1769
am 1. November Geburt
in der livländischen Provinz als Sohn eines Pastors.
1776 bis 1782
Besuch der Domschule von Riga.
1782
Tod des Vaters. Abbruch der schulischen Ausbildung mangels finanzieller Mittel.
1786
Gerichtskanzlist
am Livländischen Gewissensgericht.
1787
Anschluß an die
Schauspielgruppe von Johann Gotthilf Mayrer. Bekanntschaft mit dem Schauspieler
Carl Ferdinand Grohmann, der Merkel in die gesellschaftlichen Kreise Rigas
einführt. Merkel ist an der Gründung des "Rigaer Prophetenclubs" beteiligt.
1788
Hofmeister in
Pernigel, autodidaktisches Studium. Lektüre philosophischer Werke. Erste literarische
Versuche.
1794 bis 1795
Hauslehrer auf dem Gut Annenhof bei Kreismarschall Alexander v. Transehe. Erste
Arbeiten und Studien zum Hauptwerk über die Letten.
1796
Medizinstudium in Leipzig, ab Herbst in Jena. Gesellschaftlicher Verkehr
mit den Literaten Wieland, Engel und Böttiger.
1797
Umzug nach Weimar. Hier steht Merkel mit Herder und dessen Frau in engem
Kontakt. Man pflegt ein fast freundschaftliches Verhältnis. Anstellung als
Privatsekretär des dänischen Finanzministers E. H. v. Schimmelshausen in
Kopenhagen, Aufgabe der Tätigkeit nach kurzer Zeit und Rückkehr nach Weimar.
Merkel zieht 1797 die Arbeit an seinem Buch allen Anstellungen vor. Caroline
Herder schreibt am 13. November an Böttiger: "Doch ich lege lieber den
Brief des trefflichen Merkel selbst bei. Ich stelle mir ihn jetzt wie eine
Biene vor, in der großen Bibliothek; wir werden uns sehr freuen ihn wieder zu
sehen, den schönen menschenfreundlichen Genius". (Herder 1982, S. 474).
Das Buch "Die Letten, vorzüglich in Liefland, am Ende des
philosophischen Jahrhunderts" erscheint bei Gräff in Leipzig. Merkel
kritisiert die Kolonisation Livlands durch den Deutschen Orden, sowie die
gegenwärtig Stellung und das Verhalten des Adels und der Geistlichkeit. Er
plädiert offen für die Freiheit des livländischen Volkes und die Abschaffung
der Leibeigenschaft.
Caroline Herder bespricht das Buch in einem Brief an Ludwig Gleim: "Er
(Merkel) macht eine Reise auf den Harz und geht eigens nach Halberstadt um
Sie zu sehen. Auch Sie werden sich freuen in dem stillen sanften Menschen eine
Heldenseele zu finden; er hat für die unmenschlich behandelten Bauern in
Liefland ein Buch geschrieben und sucht das Ehr- und Mitgefühl ihrer Herren zu
erregen. Einem solchem Mann werden Sie freundlich die Hand reichen und er wird
gestärkt durch Sie und was ihnen gehört, die Berge und Thäler weiter
durchwandern". (Herder 1982, S. 320 ff.).
1798
Im Sommer hält sich Merkel in Tiefurt auf. Reise nach Bremen, Hamburg,
Lübeck, Dresden und Berlin. Auf der Reise entstehen der Roman "Eine
Reisegeschichte" und die "Briefe über einige der merkwürdigsten
Städte in Deutschland".
1799/ 1800
Auf Empfehlung seines Freundes Johann Jacob Engel Umzug nach Berlin.
Mitglied der Loge
"Royal York". Mitglied der Loge "Friedrich Wilhelm zur gekrönten
Gerechtigkeit" 1800-1802/03.
