1756
François Théodore de Lagarde wird als Sprößling einer Hugenottenfamilie in
Königsberg geboren. In den Jugendjahren tritt Lagarde zunächst als Lehrling in
eine Königsberger Galanteriewaren-Handlung ein. Nach seinem Umzug nach Berlin
arbeitet er im Geschäft eines Verwandten. Später arbeitet er als Gehilfe des
französischstämmigen Berliner Buchhändlers Etienne de Bourdeaux.
1783
Lagarde erhält von offizieller Seite das Privileg "in Unsern hiesigen
Residentzien einen freyen Buchhandel anlegen öffnen und halten und darin gleich
andern privilegirten Buchhändlern allerhand gute, nützliche und erbauliche
Französische Bücher und Materien in allen Facultaeten, freyen Künsten und
Wissenschaften ungehindert und außerhalb den öffentlichen Jahrmärkten kaufen
und verkauffen, hiernächst auch dergleichen gute und nützliche Schriften, wann
dieselben zuvor gehörigen Orts revidiret und censiret worden, selbst auflegen,
drucken lassen und verhandeln möge". (Hentschel 1992, S. 77 ff.).
Kurz darauf beginnt seine verlegerische Tätigkeit. Seine engen, teils auf
familiäre Bindungen zurückzuführenden Beziehungen zur französischen Gemeinde
Berlins erleichtern ihm den Einstieg: Lagarde verlegt die Werke der
reformierten französischen Theologen Frédéric Reclam, Louis Frédéric Ancillon
u. a., sowie religiöse Schriften und Predigten, die auf den 100. Jahrestages
des Edikts von Nantes Bezug nehmen.
1784
Lagarde fusioniert mit dem kurländischen Buchhändler Johann Daniel Friedrich.
Um den Markt im Osten Preußens besser erschließen zu können wird eine
Niederlassung in Libau gegründet. Die Folgen dieser Expansion sind Kontakte zu
neuen Autoren und eine Erweiterung des Verlagsprogramms. Lagarde &
Friedrich publizieren in deutscher und französischer Sprache
1886
Im Todesjahr Friedrich II. erscheinen Mirabeaus Schriften bei Lagarde.
1789
Lagarde publiziert das 1788 in Paris erschienene Werk "Anacharsis Reise
durch Griechenland" des französischen Altertumswissenschaftlers Jean
Jacques Barthelemy in deutscher Sprache. Für die Übersetzung der in Frankreich
überaus erfolgreichen Schrift über das antike Griechenland im 4. Jahrhundert
stellt Lagarde zunächst Daniel Jenisch an, der aber scheitert. Erich Biester
vollendet die Übersetzung des sieben bändigen Werkes, das zwischen 1794 und
1804 weitere Auflagen erfährt.
1790
Der Kreis der Autoren wird populärer. Lagarde verlegt gemeinsam mit
Friedrich die "Kritik der Urteilskraft" von Immanuel Kant und Leonard
Eulers "Vollständige Anleitung zur Differezial-Rechnung". Insgesamt
erstreckt sich das Verlagsprogramm auf wissenschaftliche Arbeiten,
Übersetzungen, vornehmlich aus dem Französischen und auf die Publikation
französischer Werke für die französische Gemeinde Berlins. Theologie und
Philosophie gehören genauso zum thematischen Spektrum, wie Schriften zur
Mathematik und Physik. Lediglich das literarische Fach bleibt bei Lagarde
unterrepräsentiert. Das Programm unterstreicht den
wissenschaftlich-aufklärerischen Anspruch des Verlegers.
1791
Lagarde trennt sich von Johann David Friedrich, der weiterhin für den
wissenschaftlichen Buchmarkt in Libau publiziert. Lagarde beschränkt sich auf
den Berliner Buchmarkt.
1793 bis 1799
Unter dem Titel "Michael Montaignes Gedanken und Meinungen über
allerlei Gegenstände" erscheinen die berühmten "Essais" des
französischen Philosophen erstmals in deutscher Sprache. Die dreibändige
Übersetzung leistet der Weimarer Johann Joachim Christian Bode.
Die Übersetzung erhält außerordentlich gute Kritiken. Der "Teutsche
Merkur" preist in einem Vorabdruck den "vorzüglichen Werth"
(TM 1 1793, S. 307) der Publikation. In der "Neuen allgemeinen
deutschen Bibliothek" heißt über den "vortrefflichen
Übersetzer": Sein richtiger Geschmack bewahrte ihn vor der Klippe, an der
wahrscheinlich mancher andere gestrandet wäre; er versuchte nicht, den
veralterten Ton seines Originals durch ähnliche deutsche Archaismen zu treffen.
(...)...gleichwohl hat sich der Übersetzer noch ein großes und verdientes Lob
erworben. Sein Verdienst ist, daß er alles erhielt, was zu erhalten war, und
einen neuen und glänzenden Beweis seines Geschmacks und seiner
Beurtheilungskraft gab er dadurch, daß er nicht mehr zu erhalten versuchte, als
sich erhalten ließ". (NadB 10.1 1794, S. 192).
1795
Lagarde unternimmt trotz der unruhigen politischen Verhältnisse eine Reise nach
Frankreich um den dortigen Buchmarkt auf potentielle Erwerbungen zu prüfen.
