Jens Genelli, geboren zu Copenhagen den 15. April 1761, kam im Jahre 1774 als ein dreizehnjähriger Knabe mit seinem Vater nach Berlin, welchen König Friedrich II. von Wien hieher berufen hatte. Zu einer Zeit, als die öffentlichen Anstalten, in Hinsicht auf die Studien der Künste allhier noch von gar keinem Belang waren, übte er sich im väterlichen Hause ohne Anderer Beihülfe in derjenigen, zu welcher er von erster Kindheit an schon eine vorwaltende Neigung gezeigt hatte. Aber erst um 1780 oder 81 erhielt er durch die Ankunft eines Landsmanns, des Maler Eriksen aus St. Petersburg, Bekanntschaft mit den hiesigen Hofmalern Le Sueur und Frisch, derzeitigen Direktor der Akademie der Künste, durch welche er Gelegenheit bekam, sich in Zeichnung der menschlichen Figur nach dem Leben und nach der Antique auf eine ersprießliche Art zu üben: insonderheit hat der letzte der genannten Männer, sowohl ihm als auch seinem Bruder, in der Folge viele Freundschaft erwiesen, und er war damals dem Jüngling zur Ausbildung seiner Anlagen um so beförderlicher, als er stets beeifert war, ihm alle Hülfsmittel darzubieten, die ihm nur zu Gebote standen, ohne darum je seinen eigenthümlichen Geschmack zu meistern. Auch war sein eigener Bruder ihm ein nicht unnützer Gehülfe in Erlernung der Anatomie und der Perspektive. Hätte auch nur dieser eben nicht glänzende Weg zur Bildung sich ihm etwas früher eröffnet, so hätte er ohne Zweifel sich der Geschichtsmalerei ergeben; er schlug sich nur ausschließlich zur Landschaft, weil er bei der Dürftigkeit der Hülfsmittel sich zu jenem Fache schon zu alt geworden fand, und in diesem, zu welchem schon die früheste Neigung der Kindheit ihn gleichsam von selbst hingewiesen hatte, schneller zu einem Grad der Vollendung zu gelangen hoffte. Jenes Studium aber hat ihn doch den köstlichen Vortheil eingebracht, daß Menschen und Thiere in seinen Gemälden durch Charakter, Handlung und Zusammenstellung immer ein größeres historisches Interesse behaupteten, als dies gemeiniglich in Landschaften der Fall ist, und daß überhaupt in seinen Erfindungen jener, man möchte sagen epische Geist lebendig erhalten wurde. Als Le Sueur gestorben war, und er nun merkte, daß für ihn nicht viel mehr in Berlin zu lernen war, faßte er den Entschluß nach Rom zu gehen. Gänzlich ohne Vermögen und ohne Unterstützung, war er nun bedacht wie er sich einen Reisepfennig erwerbe, und malte mit unermüdlicher Emsigkeit Bilder, die er um jeglichen Preis hingab, sobald sich nur ein Abnehmer zeigte. Manche fanden sich dazu wohl nur aus dem wohlwollenden Motiv den Jüngling in seinem Eifer aufzumuntern, die meisten, ohne Liebe und Kenntniß, wurden nur durch den geringen Preis verleitet. Späterhin schämte er sich dieser Bilder, wenn er zuweilen deren wieder zu sehen bekam, und öfters bot er sich an, sie durch bessere zu ersetzen. Denn so schlecht auch die Preise gewesen, so schätzte er doch die dadurch erlangte Möglichkeit nach Rom zu kommen, so hoch, daß er jene Zahlungen gern wie Vorschüsse betrachtete, die er abzuverdienen verpflichtet sei. Doch wie schwach auch jene ersten Versuche