1801
Erwerb des philosophischen Doktorgrades in Frankfurt/ Oder. Mit der Schrift
"Briefe an ein Frauenzimmer über die neuesten Produkte der schönen
Literatur in Deutschland", einer Polemik gegen die Romantik, stellt sich
Merkel dem Berliner Publikum vor - mit großem Erfolg.
Zieht 1801 kurzzeitig nach
Frankfurt/Oder
1802
Vorlesungen in
F./O. über Ästhetik. Redakteur des wissenschaftlichen Teils der Spenerschen
Zeitung in Berlin. Das gemeinsame Zeitschriftenprojekt mit Kotzebue "Der
Freymüthige" kommt nicht zustande. Kotzebue gründet die Zeitschrift allein.
1804/04
Gründung der Zeitschrift "Scherz und Ernst. Ein Unterhaltungsblatt
literarischen und artistischen Inhalts", die nach einjähriger Laufzeit
1805 mit dem "Freymüthigen" fusioniert.
Dass neue Blatt "Der Freymüthige oder Scherz und Ernst. Berlinische
Zeitschrift für gebildete und unbefangene Leser" wird die auflagenstärkste
literarische Zeitschrift Berlins (2000 Exemplare). Zunehmende Politisierung der
Zeitschrift angesichts der napoleonischen Expansionspolitik.
1806
Aufgrund der
napoleonischen Bedrohung Flucht nach Riga. Mit den "Supplementblättern zum
Freymüthigen" beteiligt sich Merkel ab 1807 am publizistischen Kampf gegen
Napoleon. Von der Zeitschrift erscheinen 30 Ausgaben.
1807
In Riga heiratet
Merkel Dorothea Wilhelmina Germann, die Tochter des Subrektors der Rigaer
Domschule. Aus der Ehe gehen drei Kinder hervor. Ernst Merkel (1810-1863) macht
sich einen Namen als Arzt und Publizist.
1808
Erwerb des Guts
Depkinshof bei Riga. Gründung der Zeitschrift "Der Zuschauer. Eine
literarisch-politische Zeitschrift".
1812
Merkel schreibt
seinen Aufruf "An die Bewohner der Ostseeprovinzen Rußlands". Die
Widerstandsschrift erscheint auch auf Russisch. Der Übersetzer ist Merkel
selbst.
1816
Rückkehr nach
Berlin, Neugründung der Zeitschrift "Scherz und Ernst". Nach mäßigem
Erfolg überschreibt er das Blatt Julius v. Voß.
1817
Reise durch das westliche Deutschland und Rückkehr nach Riga.
1818
In der Schrift
"Über Deutschland, wie ich es nach einer 10jährigen Entfernung
wiederfand" geißelt Merkel die einsetzende Restauration.
1820
Bauernbefreiung in
Livland. Merkel widmet seine Festschrift "Die freyen Letten und
Esthen" Zar Alexander, der ihm daraufhin eine lebenslange Pension von 300
Silberrubel im Jahr bewilligt.
1827
Übernahme der
Redaktion der Wochenschrift "Provinzblatt für Kur-, Liv- und
Estland". Konflikte mit der Zensurbehörde zwingen ihn 1838 zur Aufgabe.
1841
Merkel wird
Ehrenmitglied der lettisch-litauischen Gesellschaft.
1851
Merkel stirbt am 4. Mai im Alter von 80 Jahren auf seinem Gut an den Folgen
eines Schlaganfalls.
