazu verwendet Wilhelm Henschel Zeichnungen, die er während der Vorstellungen
im Nationaltheater anfertigte.
Goethe schreibt dazu einige Jahre später: „Gewiß es bedurfte viel Talent und Kunstfertigkeit, so verschiedene angenommene Charaktere und Leidenschaften darzustellen, und unter allen Abwechselungen gleichwohl die eigenthümlichen Züge des Mannes beyzubehalten; der Künstler Aufmerksamkeit hat sich noch weiter und bis auf das Kostüme erstreckt, so daß wer Iffland öfters spielen sahe sich aus den Bildern seines Anzugs wieder erinnern wird. - Die Manier womit diese mimischen Darstellungen in Kupfer gestochen sind ahmt leichte Entwürfe in schwarzer Kreide nach, nur Umrisse mit einiger Andeutung des Schattens." (Johann Wolfgang Goethe, Ueber Kunst und Alterthum, Bd. 2, Heft 1, 1818, S. 74f.)
1809
"Dramatische Scenen, den
Darstellungen des Berliner
Theaters nachgebildet", als "erstes Heft mit 6 Kupfern"
bezeichnet, wird von den Gebrüdern Henschel herausgegeben. Den
Kupferstichen
sind lange und ausführliche Beschreibungen der Darstellungen beigefügt.
Aus dem
Vorsatzblatt des Foliobandes geht hervor, dass die Gebrüder Henschel
den Druck
jedoch nicht selbst übernahmen: "Zu haben bei den Herausgebern,
auf dem Werder, Rosenstraße No.4 und bei Dunker & Humbold,
Buchhändler, gedruckt bei C.F. Amelang, Neue Friedrichstr. 56, Folio"
(Kirschstein 1918, S. 49). Hier wird ein Hinweis auf die Vertriebswege
der Henschelschen Werke gegeben: Wilhelm Henschel arbeitete also mit
mindestens einer Druckerei und der Verlagsbuchhandlung
Duncker & Humblot
zusammen, um seine Werke zu verbreiten.
1810
Vom „Collegium der Aeltesten und Vorsteher der hiesigen
Juden Gemeinde“ ist unter dem Datum, 8. März 1810 folgendes Zeugnis
überliefert:
„Daß die Vier Söhne
des hiesigen Schutz Judens Hirsch Henschel namentlich Friedrich Henschel,
August Henschel, Wilhelm Henschel und Moritz Henschel, die unter den Namen
Gebrüder Henschel und als Beflissene der Kupferstecherei und Mahlerkunst
bekannt sind, hier Orts geboren und erzogen worden, dieselben insgesamt auch
von Jugend auf und bisher immerfort, und stets nur dahin bestrebt gewesen sind,
auszubilden und möglichst zu vervollkommnen; Solches haben wir denselben der
Wahrheit gemäs hierdurch nicht nur attestiren, sondern zugleich auch den
Wunsch hinzufügen wollen: daß es ihnen glücken möchte durch ein gutes Fortkommen
sich der Früchte ihres angewandten Fleißes in vollkommensten Maaße erfreuen zu
können.“
Die "Gebrüder Herren Henschel" beteiligen
sich in diesem Jahr mit folgenden Werken an der Berliner Akademieausstellung:
- Porträt der hochseeligen Königin Luise, in Pastell
- Die Verklärung derselben, ein Kupferstich
- Historisches Portät des Herrn Ritters und Direktors
Iffland
- Ein anderes, denselben vorstellend; beide in Pastell
- Kornelia, die Mutter der Graechen, historische
Komposition von Herrn M. Henschel
- Porträt des Kammersängers Herrn Fischer, von Herrn M.
Henschel
- Dramatische Scenen aus Vorstellungen des Berl.
Theaters
- Zwei Porträts
(Börsch-Supan 1971, 1810:92-99)
1811
Am 17. Januar 1811 übersandten die Gebrüder Henschel die ersten beiden Bände von
Ifflands "Mimischen Darstellungen" an Johann Wolfgang Goethe.
In diesem Jahr entstehen etwa 50 Zeichnungen verschiedener
Rollenbilder Friederike Bethmann-Unzelmanns (Laskus 1927, S. 9). Diese
Zeichnungen waren wahrscheinlich dazu angefertigt worden, die Serie der "minischen
Darstellungen" fortzusetzen (vgl. oben genannte Subskriptionsanzeige
der Verfasser in "Ifflands mimische Darstellungen für Schauspieler und
Zeichner" von 1808).