Ziel ist es, neue französische Werke möglichst schnell zu übersetzen und in den
deutschen Buchhandel zu bringen. Samuel Henri Catel wird als Übersetzer
angestellt.
1796
Lagardes Unternehmung ist erfolgreich verlaufen. Jean Pierre Claris de Florians
"Fabeln" erscheinen in deutscher Übersetzung. Mit Gaspar Melchor de Jovenallos
Schauspiel "Der edle Verbrecher" nimmt er erstmals eine Übersetzung
aus dem Spanischen in sein Programm auf. Zudem bemüht sich Lagarde mit Johann
Friedrich Jüngers "Wilhelmine" und Karl August Böttigers Biographie
des Montaigneübersetzers Bode verstärkt um den literarischen Markt.
1797 bis 1798
In Begleitung seines Freundes Vieweg bereist Lagarde Paris ein zweites Mal. Er
tritt mit einigen Pariser Buchhändlern in engen Kontakt. Ziel ist es, seine
verlegerische Tätigkeit auf Frankreich auszuweiten. Tatsächlich macht Lagarde
Gewinne und arbeitet mit der Nationalbibliothek zusammen.
1800
Lagarde beabsichtigt die Herausgabe einer Prachtausgabe von Homers Werken in
der Übersetzung Friedrich August Wolfs. Goethe und Wilhelm von Humboldt sollen
als Mitarbeiter gewonnen werden. Angesichts der schwierigen politischen
Umstände und der damit verbundenen finanziellen Knappheit scheitert das gewagte
Projekt jedoch. Auch die fertig gestellte Montaigneausgabe erweist sich als
finanzieller Fehlschlag, da nicht genügend Exemplare abgesetzt werden können.
1802 bis 1804
Die Situation auf dem Buchmarkt verschlechtert sich zusehends. Mit der Aufnahme
zweier Werke des populären Dichters August von Kotzebue ins Verlagsprogramm
("Almanach dramatischer Spiele zur geselligen Unterhaltung auf dem Lande,
Bde. 1-5" und "Une anée mémorable de la vie d'Auguste de
Kotzebue") verzeichnet Lagarde zwar Gewinne, mit dem Finanzier und Freund
Johann Georg Scheffner kommt es jedoch zum Streit. Lagarde muß sich nach neuen
Geldquellen umsehen. Mit dem Erwerb zweier Holzschneidemühlen in Küstrin versucht
er die finanzielle Situation zu verbessern, ein Plan, der vorerst aufgeht.
Ab 1805
Der Ausbruch des dritten Koalitionskrieges und die Niederlage Preußens gegen Napoleon
im Oktober 1806 zerstören die wirtschaftliche Grundlage seines Verlages. Lediglich
die Mühlen werfen noch soviel Gewinn ab, daß Lagarde seine Familie ernähren
kann, allerdings muß er sie in staatlichen Besitz überführen. Lagarde ist ab
1810 nur noch Angestellter seines ehemaligen Besitzes. Den verschuldeten Verlag
überschreibt er 1812 seinem Schwiegersohn Köchly.
1815
Köchly übernimmt offiziell den Verlag, der von nun an auch unter seinem Namen
veröffentlicht.
1824
Tod Lagardes.
Lagarde war einer der Profiliertesten Verleger im Berlin der Sattelzeit. Er
publizierte wissenschaftliche Bücher und Literatur, französische Übersetzungen
deutscher Werke und französische Schriften in deutscher Sprache. Er gehörte zum
Kreis der Berliner Aufklärung. Mit den Verlegerkollegen Göschen und Vieweg
verband ihn eine enge Freundschaft. Im Rahmen seiner verlegerischen Tätigkeit
setzte er sich für die Verständigung zwischen dem reformierten
französischsprachigen Berlin und der deutschen Intellektuellenschicht der
preußischen Hauptstadt ein. Lagarde verlegte Klassiker wie Cicero und Michael
Montaigne und wissenschaftliche Autoren wie Leonard Euler und Jean Pierre
Ermann. Zur Riege der Autoren, die bei Lagarde veröffentlicht wurden zählten
Immanuel Kant, Samuel Heinrich Catel Carl August Böttiger und viele andere.
Auf seiner Montaigneausgabe basiert die historisch-kritische Montaigneedition
von Otto Flake und Wilhelm Weigand von 1908. Der Verlag war bis weit ins 19.
Jahrhundert hinein unter dem Namen seines Schwiegersohns Köchly erfolgreich.
Verwendete Literatur:
Hentschel, Uwe: "Aus mir wird niehmals ein gelehrter Buchhändler".
Der Berliner Verleger Francois Théodore de Lagarde (1756-1824). In:
Leipziger Jahrbuch zur Buchgeschichte Bd 2 (1992), S. 77-107
Neue allgemeine deutsche Bibliothek vom 10. Januar 1794, Bd 10, 1. St., S.
191-199
Teutscher Merkur 1793, Bd. 1, S. 307-332
SH
Person: François Théodore Lagarde, Berliner Klassik, hrsg. v. der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, 2003-2013. URL: https://berlinerklassik.bbaw.de/personen/664.
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