seiner Muse in der That waren, so hat doch keiner, dem er es anbot, sie austauschen wollen: vielleicht weil eben die, die damals ihn in seinem Streben aufzumuntern liebten, jetzt jene ersten Versuche als Zeugnisse betrachteten von dem Weg den der Künstler in seiner Ausbildung gegangen war. Endlich hatte er sich die geringe Summe von 200 Thlr. zusammengearbeitet, welche er als ein hinlängliches Reisegeld für sich und seinen Bruder ansah, und in der That unternahmen sie die Reise im J. 1785 und erreichten glücklich das Ziel aller ihrer Wünsche. Die unerfahrenen Jünglinge hatten gemeint, an einem solchen Orte könne es nie an Mitteln fehlen sein Leben zu fristen, sobald der Mensch nur genügsam sey: sie hatten noch nicht eingesehen, daß zu jeglichem Erwerb ein gewisser Credit vorausgegeben seyn muß, und daß überall in der Welt hierzu erforderlich ist, daß man den Verdienst entbehren zu können wenigstens scheine. Drei Vierteljahre lang schlichen sie in Rom nicht viel besser als Bettler herum, und zu spät erhielten sie dann von der unterdeß, durch des Freiherrn von Heinitz Bemühungen, zu neuem Leben erwachten Akademie eine Beihülfe, die jedoch zu unbeträchtlich war, als daß sie dadurch in den Stand kommen konnten, etwas zu unternehmen. Dessen ungeachtet gab es doch wohl wenige Jünglinge in Rom, die von ihrem dortigen Aufenthalt mehr Nutzen gezogen hätten als unser Maler. Sein Geist war geläutert, großartig, keusch und edel geworden, und alle seine Compositionen zeichnen sich aus durch eine gewisse Lebendigkeit und Wahrheit, durch deren Mangel gerade so manche andere gern beweisen möchten, daß sie aus derselben Quelle geschöpfet. Gern wäre er länger dort geblieben; allein eine gewisse engherzige Eigennützigkeit aus welcher alle neueren Kunstbeförderungs Anstalten sich ein patriotisches Verdienst machen, zwang ihn Rom zu verlassen grade zu der Zeit, als er endlich hoffen konnte den Credit zu gewinnen, der ihm erfreuliche Anlässe sich zu zeigen, herbeiführen mochte. Begreiflicherweise brachte er also nichts mit zurück: wie hätte er es vermocht? und hier im Vaterlande verfolgte ihn das nehmliche Schicksal die längste Zeit seines Lebens. Die Liebe zur Kunst war in Berlin von jeher gering, damals fast gar nicht vorhanden, und das Geld, was Jemand für ein Gemälde ausgegeben hätte, wäre fast durchgängig für Verschwendung geachtet worden. Um sich nur zu ernähren, mußte er sein ganzes Leben fast ausschließlich dem Geschäft widmen, was man hier „Stunden im Zeichnen geben“ nennt. Doch auch hierin hat sich der Einfluß seines Geistes bewährt. Alle die Vornehmen, denen er seine Zeit geopfert, zeichnen sich aus durch eine richtigere Einsicht in das Wesen der Kunst und durch eine ernstlichere Liebe zu derselben. Als Beispiele sey erlaubt einen seiner letzten Schüler, den Churprinz von Hessen selbst, anzuführen, welchen nicht nur eine vorzügliche Liebe und Einsicht auszeichnet, sondern der selbst Werke produzirt deren sich anerkannte Künstler rühmen dürften; und überhaupt darf man sagen, daß unser Genelli zur Ausbreitung und Erweckung der Liebe zur Kunst kräftig mitgewirkt hat.