1812
Wilhelm Henschel und sein Bruder August erhalten von der
Königlichen Akademie der Künste den Titel "Akademische
Künstler". Entgegen der Meinung Kirschsteins werden sie jedoch nicht als
Mitglieder in die Akademie der Künste aufgenommen. (Kirschstein 1918,
S. 47).
1813
Es erscheint eine Sammlung von Blättern zum Befreiungskrieg. Unter dem Datum vom 1. April 1813 ist folgendes Schreiben des Preußischen Königs Freidrich Wilhelm III. aus Breslau überliefert: „Die von den Gebrüdern Hentschel angekündigte Sammlung der
Begebenheiten des jetzigen Krieges in fortlaufenden Kupferblättern, wovon das
erste mit der Anzeige vom 27ten v. M. eingegangen ist, habe Ich mit besonderm
Wohlgefallen aufgenommen, und gestatte gern, daß solche Mir zugeeignet werde.“
(Goethe-Museum Düsseldorf, Best.-Nr. 222/EKZ)
Wilhelm und August Henschel werden Mitglieder des jüdischen Männervereins
"Gesellschaft der Freunde".
1817
Anläßlich des 25-jährigen Jubiläums der Gesellschaft der Freunde sticht
Wilhelm Henschel ein Portät des Vorsitzenden W. Cassel, welches August Henschel
zuvor in Öl gemalt hatte. Jedem Vereinsmitglied ist ein Exemplar des Stiches überreicht worden.
1818
Teilnahme der Gebrüder Henschel an der Berliner Akademieaussteellung mit
dem "Brustbild eines Berliner Gelehrten, in Lebensgröße, mit
Wachsfarben gemalt" (Börsch-Supan 1818:123). Womöglich handelt es sich hierbei um das Bildnis des Vorsitzenden Kassel.
1819
Anlässlich des 70. Geburtstags Goethes erscheint das erste
Heft der Serie „Scenen aus Goethes Leben“. Als Titelbild fertigten die Gebrüder
nach einem Bildnisrelief Schadows ein lithographisches Porträt des Dichters an.
Das Büchlein mit einem Vorwort von Franz Horn, enthält acht farbige
lithographische Blätter, die Textstellen aus "Dichtung und Wahrheit"
illustrieren. In der von Goethe herausgegebenen Zeitschrift „Ueber Kunst und Alterthum“
findet sich eine kurze Besprechung (2. Band, 2. Heft, 1820, S. 73) Dort heißt
es: „[...] die Künstler scheinen eine ähnliche Auffassungsgabe des Natürlichen
wie weiland Chodowiecki zu besitzen, doch scheint uns ihre Behandlung etwas
mehr Freyheit und Leichtigkeit zu haben, sie zeichnen die Falten mit besserm
Geschmack, Nebenwerke und Gründe ebenfalls, auch ist die Beleuchtung
malerischer.“ Das Werk ist dem Preußischen König Friedrich Wilhelm III.
zugeeignet, der am 9. Mai 1819 aus Berlin an die Henschels schrieb: „Ich will den
Gebrüdern Henschel auf ihre Anzeige vom 9ten d. M. gestatten, Mir die von ihnen
herauszugebenden Scenen aus Göthe's Leben, von welchem ich den ersten Druck
empfangen habe, zuzueignen." (Goethe-Museum Düsseldorf, Best.-Nr. 222/EKZ)
Des Weiteren erscheinen in diesem Jahr lithographische Farbendrucke mit dem Titel „Darstellungen der vorzüglich in Berlin aufgeführten Ballets“ und neben einzelnen Porträtstichen und Einzelblättern die Serie "Begebenheiten aus dem heiligen Krieg". Die Gebrüder Henschel spielten in der Verbreitung der Lithographie in Berlin eine Vorreiterrolle. Sie waren wahrscheinlich die ersten Künstler, die in Berlin mit dieser Drucktechnik experimentierten und Lithographien erstellten.