----------------------------------------
Merkel wuchs als Sohn eines belesenen Pastors in der livländischen Provinz auf
und besuchte ab 1776 die Domschule in Riga. Nach dem Tod beider Eltern lebte er
weiter im Pastorat und las sich durch die umfangreiche Bibliothek seines
Vaters. Sein autodidaktisches Wissenschaftsverständnis, das ihn nicht selten an
Hochschulen oder in Studierkreisen vor Kommunikationsprobleme stellte, hatte
hier seinen Ursprung. Anstellungen fand er 1786 am livländischen
Gewissensgericht, zwei Jahre später als Hofmeister in der Provinz und 1794 als
Hauslehrer der Töchter eines Kreismarschalls. Wo immer er sich befand widmete
er sich seinen privaten Studien. Im Zentrum seiner Beschäftigung standen die
klassische Literatur in lateinischer, französischer und englischer Sprache,
Geschichte, politisches Zeitgeschehen und Philosophie. Anfang der 90er Jahre
begann er seine schriftstellerische Tätigkeit, schloß sich verschiedenen
Literatenkreisen an und beteiligte sich an der Gründung des Rigaer
"Prophetenclubs". Neben kleinen Romanen verfaßte er auch historische
Arbeiten. Von Rousseau und Raynal, aber wohl auch von Herder geprägt, entstand
1797 sein Werk "Die Letten, vorzüglich in Livland am Ende des
philosophischen Jahrhunderts", wo er massive Kritik an der Leibeigenschaft
übte. Anders als viele Autoren der Aufklärung suchte Merkel die Konfrontation
mit der bestehenden Ordnung: Geistlichkeit und Adel wurden kritisiert, die
Kolonisierung und Missionisierung des Deutschen Ordens für die historische
Unterdrückung der Letten verantwortlich gemacht. Die Schrift gipfelte im Aufruf
zur Befreiung von der Leibeigenschaft.
1797 zog Merkel nach einer kurzen Zwischenstation in Leipzig nach Weimar, wo er
in engen Kontakt zu Böttiger, Wieland und dem von ihm hoch verehrten Herder
trat. Herder zeigte sich von dem Werk über die Letten beeindruckt und wurde zum
Freund und Förderer Merkels. In Weimar festigte sich Merkels Urteil über die
deutsche Literatur, er stellte die "klassischen" Werke von Wieland,
Lessing, Garve, Voß und Herder über die Arbeiten der zeitgenössischen Dichter.
Besonders kritisch sah er die romantische Bewegung sowie die Schriften Goethes
und Schillers. Nach einer Reise durch das nördliche Deutschland zog Merkel Ende
1799 nach Berlin. Hier versuchte er sich publizistisch zu etablieren, trug dem
Dichter Kotzebue die Herausgabe der Zeitschrift "Der Freymüthige" an,
gründete sein eigenes Unterhaltungsblatt "Scherz und Ernst" und
arbeitete in verschiedenen Redaktionen. Zwischen 1801 uns 1803 wandte er sich
in seinen "Briefen an ein Frauenzimmer über die neuesten Produkte der
schönen Literatur in Deutschland" polemisch gegen die Romantik,
insbesondere gegen die Brüder Schlegel und Ludwig Tieck und stilisierte sich
zum Repräsentanten des Publikumsgeschmacks. Seine polemischen Schriften
befaßten sich auch mit dem politischen Zeitgeschehen und richteten sich stark gegen
Napoleon. Zwar scheiterte sein Plan, mit dem Historiker Johannes v. Müller ein
patriotisches Tageblatt herauszugeben, doch es ergaben sich genug andere
Möglichkeiten, u. a. in der Zeitschrift Kotzebues, gegen den Rheinbund,
Franzosenfreunde und Napoleon zu wettern. Das führte dazu, daß Merkel auf die
Proskriptionsliste der Franzosen gesetzt wurde und nach der preußischen
Niederlage 1806 auf Rat des Ministers Schulenburg nach Riga fliehen mußte. Hier
betrieb er sein Werk des literarischen Kampfes gegen die französische Besetzung
u. a. in den "Supplementblättern zum Freymüthigen" oder dem