Unter solchen Umständen wird niemand sich wundern, daß er so wenig vollendete Werke hinterlassen hat. Wie hätte er Mittel und Zeit dazu finden sollen? an besondere Gelegenheiten war ohnehin nicht zu denken. Nur in sehr geringem Grade kann die ihm so oft vorgeworfene Unzufriedenheit mit sich selbst mit in Anschlag gebracht werden. Freilich sind wenig Menschen von der inneren Kraft wie er, daß sie, so weit ins Alter hinein, bei jedem was sie denken und thun, sich des Lernens und Fortschreitens rühmen könnten; doch fühlte wohl er so gut wie jeder andere welchen hohen Preis das Vollenden hat, vorzüglich seitdem er verheirathet war und eigene Kinder zu erziehen hatte. Seit dieser Epoche waren die beiden Maler: Bury und Hummel allhier angekommen, mit welchen er bald in vorzüglicher Intimität lebte. Ihr Umgang erinnerte ihn am erquicklichsten an jene freudigere Zeit der Jugend, die, aller Noth trotzend, auch er in Rom verlebt hatte, und sie verstanden auch am besten seinen tieferen, edleren Kunstsinn. Vorzüglich hatte er sich mit dem Maler Bury verbunden, den er schon während der vier Jahre, die er selbst von 1785 bis 89 in Rom zugebracht hatte, gekannt hatte; und theils in Gemeinschaft mit diesem, theils im Wetteifer mit ihm, hat er noch seine letzten Werke vollendet. So sind von ihm die landschaftlichen Gründe, an dem Bilde von dem berühmten Eid der drei Schweizer, an dem großen Gemälde, welches die beiden Prinzessinnen von Oranien und von Hessen KK. HH. darstellet, und an noch einigen anderen. Das letzte Bild, welches ganz von seiner Hand war, ist eine Landschaft, welche Ihre K. H. die Prinzessin von Hessen bestellt hatte, und die jetzt im Besitz des Churprinzen, ihres Gemahles, ist. Es war auf der letzten Kunstausstellung allhier zu sehn, und gewiß hat kein echter Kenner ihm seinen Beifall versagen können. Früher hatte man zwei Harzgegenden von ihm gesehen, welche soviel wir wissen Se. Maj. der König selbst erstanden hat. Das früheste Bild welches er nach seine Rückkunft aus Rom fertig gemacht hat, eine Aussicht von der Höhe des Müggelberges, ist im Besitz der Frau Gräfin M. Brühl. Sein vorzüglichster Nachlaß sind, die Anlage eines größeren Gemäldes und das Carton zu einem andern, beide nach Philostratos entworfen, dieses die Wildschweinsjagd, jenes die Ruhe nach der Jagd darstellend.
Doch diese können nur für den vollendeten Kunstkenner einen Werth haben. Was er aber für jedes Menschenherz Interessantes hinterließ, sind vier unmündige, aber ungemein vielversprechende Knaben, denen er auch unter den günstigsten Umständen allzufrüh entrissen wäre, indem nicht leicht jemand gefunden wird, der diesen Vater in dem ernsten Willen und in der Fähigkeit Jugend zu bilden und auf löbliche und rechte Wege zu führen überträfe. Und diese sind nun durch seinen so frühzeitigen Tod in so zartem Alter ohne Hülfe und Leitung geblieben!
Er verschied den 10ten Februar an gänzlicher Entkräftung in Folge einer schweren Brustkrankheit, von welcher er schon seit seinem 18ten Lebensjahre befallen war.
Ausgestellte Werke:
Verschiedene Landschaften, unter dieser Nummer.
Eine Landschaft in Oel gemahlt.
Eine nicht ganz vollendete Landschaft.
Eine Landschaft im Italiänischen Geschmack.
Eine Ansicht von dem Müggelberge bei Köpenick.
Vier Landschaften, die vier Jahres- und Tageszeiten zugleich vorstellend, unter einer Nummer.
Eine Landschaft, Ulysses, den die Nauticaa am Hayn der Diana zurückläßt.
Landschaft, den ersten Schiffer vorstellend. (alle sechs à la prima gemahlt)
Die Heu-Scheuer, eine Gegend im Harz. Hinter dem in der Mitte des Gemäldes hervorragenden Felsen ist der unzugängliche Katarakt der Bode befindlich, die von der linken nach der rechten Seite den Felsen umfließt, und unter dem Roßtrapp, nach Thale zu, ihren Ausfluß nimmt. Die Grotte selbst, welche den Namen der Heuscheuer führt, ist fast unzugänglich. In heißen Sommertagen birgt sich das Wild hier in einem kühlen und sichern Zufluchtsort.
Eine Landschaft (3 Fuß hoch und 3 Fuß 1 Zoll breit) eine Gegend aus dem Harz hinter Thale am Ausfluß der Bode, mit den daran liegenden Eisenhammern vorstellend.
Eine Landschaft, die über das Meer untergehende Sonne vorstellend, 3 Fuß 9 Zoll breit und 3 Fuß 1 Zoll hoch.
Der Bund der drei Schweizer auf dem Rütli, Ölgemälde. Die Figuren von Bury, die Landschaft von Genelli.
Eine Landschaft.
(Börsch-Supan: 1786:252, 1788:346, 1791:59, 1794:110.111, 1797:74-76, 1800:29, 1802:12, 1804:62.579, 1810:63.S48, 1812:559)
Person: Janus Genelli, Berliner Klassik, hrsg. v. der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, 2003-2013. URL: https://berlinerklassik.bbaw.de/personen/644.
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