1820
Die Gebrüder Henschel bitten Goethe um ein Gedicht zu Ehren von Karl August
Hardenberg, der am 31. Mai seinen 70. Geburtstag feiert. Goethe kommt diesem
Wunsch nach und das Gedicht mit dem Titel "Wer die Körner wollte
zählen" wird zusammen mit einer lithographischen Wiedergabe eines
Bildnisses von Hardenberg durch die Gebrüder Henschel publiziert (Arnold 1925,
S. 257).
1821
Wilhelm Henschel veröffentlicht ein bedeutendes Einzelblatt mit dem Titel: "Der
König an Blüchers Krankenbette", "nach der Natur gezeichnet
und in Kupfer verfertigt von den Herausgebern Gebrüder Henschel in Berlin und
Breslau 1821". Dieses Blatt entsteht in Anlehnung an Chodowieckis Stich
"Zieten sitzend vor seinem König". Ein Exemplar des
Druckes schicken die Gebrüder Henschel unter Bezugnahme auf Goethes "Götz
von Berlichingen" an August von Goethe.
1828
August Henschel stirbt am 22. August und wird auf dem jüdischen Friedhof
in der Schönhauser Allee beigesetzt. Zu diesem Zeitpunkt waren Friedrich und
Moritz Henschel bereits nach Breslau zurückgekehrt (Kirschstein 1918, S. 66).
1832
Am 14. August erklärt Wilhelm
Henschel seinen Austritt aus
der Gesellschaft der Freunde und verläßt noch im gleichen Jahr Berlin.
Er
siedelt, wie seine Brüder, nach Breslau zurück und bezieht im Gasthaus
"Zur Goldenen Krone" am Ring 29 Quartier. In der Folgezeit etablieren
sich
die Gebrüder vornehmlich als Porträtmaler für das jüdische Breslauer
Bürgertum.
1837
Friedrich Henschel stirbt. Darauf hin ziehen Wilhelm und
Moritz Henschel in die Breslauer Weißgerbergasse um.
1852
Wilhelm und Moritz Henschel
experimentieren mit der Reproduktion und Vervielfältigung von Gemälden.
"Ferner beschäftigten sie sich mit der Herstellung praktischer
Straßenschilder. Sie malten Inschriften mit Email auf gebrannten Ton
und Backstein und stellten Proben davon auf der ersten Schlesischen
Industrie-Ausstellung aus." (Kirschstein 1818, S. 70)
1865
Wilhelm Henschel stirbt, wie seine Brüder unverheiratet, am 27.6.1865 im
Fränkelschen Hospital in Breslau.
Verwendete Literatur:
Erna Arnold: Goethes Berliner Beziehungen, Gotha 1925.
Annemarie Fischer: “Über körperliche Beredsamkeit“. Ifflands jüdische Rollen
als von den Graphikern und Kupferstechern Gebrüder Henschel skizzierte
Bewegung, in: Claudia Jeschke, Helmut Zedelmaier (Hg.), Andere Körper – Fremde
Bewegungen. Theatrale und öffentliche Inszenierungen im 19. Jahrhundert,
Münster 2005.
Johann Wolfgang Goethe: Ueber Kunst und Alterthum, Bd. 2, Heft 2, 1818.
Heinrich Härle: Ifflands Schauspielkunst, 1. Teil, 1. Abt.: Bildertafeln,
Berlin 1925.
Die Kataloge der Berliner Akademie-Ausstellungen 1786-1850, bearbeitet v.
Helmut Börsch-Supan, (=Quellen und Schriften zur bildenden Kunst 4), Berlin
1971.
Artikel Henschel, Gebrüder, in: Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. begr. von Ulrich Thieme und Felix Becker, hg v. Hans Vollmer, Leipzig 1999, Bd. 16, S. 430.
Salli Kirschstein: Juedische Graphiker aus der Zeit von 1625 – 1825, Berlin 1918.
Irmgard Laskus: Friederike Bethmann-Unzelmann. Versuch einer Rekonstruktion
ihrer Schauspielkunst auf Grund ihrer Hauptrollen, Leipzig 1927.
Kurt Schwerin: die Juden in Schlesien. Aus ihrer Geschichte und ihrem Beitrag zu Wirtschaft und Kultur, in: Bulletin des Leo Baeck Instituts, Tel-Aviv 1980 (19. Jahrgang, Nr. 56/57) ; S. 67.
KG/SiHo
Person: Wilhelm Henschel, Berliner Klassik, hrsg. v. der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, 2003-2013. URL: https://berlinerklassik.bbaw.de/personen/5485.
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