"Zuschauer. Eine literarisch-politische Zeitschrift" weiter. In der
Schrift "An die Bewohner der Ostseeprovinz Rußlands", die er selbst ins
Russische übersetzte, rief er zum Widerstand gegen Napoleon auf und forderte
die Zusammenarbeit russischer und preußischer Truppen. Nach den napoleonischen
Kriegen kehrte Merkel 1816 nach Berlin zurück. Durch seine Gegnerschaft zu
Schiller und Goethe hatte er sich allerdings wenig Freunde gemacht und war
literarisch isoliert. Die Neugründung seiner Zeitschrift unter dem Titel
"Ernst und Scherz oder der alte Freymythige" war kein großer Erfolg. Er
übertrug das Blatt dem Dichter Julius v. Voß. Nach einer Reise durchs westliche
Deutschland, die er in der Schrift "Über Deutschland, wie ich es nach
einer zehnjährigen Entfernung wiederfand" literarisch verarbeitete, kehrte
Merkel endgültig nach Livland zurück. Den antinapoleonischen Befreiungskampf
sah er als gescheitert an, da man nur für die Erhaltung dynastischer Ordnungen
gekämpft und das Volk dabei vergessen habe. Nach der Bauernbefreiung in Livland
1819 feierte Merkel in der Schrift "Die freyen Letten und Esthen" den
russischen Zaren Alexander I., woraufhin dieser ihm eine lebenslange Pension
von 300 Rubel in Silber zahlte. Merkel arbeitete als Redakteur und Publizist
verschiedener Zeitschriften und Bücher, war Mitglied der kurländischen
Gesellschaft für Literatur und Kunst und Ehrenmitglied der
Lettisch-literarischen Gesellschaft. 1850 erlag er auf seinem Gut Depkinshof
einem Schlaganfall. Garlieb Merkel machte sich als Pulizist und Schriftsteller
besonders zwischen 1797 und 1806 in Weimar und Berlin einen Namen. Als
Redakteur zahlreicher Zeitschriften stellte er sich gegen die Romantik, sowie
gegen Goethe und Schiller. Politisch engagierte er sich als Publizist im Kampf
gegen Napoleon. Besondere Bedeutung erlangte er durch seine von freiheitlichen
Ideen getragene Beschäftigung mit den Völkern der Letten und Esten und ihrer
Geschichte. "Trotz maßloser Eitelkeit und Selbstüberschätzung war
Merkel ein ehrlicher und überzeugungstreuer Charakter" (ADB), der
politisch modernen, fast radikalen Ideen anhing, literarisch aber zu den
"Konservativen" gehörte.
Herder würdigt Merkel und seine Arbeit in einem Brief an ihn vom 28. August
1800: "Verzeihen Sie, Bester, meinen so späten Dank sowohl für ihre
Geschenke, als auch für die Ehre, die Sie vor den Völkergemählden mir haben
erweisen wollen. Ach zu viel, zu viel Ehre! Ihre Völkergemählde sind gut zu-
und gegeneinander gestellt; auch dünkt mich diese methode, des
Zusammenstellens, von der Hand die angenehmste, die nützlichste, ja die -
einzig mögliche Philosophie der Menschheit in einem gewissen Sinn betrachtet.
Mögen die Engel Uriel, Raphael, Sealthiel, vorzüglich aber der Engel Michael
aus ihnen Resultate ziehen; was sollen sie uns, eh wir hinaufgelangen".
(Herder 1984, S. 156).
Verwendete Literatur:
Herder, Johann Gottlieb: Briefe. Gesamtausgabe 1763-1803. Bd. 7: Januar
1793-Dezember 1798. Hrsg. von Wilhelm Dobbek, Günther Arnold, Karl Heinz Hahn.
Weimar: Böhlau 1982
Herder, Johann Gottlieb: Briefe. Gesamtausgabe 1763-1803. Bd. 8: Januar
1799-Dezember 1803. Hrsg. von Wilhelm Dobbek, Günther Arnold, Karl Heinz Hahn.
Weimar: Böhlau 1984
SH
Person: Garlieb Hellwig Merkel, Berliner Klassik, hrsg. v. der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, 2003-2013. URL: https://berlinerklassik.bbaw.de/personen/747.
Link zu den API-Daten: https://berlinerklassik.bbaw.de/api/personen/747